INDUSTRIAL TECHNOLOGY
© Paul Christian Jezek

Paul Christian Jezek 23.03.2017

Papierindustrie goes Bioraffinerie

Kaskadische Holznutzung und ökologische Stromproduktion werden als Green Tech zu wenig gewürdigt.

WIEN. Mit 1.600 Gigawattstunden Ökostrom zählen die Betriebe der Papierindustrie bereits heute zu den größten Ökostromproduzenten. In diesem Sinne entwickelt sich die Branche immer weiter in Richtung Bioraffinerie.

„Unter der Herausforderung, den Rohstoff Holz möglichst umfassend zu nutzen und wiederzuverwerten, produziert die Papierindustrie längst nicht nur mehr Papier und Zellstoff, sondern noch eine Vielzahl an innovativen Faser- und chemischen Produkten. Textilgarne, aber auch ganz neue Anwendungen wie faserverstärkte Kunststoffkomponenten, Chemikalien oder Lebensmittelzusatzstoffe, können aus Nebenprodukten der Zellstofferzeugung produziert werden“, erläutert Max Oberhumer (Präsident der Austropapier und CEO von Sappi Austria) die klare Zukunftsorientierung seines Wirtschaftszweigs. Dieser sichert mit einer jährlichen Bruttolohnsumme von 450 Mio. € 8.000 Arbeitsplätze in Österreich.

Umweltschonende Konkurrenz zu Erdöl
Zellstofffabriken arbeiten bereits heute als hocheffiziente Bioraffinerien. Sie fraktionieren den wertvollen Rohstoff Holz in seine unterschiedlichen Bestandteile. Insbesondere jene Komponenten, deren Heizwert vergleichsweise gering ist, dienen dann zur Erzeugung hochwertiger Produkte; das reicht von Fasern für Textilien über Ausgangsstoffe für Papier- und Verpackungsprodukte bis zu wichtigen Basismaterialien für die chemische Industrie (z.B. Terpentinöl, Essigsäure, Xylit, Furfural, Tallöle, Tallseife und Harze).

Dazu kommt ein angenehmer Nebeneffekt aus volkswirtschaftlicher Sicht: Die Papierindustrie tritt mit dieser umweltschonenden Produktion auch in Konkurrenz zur Erdölindustrie. Oberhumer ist überzeugt: „Kunststoffe, die derzeit auf Erdöl basieren, können künftig eine Symbiose mit Stoffen aus Holz sein.“

Ein Beitrag für das öffentliche Stromnetz
Die Papierindustrie nutzt den Anteil mit dem höchsten Brennwert, dessen stoffliche Verwertung derzeit technologisch noch nicht möglich ist, aber nicht nur thermisch für den Eigenbedarf. Die Branche stellt ihn durch Auskoppelung von Strom und Fernwärme in öffentliche Netze den Kommunen im ländlichen Raum zur Verfügung. So liefern Unternehmen wie Mondi Frantschach, Norske Skog Bruck, Sappi Gratkorn, SCA Hygiene, Schweighofer Fiber und Zellstoff Pöls bereits rund 1.300 GWh Wärme und 220 GWH Strom an öffentliche KWK-Anlagen (Kraft-Wärme-Kopplung). Damit können 60.000 Haushalte komplett versorgt werden.

Durch den hohen Grad an Eigenversorgung trägt die Branche auch wesentlich zur Stabilisierung der Stromnetze bei. Sie deckt ihren Energiebedarf zu 90% selbst, und die eingesetzten Brennstoffe sind zu 60% biogen. Im Vergleich zu 1990 stoßen die Unternehmen heute pro Tonne Papier 40% weniger CO2 aus. Um die Emission von Treibhausgasen weiter zu reduzieren, sieht die Papierindustrie in der Förderung der Holzverbrennung mittels Ökostromgesetz den falschen Weg; stattdessen muss die effiziente Energieerzeugung und -verwendung weiter forciert werden.

Das Recycling der Fasern über den Altpapier-Kreislauf garantiert die effizienteste Nutzung des Rohstoffes Holz. Der Energieinhalt der Fasern bleibt im Verlauf ihres Lebenszyklus chemisch gespeichert. Sind sie stofflich nicht mehr zu verwerten, folgt die thermische Nutzung. Diese kaskadische Holznutzung ist die derzeit höchsteffizienteste Verwertung. Die Papierindustrie vollzieht sie durchwegs ohne staatliche bzw. öffentliche Förderung. (pj)

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