INDUSTRIAL TECHNOLOGY
© Erste Asset Management/Daniel Hinterramskogler

Stefanie Schock, Analystin Erste Asset Management.

Paul Christian Jezek 29.09.2016

„Patente in der Saatgut-Industrie fördern die Monopolisierung des Markts“

Stefanie Schock, Analystin bei der Erste Asset Management, im Gespräch.

WIEN. Mit dem Kauf von Monsanto durch Bayer erfolgte die bislang teuerste Übernahme durch einen deutschen Konzern. Bayer gilt nun als weltweit größter Agrochemie-Konzern und Marktführer in der Saatgut-Industrie. Mit dem US-Unternehmen erwirbt der deutsche Konzern stolze 21,8% der Anteile am globalen Saatgutmarkt. In diesem Sektor sind Akquisitionen und Fusionen für die großen Marktteilnehmer äußerst interessant, da auf diesem Weg Erfahrungen im Zuchtbereich sowie wertvolle genetische Ressourcen (Genpool) einfach und rasch erworben werden können. Eine große Rolle dabei spielen auch Patente, deren Einsatz im Saatgutmarkt und in der Lebensmittelindustrie im Allgemeinen allerdings umstritten ist. Die Gründe dafür erläutert Stefanie Schock, Analystin bei der Erste Asset Management.

medianet: Sie sprechen von einer Monopolisierung am Saatgutmarkt; können Sie diesen Gedanken genauer erläutern?
Stefanie Schock: 40 Prozent des EU-Saatgutmarkts können als stark konzentrierte Märkte bezeichnet werden. Drei Viertel des Markts für Mais-Saatgut teilen beispielsweise die fünf größten Unternehmen in diesem Sektor unter sich auf. Im Gemüse-Saatgutmarkt sind es sogar fünf Unternehmen mit einem Marktanteil von insgesamt 95 Prozent. Weiter verstärkt wird diese Entwicklung vor allem durch die Zunahme von Patenten auf Saatgut und Getreide. Die Entwicklungszeiten für Saatgut, das für Anbau im industriellen Maßstab geeignet ist, betragen zwischen sieben und 15 Jahren. Das erhöht die Eintrittsbarrieren in diesen Markt. Vor diesem Hintergrund können wir von einer zunehmenden Monopolisierung sprechen. Die Folgen sind klar: Die Preismacht liegt beim Monopolisten und die Nachfrager sind Abhängig von diesem.

Was hat es mit Patenten auf Lebensmitteln auf sich?
Schock: Seit einigen Jahren wird von Unternehmensseite immer wieder versucht, Patente auf spezielle Züchtungen von Pflanzen und Tieren zu erhalten. Diese sollen sicherstellen, dass die hohen Kosten für Forschung und Entwicklung auch bewältigt werden können. Dabei werden beim Europäischen Patentamt (EPA) nicht nur Anträge zur Patentierung gentechnisch veränderter, sondern auch auf konventionell gezüchtete Arten eingereicht. Allerdings steht der Grundgedanke von Patenten in Verbindung mit Nahrungsmitteln berechtigterweise in der Kritik. Denn Patente beziehen sich vor allem auf technische Verfahren und waren ursprünglich zum Schutz geistigen Eigentums gedacht. Jetzt wollen sich große Firmen ihren Ertrag sichern.

Welche gesetzlichen Regelungen gibt es für Patente auf Lebensmittel?
Schock: Auf EU-Ebene gab es den Versuch einer Saatgutsrecht-Vereinheitlichung; bemängelt wurde daran allerdings, dass Industriezüchtungen bevorzugt würden und dadurch die natürliche Artenvielfalt verloren gehen könnte. Im vergangenen Jahr wurde dieser Antrag dann zurückgezogen. Seitdem versuchen einige Staaten, eine Regelung auf nationaler Ebene zu erwirken. So etwa Österreich – hier wurde im Juli 2016 eine Gesetzesänderung verabschiedet, die ein Verbot von Patenten auf konventionell gezüchtete Nutzpflanzen und Nutztiere beinhaltet.

Abgesehen von den umstrittenen Patentrechten: Welche Auswirkungen haben Gentechnik und Pestizide in dem Sektor?
Schock: Die Saatgutentwicklung zeigt trotz Technologiefortschritts eine schrumpfende Effizienz. Das liegt zum einen daran, dass aus ökologischer Sicht natürliche Dienstleister wie Nützlinge verloren gehen. Zusätzlich gibt es kaum Anreize, Saatgut zu entwickeln, das weniger Pestizide benötigt. Vielmehr führt der übermäßige Einsatz von Pestiziden und genmanipulierten Saatgut zu einer erhöhten Resistenz gegen Pestizide. Auch durch diese sogenannte weed resistence haben sich die Kosten für Saatgut über die letzten Jahre um etwa 200 Prozent erhöht.

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