Die Gesellschaft verändert sich: Konventionen weichen auf. Kleiderordnungen existieren kaum noch. Menschen verhalten sich situativ und passen ihre Identitäten fortwährend an. Stellt man nun die Entwicklungen von Marke der letzten Jahrzehnte gegenüber, haben sich diese allenfalls im Schneckentempo vollzogen. Noch immer gilt als zentrale Bedingung für den Erfolg einer Marke die Konsistenz und der sich daraus erschließende „Fit“ von Selbst- und Fremdbild. Gegenwärtige Gesellschaftserscheinungen werden eventuell allmählich problematisiert. Dies äußert sich durch Ratlosigkeit – zu groß, zu unübersichtlich und zu undurchsichtig ist der Beobachtungsradius geworden.
Das erklärt auch, warum steigende Umweltanforderungen nicht etwa in einer Infragestellung des Konsistenzideals münden, sondern eher in dessen Radikalisierung. Das Konsistenzstreben verkommt zu einer Sisyphus-Aufgabe.
Je pluralistischer die Wertewelt unserer Gesellschaft wird, je stärker die Demokratisierung von Medien voranschreitet und je offener und transparenter Entwicklungsprozesse von Produkten und Dienstleistungen werden, umso mehr büßen Marken ihre Funktion als „Leuchttürme“ ein. Im Gegenteil: Sie werden sogar zum Symbol eines Systems, das sich nicht mehr aufrechterhalten lässt und zusehends erodiert. Wir werden Zeugen, wie sich die vernetzte Welt mehr und mehr der zentralistischen Kontrolle von globalen Unternehmen und Nationalstaaten entzieht. In diesem Umfeld müssen Marken agiler werden und ihren geschlossenen Charakter aufgeben. Denn: Marke ist schon lange keine Konstante mehr.
Marke ist komplex, vielfacettiert, evolutiv, mitunter konträr und irrlichternd. Wer man ist, hat zunehmend damit zu tun, in welchem Kontext man sich befindet, wie man darin auftritt, wie man sich darin darstellt und welche Haltung man darin teilt. Ähnlich den menschlichen, postmodernen Identitäten müssen bestehende Ideologien und Schemata dekonstruiert werden, um den Anforderungen einer veränderten Gesellschaft zu genügen.
Eine Entwicklung, die ihren Niederschlag in der Markenführung findet, indem sich eine Marke ihrem Umfeld oder der jeweiligen Situation anpasst. Neben der Konsistenzprämisse kann das Entdecken eines anderen Ideals in der Markenführung ausgemacht werden – nämlich das der Flexibilität. Mitbedingt durch den medialen Wandel interagieren Unternehmen mit mehr Stakeholder über mehr Medien in mehr Richtungen denn je zuvor. Anstelle der Einheitlichkeitskonvention, die aufgrund steigender Anforderungen an ihre Grenzen stößt, strebt man nach Flexibilität. Die Hoffnung dahinter lautet, dass ein situativ flexibler und interpretativ offener Umgang zwischen den Stakeholdern einst beraubte kommunikative Spielräume und Schnelligkeit zurückgeben. Während früher Konsistenz der zentrale Parameter für Markenführungsansätze war, heißt Flexibilität das neue Gebot der Stunde!