HEALTH ECONOMY
© panthermedia.net/realinemedia

Martin Rümmele 06.04.2017

Gesundheitssystem vor Veränderungen

Im Arzneimittelbereich, im Spitalssektor, bei den Kassen und im niedergelassenen Bereich stehen Reformen an.

Das Gesundheits­wesen steht vor massiven Veränderungen. Und sie werden in den kommenden Wochen nicht ohne Probleme und heftiger Diskussionen abgehen. Zum einen ist hier der Versuch der Krankenversicherungen, im Arzneimittelbereich zu sparen. Ein neuer Erstattungskodex soll niedrigere Preise bringen, die Industrie ist aber dagegen. Man zahle schon bisher an Rabatten hohe Millionenbeträge. Weil man sich nicht einigen kann, soll nun ein Gesetz die Probleme lösen.

„Keine Notwendigkeit“
Johann Kwizda, Vorsitzender im Bundesgremium des Handels mit Arzneimitteln: „Für einen so massiven regulatorischen Eingriff fehlt schlicht jede Notwendigkeit.“ Die Krankenkassen würden seit Jahren eine positive Gebarung aufweisen und zudem beständig ihre Rücklagen vermehren. Der Großhandel wäre von geplanten Änderungen besonders betroffen. „Der steigende Einsatz von extrem preisgünstigen Generika reicht nicht mehr aus, die variablen Kosten im Arzneimittelvollgroßhandel abzudecken. Bereits jetzt liegt die Großhandelsspanne für die Hälfte aller Krankenkassen­packungen unter den Porto-Kosten eines Standardbriefs von 68 Cent. Wenn diese Entwicklung so weitergeht, können wir den Versorgungsauftrag als kritische Infrastruktur für ­Österreich nicht mehr aufrechterhalten“, sagt Andreas Windischbauer, Präsident des Verbandes der Arzneimittelvollgroßhändler Phago.
Auch für die Apothekerkammer gibt es keinen Bedarf an einer neuen Arzneimittel-Preisregelung. 2016 stiegen die Arzneimittelausgaben der Krankenkassen um 2,6%. „Es liegt gar nicht auf der Hand, dass man regulatorisch eingreifen müsste“, sagte Kammervizepräsident Christian Müller-Uri. Die Zahlen zeigen aber einen wachsenden Anteil an hochpreisigen Produkten. Während die öffentlichen Apotheken österreichweit einen Umsatzrückgang bei den Medikamenten mit einem Apothekeneinstandspreis von weniger als 200 € um 0,8% registrierten, stieg der Umsatz bei höherpreisigen Medikamenten um 8%. ­Österreichweit machten die Hochpreiser am Arzneimittelumsatz bereits einen Anteil von 39,8% aus. Während der Anteil der abgegebenen Packungen für Krebsmedikamente und immunmodulatorische Arzneimittel nur 1,4% betrug, lag der Umsatzanteil bei 26,2%.

Ärzte unter Druck
Auch die Ärzte fürchten derzeit Reformen, die per Gesetz kommen sollen. Konkret geht es um die Neuregelung des ambulanten Bereichs. Krankenhäuser sollen entlastet werden, manche Standorte stehen auch auf dem Prüfstand, und im niedergelassenen Sektor sollen neue Primärversorgungszentren längere Öffnungszeiten und breitere Angebote als Einzelpraxen bringen.

Angst vor Konzernen
Ärzten mit bestehendem Kassenvertrag wird bei der Besetzung künftiger Primärversorgungseinheiten Vorrang eingeräumt. Der Angst vor dem Einstieg von Großkonzernen wird begegnet, indem „beherrschende Eigentümerstrukturen“ ausgeschlossen werden. Die Ärztekammer kritisiert aber auch diesen Entwurf, der nun nach mehr als einjährigen Verhandlungen auf dem Tisch liegt.
Aus der SPÖ wiederum kommt ein Anstoß zur Reform der Krankenversicherungen: Sozialminister Alois Stöger mit einem Studienauftrag zu Effizienz­potenzialen der Sozialversicherung und Bundeskanzler Christian Kern mit seiner Forderung nach Auflösung der Rücklagen haben den Startschuss gegeben. Seither vergeht nahezu keine Woche, in der nicht irgend­jemand einen Vorschlag zur Reform der Kassen macht.

Nur noch fünf Kassen
Die Wirtschaftskammer strebt statt etwa der derzeit 21 Sozialversicherungsträger ein sogenanntes 5-Träger-Modell an. Dabei würden die neun Gebietskrankenkassen zu einer Krankenkasse zusammengelegt, die aber neun Landesorganisationen hat. Die SVA der gewerblichen Wirtschaft und die SVB der Bauern sollen zu einem Selbstständigen-Träger zusammengelegt werden. Die Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter soll erhalten bleiben. Ebenso unberührt bleiben dabei die Pensionsversicherungsanstalt PVA und die Unfallversicherungsanstalt AUVA. Andere wollen überhaupt eine einheitliche Kasse für den Krankenversicherungsbereich.

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL