PRIMENEWS
Richard Tanzer

Hans Harrer, Vorstand Senat der Wirtschaft.

Redaktion 09.11.2016

Das Rückgrat muss man stärken, nicht schwächen

Der Mittelstand wird an der überbordenden Bürokratie scheitern, wenn nichts geschieht. Nur was dann? Gastkommentar von Hans Harrer, Vorstand Senat der Wirtschaft und Initiator der Mittelstands-Allianz.

WIEN. In den Sonntagsreden der Politiker wird der Mittelstand stets als das Rückgrat der Wirtschaft und österreichischer Jobmotor belobigt. Warum, so fragt man sich, wird ihm trotzdem nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt? Die überbordende Bürokratie bevormundet die Unternehmer in einem immer größeren Ausmaß und lässt sie kaum noch zu unternehmerisch wichtiger Arbeit kommen. Für alles und jedes benötigt man einen Beauftragten, man soll sich an Regelungen halten, die oftmals keiner mehr versteht, und fühlt sich einem ständigen Misstrauen am Unternehmertum ausgesetzt. Noch ist es der Mittelstand, der fleißig seine Steuern im Land bezahlt und sichere Arbeitsplätze bietet, auch dann, wenn die Konjunktur ruppig ist. Der Regulierungswahn muss jedoch aufhören! Gesetze und Verordnungen  sollen endlich auf ihre Sinnhaftigkeit geprüft und gegebenenfalls ersatzlos aufgehoben werden.

Wenn Kontrolleure sich wie Ankläger verhalten
Dass Arbeitsschutz gut und wichtig ist, steht außer Zweifel. Wenn deren Kontrolleure sich aber wie Ankläger verhalten und nur die Bestrafung und nicht die beste Lösung gemeinsam mit den Beteiligten suchen, dann haben sie ihren Job nicht verstanden. Absurd wird es, wenn Arbeitsinspektoren und AUVA-Mitarbeiter gegenteiliger Meinung sind und diese auch exekutieren wollen. Das kostet nicht nur Nerven, sondern Zeit und Geld. Auch, dass eine flexible Arbeitszeit, in der immer digitalisierteren Welt nötig, sogar von den Arbeitskräften gewünscht wird, stößt auf begrenztes Verstehen, denn ein selbstständiges Denken scheint unerwünscht. Wann setzt die Politik dem ein Ende? Denn das ist täglich gelebter Wahnsinn.

Auch im Finanzierungsbereich benötigt der Mittelstand dringend neue Zugänge zum Kapitalmarkt, um Investitionen vornehmen zu können. Wenn Bankdirektoren offen sagen, dass eine langjährige erfolgreiche Zusammenarbeit und Vertrauen im Bankgeschäft keinen Wert mehr haben dürfen, dann ist die Politik gefordert, neue Finanzierungsinstrumente zu entwickeln, sie aber auch umzusetzen - Ankündigungen allein genügen da nicht. Das geht bis zur Öffnung der Börse für KMU.

Alle Kräfte bündeln
Muss dem Mittelstand wirklich erst die Luft ausgehen, bis diese Fehlentwicklungen korrigiert und zukunftsweisende Ideen nicht nur diskutiert und angekündigt, sondern auch umgesetzt werden? Dann wird es aber zu spät sein. Nur was dann?

Um ein positives Zukunftsszenario, das nachhaltige Tragfähigkeit aufweist, für Österreichs Mittelstand zu entwickeln und umzusetzen, sind alle Kräfte zu bündeln. Pseudo-Reförmchen, die nur die jeweils eigene Klientel bedienen, um Wählerstimmen zu generieren, sowie noch so eloquent vorgetragene Sonntagsreden sind sicher der falsche Weg. Das Rückgrat der Wirtschaft sollte es wert sein, gestärkt zu werden. Denn der Motor des Mittelstands stottert, weil ihm all das, was er zum Überleben und Leben benötigt, sukzessive entzogen wird.
 
Hans Harrer ist Vorstand im Senat der Wirtschaft Österreich sowie im Global Economic Network und Projektentwickler. Der Senat der Wirtschaft ist ein unpolitischer ökosozialer Think-Tank mit über 500 Mitgliedsunternehmen.

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