RETAIL
dpa_Roland_Weihrauch

Redaktion 06.06.2016

Krach bei Aldi

Bei Hofer läufts weiter rund.

DÜSSELDORF. Zusammen sind Aldi Nord und Süd in Deutschland die Nummer 1 im Diskontmarkt. Aber es gärt im Reich des Riesen: Die Unternehmen haben sich auseinanderentwickelt. Im Norden sorgt jetzt ein Familienkrach für unerwünschte Schlagzeilen. Die österreichische Diskonterschiene Hofer KG mit Sitz in Sattledt (Oberösterreich) gehört zu Aldi Süd. Sie sei "von den in den Medien kolportierten Unstimmigkeiten im Kreis der Eigentümer von Aldi Nord nicht betroffen", lässt das Unternehmen wissen.

Mächtig und verschwiegen: So präsentierte sich Deutschlands größter Diskonter Aldi jahrzehntelang der Öffentlichkeit. Doch das ist Vergangenheit. Ein Familienstreit in der Albrecht-Dynastie erlaubt in diesen Tagen ungewohnte Blicke hinter die Fassade des sonst so verschlossenen Handelsriesen und wirft ein Schlaglicht auf die unterschiedlichen Wege, die die beiden unabhängigen Teile des Diskont-Imperiums - Aldi Nord und Aldi Süd - in den vergangenen Jahren gegangen sind.

Für Schlagzeilen sorgt dabei zurzeit vor allem der Sohn des Aldi-Nord-Gründers, Theo Albrecht junior. Er wirft der Witwe seines 2010 gestorbenen Bruders Berthold in harschen Worten vor, mit ihren Bemühungen um mehr Einfluss auf die Familienstiftung dem letzten Willen ihres Mannes zuwiderzuhandeln und damit dem Unternehmen zu schaden. "Mein Bruder würde sich im Grab rumdrehen, wenn er wüsste, was hier abläuft", schimpfte der Unternehmer in einem Interview. Die Witwe Babette Albrecht und ihre Kinder weisen den Vorwurf, gegen den Unternehmenssinn zu handeln, nach Angaben ihres Anwalts allerdings entschieden zurück.

So oder so: Der öffentliche Streit im Hause Albrecht, bei dem es auch um viel Geld geht, passt überhaupt nicht zum sparsamen und öffentlichkeitsscheuen Image, das die Aldi-Dynastie über Jahrzehnte pflegte. Und er kommt für Aldi Nord zu einer denkbar unpassenden Zeit. Denn schon vor den jüngsten Turbulenzen hat die Nordhälfte des Aldi-Reiches gegenüber dem Süden an Boden verloren.

Denn was viele Aldi-Kunden gar nicht wissen: "Den Aldi" gibt es eigentlich gar nicht. Die Firmengründer Karl und Theo Albrecht teilten den gemeinsam aufgebauten Billiganbieter - der Name steht für Albrecht Diskont - schon in den 60er-Jahren in zwei voneinander unabhängige Unternehmen auf: Aldi Nord für Theo und Aldi Süd für Karl. Der Grund für die Aufspaltung ist bis heute unbekannt. Doch läuft seitdem der sogenannte Aldi-Äquator quer durch Deutschland. Die Stadt Essen etwa gehört zu Aldi Nord. Das benachbarte Mülheim an der Ruhr schon zu Aldi Süd. Und auch die Welt haben die Brüder später unter sich aufgeteilt. So gehören Frankreich, Belgien, Spanien und Polen zu Aldi Nord - Großbritannien, Australien, Österreich und die Schweiz zu Aldi Süd. Nur in den USA sind beide Unternehmen vertreten - Aldi Nord allerdings unter dem Namen Trader Joe's.

 Zwar arbeiten die Unternehmen bis heute an vielen Stellen eng zusammen, dennoch haben sie sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten deutlich auseinanderentwickelt. "Aldi Nord hält stärker als der Süden am klassischen Hard-Diskont fest. Aldi Süd ist innovativer. Sie sind einfach mutiger, wenn es darum geht, Neues auszuprobieren, und sie sind erfolgreicher", beschreibt Handelsexperte Martin Fassnacht von der deutschen Wirtschaftshochschule WHU die Unterschiede.

Beispiele für die Innovationsfreudigkeit gibt es viele: So ist es Aldi Süd, der bei der Aufnahme von Markenartikeln wie Coca-Cola, Lenor oder Pampers in die Aldi-Regale den Takt vorgibt. "Was erfolgreich ist im Süden, wird oft später von Aldi Nord übernommen", meint Fassnacht. Für Schlagzeilen sorgte Aldi Süd auch durch die Zusammenarbeit mit der Designerin Jette Joop, die einer Modekollektion des Billiganbieters einen Hauch von Glamour gab. Auch beim Ladendesign setzt Aldi Süd die Maßstäbe. "Die Märkte von Aldi Süd wirken moderner und freundlicher", sagt Fassnacht.

Die Unterschiede zwischen den Schwesterfirmen spiegeln sich inzwischen auch in den Umsatzzahlen. Nach Schätzungen des Handelsforschungsinstituts EHI lagen die Umsätze von Aldi Süd in Deutschland im vergangenen Jahr mit 14,5 Mrd. € um mehr als 3 Mrd. € höher als die von Aldi Nord.
Und während bei Aldi Nord der Haussegen schief hängt, ist bei Aldi Süd die Welt noch in Ordnung. Wie in alter Zeit dringt kaum etwas aus dem Unternehmen nach außen.

Angesichts der glücklichen Hand, mit der Aldi Süd zurzeit agiert und der Turbulenzen bei Aldi Nord plädiert deshalb der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein für eine radikale Lösung: "Es würde sicher Sinn machen, wenn Aldi Süd Aldi Nord übernehmen würde." (APA)

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