MARKETING & MEDIA
APA/GEORG HOCHMUTH

ORF-Chefchoreograph Marvin Dietmann vor der Bühne des Song Contests 2015 in Wien.

Dinko Fejzuli 11.05.2016

„Den Fokus auf die Künstler legen“

medianet hat den ORF-Choreografen Marvin Dietmann in Stockholm zum Interview getroffen.

Stockholm. Letztes Jahr kümmerte sich der ORF beim Eurovision Song Contest in Wien um die Performances aller 40 teilnehmenden Länder. Damit der Auftritt nach den Wünschen der Delegationen funktionieren konnte, war unter anderem Stage-Director Marvin Dietmann, seit zehn Jahren ORF-Chefchoreograf, zuständig. Er ist seit 2012 für die Konzeption des österreichischen Beitrags beim ESC verantwortlich, so auch heuer in Stockholm; medianet hat ihn dort zum Interview getroffen.

medianet: Was auffällt, es gibt heuer viele Acts, die sehr viel mit Technik arbeiten, wie zum Beispiel Russland. Sie haben hingegen auf etwas ganz anderes gesetzt. Liegt das an dem Lied?
Marvin Dietmann: Man sieht immer wieder, dass ein Sieger mit einer gewissen Performance gewinnt und dann versucht wird, das nachzumachen. Deswegen sagen auch viele, dass Russland versucht, es Mans Zelmerlöw (Gewinner ESC 2015, Anm.) nachzumachen. Das hätte aber bei Zoe überhaupt nicht gepasst. Denn man kann nicht ein Konzept nehmen und es jedem Künstler überstülpen. Dafür ist Zoe zu zierlich. Dementsprechend haben wir in den Vorgesprächen immer gefragt, was sie gern hätte, was der Song aussagt, und so sind wir ziemlich schnell auf die Aussage des Songs und von einer technischen Umsetzung weggekommen.

medianet: In Wien hat es zu Beginn noch das Laufband gegeben, jetzt nicht mehr. Warum?
Dietmann: Das war auch ein Prozess mit Zoe gemeinsam. Wir haben gefragt, ob sie sich wirklich damit wohlfühlt oder ob es nur ein Gimmick ist, das vielleicht auf der Eurovision-Ebene ein gewisses Etwas gibt, aber ihr nicht hilft. Wir glauben einfach, wenn wir uns auf sie konzentrieren, könnte sie besser wegkommen.

medianet: War es auch die Gefahr des Stürzens?
Dietmann: Natürlich. Sie war nicht unsicher, da wir sehr viel geprobt haben, sie hat sich auch wohlgefühlt, aber es war nicht so, dass es hilft, und wir es in der Performance unbedingt gebraucht haben. Jetzt gibt es dafür viele Close-ups von ihr, und das ist sehr gut so.

medianet: Ab wann erfahren Sie eigentlich als Choreograf, wie groß die Bühne sein wird, auf der Sie arbeiten können?
Dietmann: Mit der technischen Aussendung der Bühne. Die kommt meist Mitte bis Ende Februar oder März. Das heißt, man weiß bei der Konzeption eigentlich nicht, für welche Bühne man das Konzept macht.
 
medianet: Wo sind die Unterschiede für Sie im Vergleich zum letzten Jahr?
Dietmann: Die Schweden sind vom ‚Stage-of-the-art’ auf einer technischen Ebene sehr weit vorn. Man hat ein Jahrzehnt lang ein- zweidimensionale LED-Wände gehabt, jetzt beginnt man das zu brechen und versucht, eine Tiefe hineinzubekommen. Damit haben wir letztes Jahr begonnen, und heuer ist man noch weiter gegangen. Mit diesen ‚Arches’, die über der Bühne hängen, passiert genau das. Das heißt man geht in die Tiefe, bringt aber auch technische Herausforderungen. Denn wenn man ein gewisses Storytelling macht und das dann auf eine Ebene bringen muss, die in gewisse Einzelteile aufgeteilt ist, ist das nicht immer leicht.

medianet: Geht es bei der Inszenierung eigentlich nur darum, wie es am TV aussieht, oder geht es auch um die Wirkung in der Halle?
Dietmann: Das Feeling, das mitkommt, ist natürlich das Publikum. Man kann es also nicht außen vor lassen. Aber die etlichen Millionen vor dem Schirm sind natürlich das Um und Auf.

medianet: Inwiefern hat man Einfluss auf das, was rundherum passiert? Also das Design der LED-Wände usw.
Dietmann: Normalerweise macht man ein Storyboard, aus dem dann der Content produziert wird. Bei Conchita habe ich damals genau gezeichnet, wie diese Flügel aussehen sollen. Und man hat dann sehr gut nachempfinden können, wohin wir wollen. Je genauer man dieses Board macht, desto genauer ist die Vorgabe an den jeweiligen Broadcaster und umso besser passt es dann.

medianet: Wie weit haben Sie und das Team die Performance nach dem Vorentscheid bis zur endgültigen Inszenierung verändert?
Dietmann: Die Thematik und der Kern sind gleich geblieben, aber der ganze LED-Content hat sich verändert. Da musste man auch schauen, dass man den Fokus nicht verliert, denn Zoe sollte im Mittelpunkt bleiben. Egal ob Licht, Content oder welche technischen Belange, sie sind immer nur Beiwerk. Und deshalb ist es bei Russland heuer auch schwierig. Ich bin mir nicht sicher, ob wir Sergey Lazarev nicht durch die technische Überinszenierung vielleicht sogar verlieren könnten. Er ist zwar jetzt der Favorit, aber genau das könnte ihn, auf gut Wienerisch, ‚Das Gnack brechen’.

medianet: Zoe steht allein auf der Bühne, trotzdem gibt es Background-Sänger, die mit ihr singen. Wie macht man das?
Dietmann: Wir nennen es B-Stage. Das ist in Düsseldorf erfunden worden, da wir eine runde Bühne hatten und alle Background-Sänger, die wir nicht auf der Bühne haben wollten, auf den Rand stellen mussten. 2012 wurde dann diese B-Stage eingeführt, somit stehen sie außerhalb des Bildes.

medianet: Es war also gar keine Überlegung, dass weitere Sängerinnen mit ihr auf der Bühne sind?
Dietmann: Ich glaube, der Song Contest hat sich in den letzten Jahren so entwickelt, dass man sich auf die Künstler konzentriert. Man hat drei Minuten und viele Länder. Die Gefahr der Vielfalt ist also, dass man die Künstler verliert. Das heißt, man sollte sich wirklich darauf konzentrieren, die Künstler in diesen drei Minuten zu verkaufen. 

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL