Die Elektromobilität ist noch kein Selbstläufer
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MOBILITY BUSINESS Redaktion 14.01.2022

Die Elektromobilität ist noch kein Selbstläufer

Trotz steigender Zulassungszahlen sieht Elektroauto-Experte Heimo Aichmaier beim Thema noch viel Nachholbedarf.

••• Von Jürgen Zacharias

WIEN / SCHÖRFLING A. ATTERSEE. Heimo Aichmaier ist Managing Director bei der Smart Mobility Power GmbH mit Standorten in Wien und Schörfling am Attersee. Das Unternehmen ist 2020 aus der E-Mobilitäts-Branchenallianz Austrian Mobile ­Power (AMP) hervorgegangen und bietet heute aktuelle Umfragen, Analysen und Strategien ebenso wie Qualifizierungsmaßnahmen und Eventkonzepte rund um den E-Mobilitätsbereich.

medianet: Herr Aichmaier, der Anteil reiner Elektroautos an den Neuzulassungen lag 2021 bei rd. 13 Prozent, es wurden mehr als 30.000 Stromer zum Verkehr zugelassen. Wäre ein ähnlicher Erfolg auch ohne Ankaufsförderungen denkbar gewesen?
Heimo Aichmaier: Die Förderungen und Steuerbefreiungen – neben der Ankaufsförderung gibt es auch noch Investitionsprämien für Ladeinfrastruktur sowie steuerbefreiende Maßnahmen – sind natürlich ein wichtiger Impulsgeber für die Kaufentscheidung. Diese werden auch sehr gut angenommen, wie unser aktueller E-Mobility Barometer zeigt. Trotzdem gibt es Luft nach oben. Vor allem die Kommunikation, welche Arten von Förderungen es gibt, wofür, wie viel und wo diese konkret abzuholen sind, ist verbesserungswürdig. Auch der Weg dorthin ließe sich noch deutlich abkürzen. Der dafür notwendige Zeitaufwand ist sehr hoch, immer wieder sorgen auch technische Probleme für Frustration.

medianet:
Das heißt, die auf den ersten Blick sehr positive aktuelle Entwicklung könnte sogar noch dynamischer sein?
Aichmaier: Ja, wobei man natürlich schon sagen muss: Noch ist die Elektromobilität nicht über dem Berg. Sie ist noch kein Selbstläufer und wird aktuell eben noch stark von Förderungen getrieben.

medianet:
Um im Bild zu bleiben: Wenn die Elektromobilität noch nicht über den Berg ist, wo befindet sie sich dann? Bei der ersten Jausenstation? Oder schon höher? Im Basislager?
Aichmaier: Das Bild mit der ersten Jausenstation passt wahrscheinlich ganz gut. Es hat sich bereits viel getan, wir sind also gut weggekommen, und die erste Jause ist verdient. Trotzdem liegen noch einige Anstrengungen vor uns, um weiter nach oben und über den Berg zu kommen.

medianet:
Was braucht es dafür vor allem? Günstigere Fahrzeuge? Größere Reichweiten?
Aichmaier: Viele Jahre lang waren die geringen Reichweiten der Fahrzeuge hauptentscheidend dafür, dass viele Menschen vor dem Kauf eines Elektroautos zurückgeschreckt sind. Unser E-Mobility Barometer zeigt nun aber, dass Probleme rund um die Ladeinfrastruktur, wie der dafür notwendige langwierige Genehmigungsprozess, die Reichweitenangst abgelöst haben. Bei den Fahrzeugen gibt es mittlerweile eine Modellvielfalt und ein Reichweitenangebot, das mehr als alltagstauglich ist. Die primären Fragen sind jetzt, wo ich laden kann, mit welcher Ladetechnik und wen ich fragen muss, damit ich diese errichten und betreiben darf. Das ist für Otto Normalverbraucher leider noch extrem undurchsichtig.

medianet:
Inwiefern?
Aichmaier: Unsere Studie zeigt beispielsweise, dass Elektriker in mehr als 70 Prozent der Fälle in Privathaushalten eine 11-kW-Ladeanlage und in knapp 30 Prozent sogar eine 22-kW-Ladeanlage pro Elektroauto installieren, obwohl Fahrzeuge letztere Ladetechnik kaum nutzen können. Es wird also unnötig Netzleistung angemeldet, die der Nutzer bezahlen muss, obwohl er sie technisch gar nicht benötigt. Das ist an sich schon ein Problem, mittel- bis langfristig könnten dadurch aber auch potenzielle Elektroauto-Nutzer in Siedlungen oder in einem Gebäudeblock auf der Strecke bleiben, weil sie gar keine Lade­infrastruktur mehr installieren können, da die notwendige Netzleistung dafür nicht mehr vorhanden ist.

medianet:
Es bräuchte also Investitionen in den Netzausbau und mehr Know-how bei den Professionisten im Hinblick auf die bedarfsgerechtere Installation von Ladeinfrastruktur?
Aichmaier: Es gibt auch andere Lösungen als einen Netzausbau – etwa modulare Lösungen mit Energiemanagement und auch Pufferspeicher. Aufgabe der Politik ist es aber in jedem Fall, derartige Lösungen zu fördern und mit smarter Regulierung zu begleiten. Außerdem müssen wir – wie Sie richtig sagen – Professionisten so schulen, dass sie die Fragen der Menschen richtig beantworten und ihnen die individuell passende Lösung anbieten und installieren können.

medianet:
Inwiefern drückt auch der nach wie vor hohe Preis vieler Elektrofahrzeuge auf die Entwicklung?
Aichmaier: Das Preisargument ist natürlich immer noch ein gewichtiges Thema, obwohl sich in diesem Bereich bereits viel zum Positiven entwickelt hat. Klar ist, dass mit steigenden Stückzahlen die Preise weiter sinken und die Fahrzeuge damit noch rentabler werden.

medianet: Angenommen, wir bekommen das mit dem Informationsfluss bei den Förderungen besser hin, und es sinken mit steigenden Stückzahlen sogar die Preise der Fahrzeuge: Reicht das schon, um über den Berg zu kommen oder braucht es auch noch andere Maßnahmen?
Aichmaier: Es braucht sogar noch ganz viel – allen voran ‚Smart regulations'. Also Regulierungen und Abänderungen der Gesetzgebung, die den Kaufwandel in Richtung sauberer Technologien und Fahrzeuge sowie der dafür notwendigen Infrastruktur einfacher ermöglichen und nicht behindern. Es braucht etwa eine Optimierung der Genehmigungsprozesse – vom Förderbeantragungsprozess bis zu Bau-, Anschluss- und Betriebsgenehmigungsprozessen mit all den involvierten Körperschaften und Akteuren zur Errichtung und zum Betrieb von Ladeinfrastrukturen.

medianet:
Ab welchem Punkt ist Elektromobilität dann aus Ihrer Sicht am Gipfel? Lässt sich das in Zahlen messen?
Aichmaier: Nein, das nicht – weil das auch vor dem Hintergrund der CO2-Emissionsgrenzen innerhalb der Europäischen Union zu bewerten ist. Wenn wir diese Verpflichtungen einhalten und die vorgegebenen Grenzen nicht überschreiten, dann sind wir am Gipfel. Welche Mischung aus vollelektrischen und teilelektrischen Fahrzeugen schließlich dazu beiträgt, ist eher nebensächlich.

medianet:
Welcher Anteil von Elektrofahrzeugen an allen Neuzulassungen ist aus Ihrer Sicht mit den vorhandenen Werkzeugen mittelfristig hierzulande erreichbar?
Aichmaier: Unser Ziel sollte sein, bis zum Jahr 2025 ein Viertel der Neuzulassungen elektrifiziert zu erreichen. Die Industrie hat die dafür notwendigen Hausaufgaben gemacht, die Fahrzeuge und Ladeanlagen gibt es. Jetzt geht es darum, die Gesellschaft und die Verwaltung, die Vorschriften aufstellt und mit Steuermaßnahmen begleitet, nachzuziehen. Und da kommt es durchaus auch auf Details an, wenn ich etwa an Bau-, Genehmigungs- und Betriebsvorschriften denke, die erfüllt sein müssen, um das Laden in Gebäuden zu ermöglichen. Dahingehend braucht es in vielen Bereichen positive Novellierungen.

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