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In der Medienberichterstattung über Suizidfälle hat die Wortwahl einen entscheidenden Einfluss.

Redaktion 07.03.2018

Studie bekräftigt Wichtigkeit von Wortwahl in Nachrichten über Suizid

"Freitod" weckt laut MedUni Wien beim Leser größeres Verständnis.

WIEN. In der Medienberichterstattung über Suizidfälle hat die Wortwahl einen entscheidenden Einfluss auf die Wahrnehmung der Leser. Das Wort "Freitod" weckt laut einer aktuellen Studie größeres Verständnis und "Befürwortung" eines Suizids unheilbar Kranker, berichtete die Medizinische Universität Wien am Dienstag. Dabei wird genau dieser Begriff aus Sicht von Suizidexperten kritisch gesehen.

Der Begriff "Freitod" impliziert, dass Betroffene eine freie, rationale Entscheidung treffen. Die Forschung zeigt jedoch, dass suizidale Personen typischerweise eine verengte Sicht auf sich selbst, ihr Leben und ihre Umwelt haben - etwa wie ein emotionaler Tunnelblick. Das macht es äußerst schwer, eine Entscheidung als "frei" und "rational" zu bezeichnen, hieß es in der Aussendung.

An der im Fachjournal "Social Science & Medicine" erschienenen Studie von Forschern der MedUni Wien gemeinsam mit Kollegen der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) sowie der Leuven School for Mass Communication Research in Belgien nahmen 451 Personen teil. Diese wurden in drei Gruppen aufgeteilt und gebeten, mehrere kurze Zeitungstexte über Suizide zu lesen, die sich nur in der Wortwahl für Suizid unterschieden. In den jeweiligen Texten kam immer ausschließlich einer der Begriffe "Suizid", "Selbstmord" oder "Freitod" vor.

Die Teilnehmer sollten anschließend das Gelesene mit eigenen Worten zusammenzufassen, einen Lückentext ergänzen und einige Fragen zur persönlichen Ansicht über Suizid zu beantworten. Neben der unterschiedlichen Bewertung von Suizid zeigte sich auch ein weiterer Effekt der Wortwahl in den Nachrichtentexten: "So verwendeten etwa die Teilnehmer überdurchschnittlich häufig jenes Wort, das sie zuvor in den Texten gelesen haben", erläuterten die Studienautoren.

In einer früheren Untersuchung hatte sich bereits gezeigt, dass deutschsprachige Medien am häufigsten den Begriff "Selbstmord" verwenden, "Suizid" jedoch inzwischen fast ebenso häufig verwendet wird. Aber auch der Begriff "Freitod" wird in der Berichterstattung regelmäßig verwendet. Der Begriff "Selbstmord" gilt als nicht empfehlenswert, da dieser einen vermeintlichen Bezug zu Kriminalität herstellt. Im Deutschen wird für die Berichterstattung der neutrale Begriff "Suizid" empfohlen.

"Unsere aktuelle Studie unterstreicht, welche wichtige Rolle Medien bei der Prävention von Suiziden einnehmen können. Eine verantwortungsvolle Berichterstattung sollte auf eine möglichst neutrale Wortwahl achten", sagten die Forscher um Benedikt Till und Thomas Niederkrotenthaler von der Abteilung für Sozial- und Präventivmedizin am Zentrum für Public Health der MedUni Wien. Die Wortwahl sei allerdings nur "ein einzelner Baustein einer verantwortungsvollen Suizid-Berichterstattung". (APA)

Leitfaden zur Berichterstattung über Suizid des Kriseninterventionszentrums Wien: http://go.apa.at/BBhuGbiP - Informationen zu Suizidprävention und Hilfseinrichtungen in Österreich: www.suizid-praevention.gv.at

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