Digitalisierung bringt Chinas Autoindustrie auf Überholspur
© AFP/Peter Parks
MOBILITY BUSINESS Redaktion 11.03.2016

Digitalisierung bringt Chinas Autoindustrie auf Überholspur

Rasch voranschreitende Digitalisierung von Verkehrssystemen und ­Autos lässt im Reich der Mitte mächtige Rivalen für VW & Co wachsen.

PEKING. Es war keine Vollbremsung, aber doch ein merkbarer Abschwung, mit dem sich der chinesische Automarkt im ersten Halbjahr 2015 auseinandersetzen musste. Erst Steuererleichterungen zum Jahresende sorgten doch noch für ein versöhnliches Plus, das aber trotzdem nicht darüber hinwegtäuschen konnte, dass es sich in China als westlicher Automobilhersteller nicht mehr ganz so im Paradies lebt, wie noch vor zwei oder drei Jahren.

Verantwortlich für diesen Stimmungswandel ist in erster Linie das verlangsamte Wirtschaftswachstum der Volksrepublik, aber auch das Erstarken der einheimischen Konkurrenz, die den etablierten Herstellern zunehmend Konkurrenz machen.
Die Digitalisierung des chinesischen Automarkts könnte die Lage für internationale Unternehmen laut aktuellem Merics China-­Monitor nun weiter verschärfen.

Raschere Digitalisierung in China

Demnach arbeiten in China Politik und Unternehmen fieberhaft am Aufbau eines „Internets der Autos”: Die Digitalisierung einer ganzen Branche gehe dort deutlich schneller voran als in Europa oder den USA. Chinesische Internet- und Telekommunikationskonzerne, staatliche Militärunternehmen, Hard- und Softwarehersteller und sogar Versicherungen würden schon jetzt auf den lukrativen Markt drängen.

Die rasch voranschreitende Digitalisierung von Autos und Verkehrssystemen in China könnte die aktuellen Zuwächse chinesischer Hersteller weiter verstärken, so die Merics-Analyse weiter.

Staatliche Unterstützung

Dazu komme, dass manche der auf den Automarkt drängenden Unternehmen der Smartphone-Hersteller Xiaomi.V GmbH – ähnlich wie Google und Apple in den USA – an autonom fahrenden Automodellen tüfteln und bei der Eroberung des Automarkts von der chinesischen Regierung unterstützt werden; für internationale Konkurrenten könnte dies schwierig werden, wie der Bereich E-Mobilität in China zeigt.

Mit gezielten Förderprogrammen für heimische Produkte gelang es der Regierung in Peking, chinesischen Hersteller zu einer beherrschenden Position zu verhelfen. Diese dominieren den Markt heute mit einem Anteil von rund drei Vierteln.
Auch für das Internet der Autos wurden ehrgeizige Ziele ausgegeben, wie die MERICS-Autoren ausführen: Bis 2020 soll die Hälfte aller IT-Produkte für Autos aus chinesischer Hand kommen. Bei der satellitengestützten Navigation soll die chinesische Beidou-Technologie bis 2030 den Konkurrenten GPS vollständig verdrängen.

China stärker einbinden

Ein wichtiger Markt für die europäische und US-amerikanische Automobilwirtschaft sei als Konsequenz dieser Entwicklungen im Begriff, alle bisher gewohnten Bahnen zu verlassen, so die Analyse. Auch wenn die Auswirkungen dieser Entwicklung erst in den kommenden Jahren spürbar werden, sind die Studienautoren überzeugt: „Handlungsbedarf besteht jetzt!”

Das chinesische Internet der ­Autos birgt für die internationalen Hersteller aber noch andere Tücken: Der Datenhunger des offiziellen Chinas macht vor dem Auto nicht halt, was einmal mehr Fragen zum ungewollten Technologietransfer aufwirft.
Die Merics-Autoren richten deshalb an Verbände und Politik die Empfehlung, China stärker in internationale Standardisierungsverfahren und Datenschutzabkommen einzubinden.
Letzteres sei ein wichtiger Schritt, um in der digitalisierten Autowelt sensible Firmendaten vor dem Zugriff staatlicher Stellen in China zu schützen. (red)

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