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APA AFP John McDougall

Redaktion 12.10.2016

Deutsches Verfassungsgericht als Hürde für CETA?

Die Entscheidung wird für kommenden Donnerstag erwartet.

BERLIN. Für die einen ist CETA der Türöffner zum kanadischen Markt, für die anderen ein Einfallstor für risikobehaftete Lebensmittel und rücksichtslose Investoren. Am 27. Oktober sollen Kanada, die EU und alle Mitgliedsstaaten das umstrittene Freihandelsabkommen mit seiner Unterzeichnung besiegeln, so der Zeitplan - wenn der deutschen Regierung nicht zuvor das Bundesverfassungsgericht in den Arm fällt.

Worum es geht
Um zu verhindern, dass Deutschland CETA mit auf den Weg bringt, haben die Gegner des Abkommens insgesamt vier Verfassungsbeschwerden eingereicht; außerdem gibt es eine Organklage der Linksfraktion im Deutschen Bundestag gegen die Bundesregierung. Alle fünf Klagen (Az. 2 BvR 1368/16 u.a.) sind verbunden mit Eilanträgen. Denn in Teilen soll CETA noch vor der Zustimmung des Deutschen Bundestags und der anderen Parlamente in Kraft treten - die Zeit drängt also. Für diesen Mittwoch hat das Verfassungsgericht kurzfristig zur Verhandlung geladen. Der straffe Zeitplan sieht vor, dass die Richter am Abend beraten und am Donnerstagvormittag ihre Entscheidung verkünden.

Was die Verfassungsrichter entscheiden
Erst einmal geht es nur um die Frage, ob die deutsche Bundesregierung der Unterzeichnung und vorläufigen Anwendung von CETA am 18. Oktober im EU-Ministerrat zustimmen darf. Die Kläger wollen erreichen, dass das Gericht den deutschen Vertreter auf ein Nein verpflichtet. Es wird noch nicht im Detail geprüft, ob die Verfassungsbeschwerden Aussicht auf Erfolg haben. Der Zweite Senat unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle nimmt lediglich eine sogenannte Folgenabwägung vor.
Das Verfassungsgericht kann einschreiten, "wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend geboten ist". Dabei wägen die Richter ab: Wie viel Schaden richtet es an, wenn bei CETA Fakten geschaffen werden und später ein Verstoß gegen das Grundgesetz festgestellt wird? Und umgekehrt: Wie schwerwiegend sind die Folgen, wenn Deutschland den Prozess blockiert und sich die verfassungsrechtlichen Bedenken am Ende in Luft auflösen?

Wie das Urteil aussehen könnte
Das lässt sich nicht so einfach beantworten, denn im Eilverfahren können die Richter grundsätzlich alles anordnen. Weisen sie die Anträge ab, hat die Bundesregierung erst einmal freie Hand. Die Gegner könnten aber noch auf die spätere Verhandlung über ihre Verfassungsbeschwerden hoffen - es sei denn, das Gericht erklärt sie gleich für unzulässig oder offensichtlich unbegründet. Hält der Senat ihre Bedenken aber für so schwerwiegend, dass er eine einstweilige Anordnung erlässt, stehen ihm nahezu alle Möglichkeiten offen.
Wenn die deutsche Bundesregierung das Abkommen nicht unterzeichnen darf, kann es beim EU-Kanada-Gipfel am 27. Oktober nicht zu einem Abschluss kommen. Deswegen spielt es im Grunde keine Rolle, ob es bei den Beschlüssen zu CETA im EU-Ministerrat Einstimmigkeit oder - so sieht es der Rat selbst - nur eine qualifizierte Mehrheit braucht. Im schlimmsten Fall müsste die feierliche Unterzeichnung also abgesagt werden.

Was die CETA-Gegner auf die Barrikaden bringt
Aus ihrer Sicht beschneidet das Abkommen die politischen Mitwirkungsrechte der Bürger und stellt den freien Handel über den Umwelt- und Verbraucherschutz. Auf eine Verfassungswidrigkeit kann CETA aber nur in engen Grenzen überprüft werden. Die Richter wollen sich vor allem das vorgesehene Ausschusssystem näher anschauen. Denn der zentrale CETA-Ausschuss soll eigenmächtig Vertragsänderungen vornehmen dürfen, obwohl Deutschland darin nicht vertreten ist. (APA)

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