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IMPULSE - der Strategie Austria Blog #Lena Enzinger

IMPULSE - der Strategie Austria Blog #Lena Enzinger

1 Like 02 05 2019

Unternehmenskultur – das Quiz

 

Unternehmenskulturen sind starke Kräfte, die über Kommunikation ins Internal- und Employer-Branding gelangen und bereits erfahrbar werden, bevor du noch einen Fuß in ein Unternehmen setzt.

 

Was Strategiebeauftragte ärgert: Unternehmenskulturen können vom Management oder von Consultants nicht gezielt verändert oder direkt über Gestaltungsprozesse beeinflusst werden denn sie sind soziale Phänomene. Mit einem systemischen Blick betrachtet sind sie Reaktionen auf das Außen (beispielsweise Fachkräftemangel). Unternehmen lernen, was ihnen guttut, etablieren Muster und thematisieren in ihrer Kultur die zugrunde liegende soziale Ordnung. Aber: Damit sich Menschen (in Konzernen sehr, sehr viele Menschen) gemeinsam organisieren und ihre Handlungen zielgerichtet koordinieren können, müssen sie bestimmte Prämissen für ihre Entscheidungen übernehmen (vgl. Christina Grubendorfer: Einführung in systemische Konzepte der Unternehmenskultur).

https://www.carl-auer.de/fileadmin/carl-auer/materialien/machbar/einfuehrung_in_systemische_konzepte_der_unternehmenskultur/MB_0000045.pdf)

 

In einem Unternehmen tätig zu sein bedeutet zu akzeptieren, nach bestimmten Spielregeln miteinander zu spielen.

 

Und welche Spielregeln in einem Unternehmen gelten, das ist eine strategische Aufgabe der Corporate Culture Beauftragten.

 

 

 

Klingt theoretisch? Werden wir konkret.

Stell dir vor, du bist auf Jobsuche. Du recherchierst Unternehmen nach ihrem cultural fit, du willst herausfinden WIE gearbeitet wird. Es ist dir vielleicht wichtig, fachlich aber auch persönlich gefördert zu werden, mit KollegInnen einen Weinclub zu formieren, deine Persönlichkeit zu zeigen ohne anzuecken, konstruktive Kritik einzubringen, Wertschätzung für soziales Engagement zu erhalten, als Mann selbstverständlich in Karenz gehen zu dürfen oder eine Frau als CEO zu erleben. Wo du dich bewirbst ist also abhängig von der Unternehmenskultur.

 

Ich habe die Gelegenheit ergriffen, drei ganz unterschiedliche Unternehmen in Wien zu besuchen und die „Kulturverantwortlichen“ zu interviewen: willhaben, Vienna Insurance Group, VIRTUE.

Nimm einen Stift zur Hand: Für welches Unternehmen würdest du dich entscheiden?

 

 

A Was sind die drei Top Tasks der Corporate Culture Beauftragten in eurem Unternehmen?

 

1 | Organisationsentwicklung, Führungskräfteentwicklung zu einem agilen Mindset, die Erhebungen zum „great place to work“ und interne Events wie Deep dive Workshops, Nikolaus mit den Kindern der Angestellten bis zum Fuck up Award.

2 | Vielfalt zu nutzen und Chancengleichheit zu erzeugen sind die Tasks der Diversitätsbeauftragten. Beispiele: Der Social active day seit 2011 (ein Arbeitstag bei einer NGO, konzernweit machen 5000 MitarbeiterInnen in 21 Ländern mit), der Anerkennungspreis für ehrenamtliches Engagement, der Günther Geyer Award mit 100.000 Euro für soziales Bewusstsein, das Kids Camp für 500 Kinder jeden Sommer.

3 | Weiterbildung & Inspiration (die Akademie) ist Aufgabe von HR; Entertainment (Kino- und Spieleabend, Weinclub, Sport) sowie Achtsamkeit & Transparenz (in Monthly Updates können alle anonym Fragen an das Management stellen, dieses antwortet auch auf Kritik – für Respekt, Wertschätzung und Klarheit) sind Ideen und Aufgaben aller MitarbeiterInnen.

 

 

B Was sind die drei Top Themen in eurem Unternehmen?

 

1 | Internationalität (Knowhow Austausch), Generationen und Gender (Vorbildwirkung: CEO, Finanz- und IT-Vorstand sind weiblich, der Frauenanteil ist 40% im Aufsichtsrat, 30% in der Holding und 48% im Konzern, man fordert Ausgewogenheit bei Aus- und Weiterbildungen).

2 | Leadership (Leichtigkeit, gleichzeitig ernsthaft), Inklusion (Mitgestalten als Auftrag an alle Angestellten), Transparenz.

3 | Agile journeys und Scrum als Arbeitsweise,  war for talents – dem wir mit verschiedenen Veranstaltungen zu Development, Sales, Big Data begegnen, Selbstorganisation und people driven Organisationsentwicklung.

 

 

C Was sind deine Top Reads zum Thema?

 

1 | Stefanie Stahl: Das Kind in dir muss Heimat finden https://www.randomhouse.de/Paperback/Das-Kind-in-dir-muss-Heimat-finden/Stefanie-Stahl/Kailash/e470945.rhd , Paul Watzlawick: Wie wirklich ist die Wirklichkeit https://www.piper.de/buecher/wie-wirklich-ist-die-wirklichkeit-isbn-978-3-492-24319-3 , Sun Tzu: Die Kunst des Krieges http://www.strategienet.de/kunst.html

2 | Sigi Kaltenegger: Selbstorganisation https://leanpub.com/selforganisingenterprises , Frederic Laloux: www.reinventingorganizations.com, Organisationsentwicklung, den Newsletter der Identitäter www.identifire.at/newsletter

3 | die biber Zeitschrift, keine Nachhaltigkeitsberichte („Weil ich nicht beurteilen kann, ob die Inhalte auch gelebt werden.“)

 

 

D Welche drei Top Unternehmen inspirieren dich?

 

1 | IKEA wie es Kinderbetreuung ermöglicht, Sonnentor weil sie leben was sie versprechen, isländische Unternehmen weil da Diversität bereits gesetzlich verankert ist.

2 | Runtastic, die Sprachlern-App Babbel, der norwegische Medienkonzern Schibsted (Mutter der Organisation) wegen seinem skandinavischen Zugang die MitarbeiterInnen zu empowern und Transparenz zu sichern.

3 | Patagonia weil es Nachhaltigkeit, CSR und Corporate Culture mit Business Impact verbindet.

 

 

Welches Unternehmen passt zu deinen Ansprüchen an Unternehmenskultur?

 

Auflösung:

 

A1: W, A2: VG, A3: V

B1: VG, B2: V, B3: W

C1: V, C2: W, C3: VG

D1: VG ,D2: W, D3: V

 

 

W:

Gunda Horvath ist Corporate Culture Coordinator bei willhaben. Sie unterstützt die “willhabinger” in ihren Initiativen und verbindet sie miteinander. Als das Unternehmen 100 MitarbeiterInnen zählte, stellte man sich die Frage, wie man trotz großem Wachstum die besondere Kultur bewahren und den HR-Bereich weiterhin aktiv leben wolle. Man formte HR als „Kulturabteilung“ mit den Aufgaben Recruiting, Onboarding, Führungskräfteentwicklung und Employer Branding. Gunda prüft im Recruitingprozess den cultural fit der BewerberInnen in der zweiten Runde, gestaltet Flyer für neue KollegInnen um sie willkommen zu heißen, ist Vertrauensperson für alle Teams um Feedback zur Job-Zufriedenheit einzuholen und setzt sich für die Gleichberechtigung der Männer ein indem sie den Papamonat empfiehlt. „Viele Menschen kündigen ihre Jobs wegen mangelnder Wertschätzung. Ich sehe mich als Dienstleisterin für die Organisation. Da bindet man schonmal hundert Schleifen auf Häferl und richtet den Raum her. Jede/r Einzelne zählt.“ Seit 10 Jahren schafft es willhaben ohne Unterbrechung in die Top 3 des Arbeitgeber-Rankings „Great Place to work“. 2019 gelang - wie schon 2016 und 2018 – der Sprung auf Platz 1.

 

 

VG:

Wolfgang Haas leitet die Konzernkommunikation und das Marketing und ist Konzernpressesprecher der Vienna Insurance Group. Er hat das neue Leitbild des Konzerns erarbeitet und neue Werte definiert: Neben Vertrauen und Kundennähe ist Diversität bzw. Vielfalt der Kernwert des Unternehmens, welcher die 43 Marken und 25 Märkte verbindet und politische und religiöse Unterschiede auch in der Gestaltung von Versicherungsprodukten anerkennt. Soziale Verantwortung wird in der CSR-Strategie und im Code of Business Ethics der VIG festgeschrieben und von der Sponsoring Abteilung in konkrete Projekte gegossen. Die Wiener Städtische Versicherung öffnete 1974 den ersten Betriebskindergarten Österreichs am Salzgries in Wien. Heute zeigt die VIG Familienfreundlichkeit indem sie Vätern die zwei Freitage bei einer Geburt auf fünf aufstockt und so eine Papawoche ermöglicht. Wolfgang Haas ist auf die weiblichen Karrieren stolz: „Wir waren heuer der erste börsennotierte Konzern, dessen Jahresergebnis von zwei Frauen präsentiert werden konnte. Insgesamt sind sogar drei wesentliche Funktionen – CEO, Finanzvorstand und IT-Vorstand – bei uns von Frauen besetzt!“

 

 

V:

Konstantin Jakabb ist CEO von VICE und VIRTUE Austria.

„Ich finds scheiße“ zu sagen macht bei VIRTUE keinen Sinn – sondern „Ich finds scheiße und das wär‘ mein Vorschlag“.

Konstantin beschreibt die DNA der Agentur mit dem Anspruch an MitarbeiterInnen, sich zu entwickeln und mitzugestalten. „Wir sind als Unternehmen eine Zwischenstation von Menschen. Für ihre persönliche Entwicklung setzen wir Impulse in Formaten von externen Fortbildungen bis zu internen Monthly Updates. Solange die Leute da sind, sollen sie mitgestalten.“ Ein Mitarbeiter hatte beispielsweise die Idee, einen Podcast für die KollegInnen zu gestalten, pitchte sie intern und bekam zeitliche Ressourcen dafür neben dem Daily Business als Head of Cultural Strategy. Eigenverantwortung ist also zentraler Kulturfaktor für die Werbeagentur VIRTUE, die einen Beitrag leisten und die Industrie verändern will.

 

 

 

 

Unternehmenskultur ist das Gedächtnis ausgeschlossener Möglichkeiten (das was nicht entschieden wurde) und wahrgenommener Möglichkeiten (das, was entschieden wurde). Sie dient dem Überleben des Unternehmens.

Die Praxis des Tuns von Unternehmen zielt also nicht darauf ab, Menschen möglichst gerecht zu werden (wie im personenzentrierten System Familie), sondern die Aufgabe des Unternehmens (als aufgabenorientiertes System) zu erfüllen.

Mit diesem Gedanken im Kopf lesen sich die Employer-Branding-Aktionen vieler Unternehmen doch gleich noch spannender?

 

Zur Autorin des Blogbeitrags:

Lena Enzinger ist Unternehmensberaterin mit Fokus auf Digitale Strategie und Digitales Marketing. Nach 10 Jahren in Werbeagenturen berät sie nun selbständig vor allem Unternehmen in Kultur und Tourismus – und unterstützt Agenturen als Freelancerin in der Konzeption von internationalen Digitalkampagnen. Das Ergebnis: purpose driven Services & Stories.

www.lenaenzinger.com

 

Illustration; www.lanalauren.design