PRIMENEWS
© Inge Prader

Im Talk Christine Antlanger-Winter ist Deputy-CEO bei Mindshare.

Dinko Fejzuli und Philip Pramer 14.12.2017

Spontanität entsteht vor allem aus Vorbereitung

Für Christine Antlanger-Winter, Deputy-CEO bei Mindshare, dreht sich alles um Daten. Bereits in der Storyentwicklung baut die Mediaagentur auf ­Daten auf. „Das Dateninsight steht ganz am Anfang der Kommunikationsstrategie. In der Umsetzung verwenden wir dann die gesamte Klaviatur der Kommunikation.“

Als Beispiel nennt sie ihren Kunden Knorr, der ein veganes Produkt bewerben wollte. Man habe im Vorfeld analysiert, welche Rezepte auf Social Media bei Veganern beliebt sind, etwa auf Basis von Kommentaren unter Rezeptvideos. Aufbauend auf diesen Daten, entwickelte man dann das Werbemittel. „Es geht darum, kreativ zu denken, aber aus den Daten heraus.“ Man wolle, dass der Konsument dadurch einen Mehrwert für sein Leben habe. „Wir nennen das Meaningful Connection“, so Antlanger-Winter. Wichtig seien auch die Wechselwirkungen zwischen Medien. Man wisse beispielsweise von einer starken Korrelation zwischen Fernsehwerbung und Google-Suchanfragen.

Agil seit 20 Jahren
Mit dem anfänglichen Ausrichten der Kampagne an den Daten sei es aber noch nicht getan. Auch eine bereits laufende Kampagne müsse ständig optimiert werden – natürlich datengetrieben. „Die Conversion Rate kann besser sein, wenn ich drei Wörter austausche“, sagt Antlanger-Winter. Neben der Botschaft sollten auch Kampagnengewichtung, Datencluster oder Landingpage-Zusammensetzungen ständig angepasst werden.
Mit der digitalen Transformation glaubt Antlanger-Winter gut umgehen zu können, denn Mindshare sei „im Kern agil“. Rein vom Mindset hätte man datengetriebene Kampagnen schon in den 90ern gemacht. „Aber damals gab es eben noch keine so in dieser Masse verfügbaren und direkt anwendbaren strukturierten Daten.“

Für agiles Arbeiten stehe Mindshare schon seit 20 Jahren. „Wir haben immer daran geglaubt. Jetzt ernten wir die Früchte“, meint Antlanger-Winter. Alle für eine Kampagne wichtigen Experten habe man im Haus, seit 2014 hat Mind­share mit Content+ auch eine Content Marketing Unit, die von Social Media Content bis Videos alles intern produziere. Oft gehe es schließlich darum, mehr ­Geschwindigkeit in die Kommunikation zu bringen.

Kommunikation steuern
Mehr Geschwindigkeit – dafür ist der sogenannte Loop Room wohl ein Sinnbild. Seit 2014 setzt Mindshare diese Methode ein. Im Loop Room werden Kampagnen in Echtzeit beobachtet und optimiert. Alle Stakeholder einer Kampagne kommen zusammen. „Das bildet in dieser Arbeitsweise die Realität der Fragmentierung ab“, sagt Antlanger-Winter. „Es geht um agiles Arbeiten. Die lineare Arbeitsweise ist obsolet.“
Als Mindshare den Loop Room bei der Fußball-WM 2014 für derstandard.at einsetzte, schoss der Verteidiger Mats Hummel im Viertelfinale das erste Tor – laut Antlanger-Winter unvorbereitet, schließlich rechnete man damit, dass eher Stürmer Tore erzielen.

Trotzdem präsentierte man Minuten später den Spruch
„1 zu 0 – um Hummels Willen!“ – mit Erfolg. Die dafür oft notwendige Spontanität entstehe vor allem aus genauer Vorbereitung. „Spontan kann man schnell mal sein. Aber es zählt ja nur die Spontanität, die ‚on strategy‘ ist und in die richtige Richtung geht“, sagt Antlanger-Winter.

Seit Kurzem hat Mind­share mit FAST eine neue Unit; das ­Akronym steht für „Future Adap­tive Specialists Team“ und befasst sich verstärkt mit eCommerce und programmatischer Werbung. Für Antlanger-­Winter sind das beides keine neuen Bereiche, programmatische Werbung mache man schon seit Langem. Die Abteilung soll eher neue Arbeitsweisen finden, Strategien zusammenbringen, um für die Agentur Synergien entstehen lassen. Christoph Truppe, der auf mehr als sieben Jahre Erfahrung im digitalen Marketing zurückblicken kann, leitet die neue Unit – für ­Antlanger-Winter eine perfekte Wahl.
Neben zufriedenen und deshalb bleibenden Kunden freut sich Antlanger-Winter über Zuwächse im Consulting-Bereich: „Wir bieten Kunden unsere Expertise gesamtheitlich an, können aber auch ganz spezifisch beraten.“ Neben Social-Media-Workshops gehören dazu etwa Beratung zu den Themenfeldern Consumer Journey oder Cultural Trigger. Es zeigt auch den Wandel von einer Mediaagentur zu einer Kommuniktionssteuerungs-Agentur.

„Das Internet“ gibt es nicht
Das Thema „Internet Hangover“ bereitet Antlanger-Winter keine Kopfschmerzen; sie warnt vielmehr davor, das Internet als Ganzes zu verteufeln. „Das Problem ist, dass man das Internet als ‚das Internet‘ bezeichnet.“ Es sei eine „sehr fragmentierte Form, mit Konsumenten in Kontakt zu treten“ und keineswegs mit dem Web aus den 90ern vergleichbar.
Im Internet gebe es „ganz verschiedene Nutzungssituationen, Gesetzmäßigkeiten, Hintergründe“ – und damit auch ganz verschiedene Wirkungen bei Konsumenten.
Natürlich müssten das Thema Nachvollziehbarkeit gelöst werden. Wegen angeblicher Manipulationen klagte die britische Mindshare-Mutter WPP Facebook auf 14 Mrd. USD. „Wir brauchen starke Marktwährungen“, ist Antlanger-Winter überzeugt. Diese seien jedoch vor allem für fragmentierte Werbemärkte wichtig – der Digitalmarkt werde aber durch Google und Facebook dominiert. Auf diesen Plattformen könne man das eingesetzte Budget mit der erzielten Werbewirkung vergleichen und die Auslieferung so nachvollziehen.

„Es funktioniert ja“
Die Erholung im Printsektor sieht Antlanger-Winter nicht als Konsequenz einer Abkehr vom Digitalen. Sie behauptet: „Print war nie tot.“ Schließlich sei ein Produkt meist ausverkauft, wenn es in einem Printprodukt empfohlen wurde – „es funktioniert ja.“ Kanäle werden immer unwichtiger, es gehe nicht um das „Papier, das der Verlag produziert, sondern um die Medienmarke und die Inhalte“ – und wie diese zum Konsumenten kommen, sei „im Großen und Ganzen Nebensache“. Kommunikation sei eben fragmentiert.

„Daran müssen wir alle uns noch gewöhnen.“ Am Ende des Tages funktioniere das Verlagsmodell „genauso, wie wir es kennen“. Nämlich indem man Inhalte erstellt, welche die Menschen interessieren. Die Herausforderung ist die Transformation der Vertriebswege, nämlich wie kommt der Inhalt an die Konsumenten.  So sehr Antlanger-Winter auch auf Daten vertraut, die menschliche Komponente sei weiterhin sehr wichtig, egal ob es um Kreation oder die Kontrolle der Internetgiganten geht. „Algorithmen bilden bereits sehr vieles ab, aber sie können nicht alles herausfinden“, sagt sie. „Da müssen wir auf den Quantencomputer warten.“

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