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Zukunftsvision: Zurückhaltender Fahrstil soll von Versicherern schon bald in Form von Prämiennachlässen belohnt werden.

Redaktion 09.06.2016

Mehr überwachen, weniger zahlen.

Versicherer experimentieren immer öfter mit Telematik-Tarifen für Autofahrer, mit denen diese – als Belohnung für ihr Fahrverhalten – einen Teil der Versicherungsprämie sparen können.

WIEN. Motor einschalten, die Handbremse lösen und schon beginnt die Telematik-App mit der Aufzeichnung. Werden die Geschwindigkeitsbegrenzungen eingehalten? Riskante Überholmanöver gewagt? Wird gedrängelt? Übermäßig beschleunigt und gebremst? Ein Stoppschild überfahren? Oder doch brav und besonnen der Weg zum Ziel gesucht? Immer mehr Versicherer experimentieren mit Apps, die das Fahrverhalten von Autofahrer analysieren und zur Belohnung einen Rabatt von 10, 20 bis hin zu 40 Prozent auf die Versicherungsprämie versprechen.

Kürzlich hat etwa Deutschlands größter Versicherer Allianz einen entsprechenden Telematik-Tarif – mit dem das Unternehmen in Frankreich und Italien bereits auf dem Markt und das dort auch bereits etabliert ist – in unserem Nachbarland vorgestellt und verspricht sich im ersten Jahr 20.000 bis 25.000 Kunden. Das ist nicht viel, für den Anfang aber auch nicht schlecht – erst recht, da sich das Angebot ausschließlich an junge Fahrer bis 28 Jahre richtet, also an die Zielgruppe, die besonders viel für Kfz-Versicherung zahlt. Die den Versicherern aber auch überdurchschnittlich viel Geld kostet und genau dieses Geld hofft man sich in den Konzernzentralen zukünftig zu sparen: Sieht der Fahrer auf seinem Smartphone, wie halsbrecherisch er fährt und erhält dadurch vom Versicherer keinen Preisnachlass, wird er seinen Fahrstil anpassen und umsichtiger fahren, so die Hoffnung.

„Pay as you drive“ heißt die Devise, die noch heuer in Deutschland weitere Versicherer in die Tat umsetzen wollen und auch in Österreich laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. Schon im Vorjahr meinte die Uniqa technisch bereits für diesen Schritt gerüstet zu sein. Alois Dragovits, Leiter der Versicherungstechnik für den Kfz-Bereich, sah den Markt damals allerdings noch nicht so weit. Das scheint sich mittlerweile geändert zu haben, im harten Konkurrenzkampf um Kunden hoffen die Versicherer mit dem Angebot eines möglichen Preisnachlasses punkten zu können.

Zudem geht es darum, den Anschluss an die Hersteller nicht zu verlieren. Schon jetzt zeichnen Autos allerhand Daten auf und die Flut wird ab 2018 noch größer, wenn dann alle Autobauer auf EU-Wunsch das Notrufsystem „e-Call“ in ihre Neuwagen verbauen müssen. Bei Unfällen oder Pannen ist dann nicht mehr der Versicherer erster Ansprechpartner, sondern der Hersteller – erst recht, wenn dieser mit eigenen Versicherungsangeboten versucht die Kunden noch enger an sich zu binden. Es geht beim Angebot der Versicherer also nicht nur um heutige Marktanteile, sondern vor allem um zukünftige und da ist bei den etablierten Unternehmen ordentlich Feuer am Dach. Während Technologieunternehmen wie Google zusehends auf Kosten der Hersteller einen Teil der automobilen Wertschöpfungskette für sich beanspruchen, drängen die Hersteller wiederum verstärkt in den Versicherungsbereich – frei nach dem Motto „irgendwo müssen wir unser Geld schließlich verdienen“.

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