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Verkäufer? – Nein, danke!

Verkäufer? – Nein, danke!

1 Like 29 12 2017
 

Besonders gut ist es ja nicht, das Image des Verkäufers. Doch es war auch schon mal schlechter. Wie und warum sich das Bild des Verkäufers in den letzten vierzig Jahren verändert hat, war Thema einer Bachelorarbeit im Studiengang „Technisches Vertriebsmanagement“ an der FH des BFI Wien.

Ihr macht daraus eine Räuberhöhle, soll Jesus gerufen haben, als er vor rund 2000 Jahren die Kaufleute aus dem Tempel in Jerusalem vertrieb. So steht es zumindest im Matthäus Evangelium. Und schon in der Antike wurden Kaufleute oftmals (fälschlich) mit Dieben gleichgesetzt, war ihr Schutzgott doch Hermes, der Gott der Diebe und der Kaufleute.

Keine guten Voraussetzungen für die Entwicklung dieses Berufsstandes. Das Misstrauen gegenüber Verkäufern zieht sich wie ein roter Faden durch die europäische Geschichte. Aber hat sich dieses Image in den letzten Jahrzehnten vielleicht verändert? Was sagen Kunden? Wie sieht es in den Unternehmen intern aus? Und ist der Beruf des Verkäufers heute erstrebenswert?

Das Image des Verkäufers damals

Das Berufsbild des Verkäufers war – und ist – durch einige Klischees geprägt. Der Verkäufer ist freiheitsliebend, viel unterwegs und muss nur zwei Stunden am Tag arbeiten. Er muss sich um wenig interne Belange im Unternehmen kümmern, solange er gut verkauft und Aufträge an Land zieht. In fast allen Branchen und Unternehmen gab es die sogenannten „Star-Verkäufer“. Sie brachten hohe Umsätze, erhielten hohe Provisionen und fuhren teure Firmenautos. Wie diese Verkäufer ihre Umsätze erreicht haben, war in den meisten Fällen sowohl dem Innendienst als auch der Geschäftsleitung unbekannt. Die Vertriebsmitarbeiter waren die ganze Woche über im Außendienst unterwegs. Dann kamen sie zurück ins Unternehmen, legten die neuen Aufträge auf den Tisch, tranken Kaffee, plauderten mit Kollegen und gingen wieder.

Dieses Verhalten schadete dem Image der Verkäufer innerhalb des Unternehmens, denn niemand wusste, was die Verkäufer eigentlich die ganze Zeit so taten. Die Transparenz fehlte. Aber wenn die Verkaufszahlen stimmten, beschäftigten sich die Vorgesetzten nicht weiter damit. Damals war es noch zulässig, jeden potentiellen Kunden zu kontaktieren. Man konnte anrufen, sein Portfolio kurz erklären und sich einen Termin ausmachen. Da Verkaufen übers Telefon eine Ausnahme war, waren Verkäufer öfter unterwegs, der Anteil der klassischen Kaltakquise oder des Haustürgeschäfts war höher.

Diese unangekündigten Besuche haben teilweise dem Image des Verkäufers sehr geschadet. Die Kunden fühlten sich überrumpelt. Zudem gingen die Verkäufer nur wenig auf deren Bedürfnisse ein. Zum einen lag es daran, dass Verkäufer gar nicht die Möglichkeit hatten, sich detailliert über ihre Kunden und deren Situation zu informieren, zum anderen wuchs mit steigenden Verkaufszahlen auch die Gier der Verkäufer. Hauptsache der Kunde kaufte. Da dieser selbst kaum eine Möglichkeit hatte, sich über ein Produkt vorab zu informieren, konnte der Verkäufer ihm so ziemlich alles erzählen, nur um den Abschluss zu machen. Natürlich trug auch dies nicht gerade zum positiven Image unseres Berufs bei.

Ein Ruck geht durch die Vertriebswelt

Ein positiver Imagewandel fand im Jahr 2010 statt, ausgelöst – man glaubt es kaum – durch die Finanzkrise. Österreich ist ein Land, das sehr viele Industrieunternehmen mit großer Innovationskraft und hochwertigen Produkten beheimatet. Oft sind es langjährig geführte Familienbetriebe, die schon einige Generationenwechsel miterlebt haben. Dadurch floss kontinuierliches Management-Know-how in diese Unternehmen. Technisch auf hohem Niveau liefern sie gute Qualität und legen eine angemessene Liefertreue an den Tag.

Vor der Finanzkrise sahen sie weder die Notwendigkeit noch die Kapazitäten, ihren unternehmensinternen Fokus auf den Vertrieb zu legen. Als die Krise kam, erkannten die Unternehmen, dass sie immer noch die besten Werkzeuge, Maschinen oder Produkte hatten, aber plötzlich blieben die Kunden aus. Niemand im Unternehmen hatte die Kapazitäten und Kompetenzen, um am Markt gegenzusteuern. Es reichte plötzlich nicht mehr, einmal im Jahr auf einer Fachmesse vertreten zu sein. Dieser Umstand verschaffte dem Vertrieb einen Aufwind und stärkte sein Image im Unternehmen.

Das Image des Verkäufers heute

Das Ansehen der Verkäufer innerhalb der Unternehmen ist also gestiegen. Dennoch werden offene Vertriebs-Stellenausschreibungen nicht gerade mit Lawinen von Bewerbungen beantwortet. Da Kaufentscheidungen immer auch auf emotionalen Faktoren beruhen, beeinflusst das negative Image der Verkäufer nicht nur ihr Ansehen bei den Kunden, sondern auch die Berufswahl selbst.

Viele potentielle Kandidaten für den Vertrieb schrecken vor der Angst zurück, von Kunden nicht gemocht zu werden. Es gehört ein starker Charakter dazu, um sich von diesen Stereotypen nicht beeinflussen zu lassen. Zudem ist die Vertriebsleistung heute messbar, Controlling-Instrumente machen die Tätigkeit der Verkäufer transparent. Der Verkäufer ist „gläsern“ geworden, das bereitet Vielen Unbehagen. Dadurch wird er heute jedoch auch als hart arbeitender Mensch wahrgenommen. Die Komplexität des Berufs wird für die Geschäftsleitung und die anderen Abteilungen im Unternehmen sichtbar.

Besonders durch die Möglichkeiten, die das WWW seit rund zwanzig Jahren bietet, hat sich das Berufsbild des professionellen Verkäufers stark verändert. Nicht nur in seinem Ansehen, sondern auch in seiner Arbeitsweise. E-Mails sind unverzichtbar geworden. Geschäftsanbahnungen per Telefon sind im B2B-Bereich stark rückläufig. Kaum noch ist es möglich, die direkten Entscheidungsträger telefonisch zu erreichen. Man gelangt zur Telefonvermittlung, die den Anrufer bittet, eine E-Mail zu schreiben. Auch soziale Medien spielen eine immer größere Rolle. Verkäufer, die ihre Beziehungen über Facebook, Xing, Twitter und Co. pflegen, haben heute auch ein deutlich besseres Image bei ihren Kunden.

Der Verkäufer muss heute mehr als Problemlöser agieren als früher. Dazu muss er allerdings auch besser Bescheid wissen über seine Kunden. Er kann im Internetzeitalter in vielen Fällen Detailinformationen über den Kunden und sein Unternehmen recherchieren oder hat bereits durch CRM-Instrumente Zugriff darauf. So kann er sich stärker auf die Bedürfnisse einstellen und den Kunden Nutzen stiften. Die Kunden wollen heutzutage Fachleute, wo sie früher Freunde wollten. Obwohl sich Kunden heute selbst über Produkte und Leistungen informieren können, muss der Verkäufer mehr wissen als sie. Sie möchten vom Verkäufer Sicherheit in ihrer Kaufentscheidung erhalten.

Maßnahmen zur Optimierung des Verkäuferimages

Aus diesem Vergleich des Images von damals und heute ergeben sich mehrere Optimierungsmöglichkeiten. Der Vertrieb verlangt heute durch den Wissenszuwachs der Kunden und durch die Veränderungen in der Kommunikation im B2B-Bereich nach mehr Ausbildung, nach einer stärkeren Orientierung des Verkäufers hin zum Kundennutzen und nach einer Veränderung der Strategie der Unternehmen.

Ausbildung und Coaching: Das Image des Verkäufers bei Kunden und innerhalb des eigenen Unternehmens lässt sich durch eine verstärkte akademische Ausbildung verbessern. Sie muss allerdings interdisziplinär erfolgen. Der Verkäufer braucht nicht nur Verständnis für betriebswirtschaftliche Zusammenhänge, auch ein adäquates Verkaufscoaching ist gefragt.

Der Vertrieb baut immer noch vorrangig auf „learning by doing“ auf. Die Studiengänge sollten verstärkt organisierte Coaching-Lehreinheiten anbieten, um mehr Erfahrungen zu sammeln, sei es in Form von Mystery-Shopping oder mittels Tandem-Besuchen bei Kunden zusammen mit erfahrenen Verkäufern. Auch Auslandspraktika bei vertriebsorientierten Unternehmen und das damit gewonnene Know-how würden das Image des Vertriebs deutlich verbessern.

Fokus auf den Kundennutzen: Um das Image im Vertrieb zu verbessern, ist es notwendig, die Handlungsweise und das Denken der Vertriebspersonen selbst umzukehren. Bis jetzt waren die Verkäufer zu stark auf ihren persönlichen Verkaufserfolg fokussiert. Sie sollten sich aber bei jedem Verkaufsprozess überlegen: Worin besteht der Nutzen für die Kunden? Und: Was erwarten die Kunden von mir?

Verkäufer sind in vielen Fällen produktgeschult, aber nicht anwendungsgeschult. Sie können zwar eine gewisse Kundengruppe abdecken, gehen aber nicht darauf ein, dass unterschiedliche Kunden auch unterschiedliche Nutzenvorstellung von ein und demselben Produkt haben. Verkäufer, die den Fokus auf die Bedürfnisse der Kunden legen, werden in Zukunft das Image unseres Berufs dauerhaft erhöhen.

Neuerung in der Unternehmensstrategie: Die genannten Maßnahmen zur Imageverbesserung können nur umgesetzt werden, wenn auch die Unternehmen ihre Strategie anpassen. Die Verkäufer können das Image nicht allein ändern, solange zum Beispiel die Unternehmen weiterhin von ihnen Hardselling-Strategien verlangen. Viele Verkäufer haben dadurch oft gar nicht die Möglichkeit, ihr Image nachhaltig zu verbessern. Wenn Unternehmen zum Beispiel beim Erstbesuch einen Kaufabschluss fordern, kann es sein, dass Vertriebsmitarbeiter ihre Kunden übervorteilen müssen.

Damit Verkäufer mehr auf ihre Kunden eingehen können, müssen die Unternehmen erstens den Druck von ihnen nehmen und ihnen zweitens die Möglichkeit zur Kompetenzverbesserung durch Ausbildung und Coaching geben. Nur so können die Unternehmen selbst langfristig am Markt erfolgreich sein.

Conclusio

Entgegen meiner Hypothese zu Beginn der Bachelorarbeit, dass das Image von Verkäufern schlechter geworden sei, hat sich herausgestellt, dass das Image im Vertrieb im B2B-Bereich mit der Zeit tendenziell besser geworden ist. Diese Veränderung geht nur sehr langsam von statten. So wie viele andere Dinge auch, dringen nur langsam Verbesserungen aus dem angloamerikanischen Raum nach Europa. Allen voran sieht man die Veränderungen zuerst in Deutschland. Dort gelten Vertriebler mittlerweile als sehr kundenorientiert und erhöhen so das positive Image bei den Kunden.

Das Wissen der Kunden, das sie sich heutzutage einfach und schnell über das Internet aneignen können, zwingt die Verkäufer, ihr eigenes Wissen zu erhöhen. Verkäufer, die diese Entwicklung erkennen und danach handeln, erhöhen das Image des Berufs.

Um die Ziele der Imageverbesserung des B2B-Vertriebs zu erreichen, muss der Fokus intensiv auf die Ausbildung von Verkäufern gelegt werden. Die derzeit angebotenen Studienrichtungen sind verstärkt in Richtung des Sales-Managements ausgerichtet. Dieser Ansatz ist jedoch zu kritisieren und zu hinterfragen. Verkäufer sollten auch in den Bereichen Mediation und Gesprächsführung geschult werden. In Zukunft werden nur mehr Verkäufer erfolgreich sein, die auch das Handwerk „Verkaufen“ beherrschen. Man erreicht das jedoch nicht durch standardisiert durchgeführte Verkaufsschulungen oder NLP-Seminare, sondern durch einen interdisziplinären Zugang, wie beispielsweise fallbezogene Verkaufscoachings, die von erfahrenen Verkaufsprofis durchgeführt werden.

Abschließend möchte ich anmerken: Mit Ehrlichkeit und Seriosität sowie einer besseren kundenorientierten Betreuung kann jeder einzelne ­Verkäufer dazu beitragen, dass sich das Image unseres Berufes weiter laufend ­verbessert.

Autor Stefan Just, erschienen im Magazin "Verkaufen" am 29. Februar 2016, Online-Link: http://www.sciam-online.at/verkaeufer-nein-danke/