„Jede Technologie hat ihre Vor- und Nachteile”
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MOBILITY BUSINESS Redaktion 29.01.2021

„Jede Technologie hat ihre Vor- und Nachteile”

Wasserstoff-Experte Alexander Trattner über potenzielle Einsatzbereiche der Brennstoffzelle in der Mobilität.

••• Von Jürgen Zacharias

Alexander Trattner ist seit 2018 Leiter der HyCentA Research GmbH, zuvor war er dort technischer Direktor. Er beschäftigt sich im Rahmen seiner Tätigkeiten mit Forschungs- und Entwicklungsthemen der Herstellung, Verteilung, Speicherung und Anwendung von erneuerbarem (grünen) Wasserstoff. Wir haben mit ihm über wirtschafts­politische Aspekte und das Poten­zial des molekularen Gases mit der chemischen Formel H2 im Mobilitäts­bereich gesprochen.

medianet: Herr Trattner, Wasserstoff wird gerade im Mobilitätsbereich immer wieder großes Potenzial bescheinigt; so richtig durchsetzen konnte sich die Technologie bislang aber nicht, oder?
Alexander Trattner: Wasserstoff hat den großen Vorteil der hohen Energiedichte und kann sehr schnell zugeführt werden. Daher ist Wasserstoff vor allem für die Mobilitätsbereiche gut geeignet, die sehr viel Energie und große Flexibilität in der Betriebsweise brauchen. Also der Schwerverkehr und Logistikfahrzeuge ab 3,5-Tonnen aufwärts, aber auch Busse und Züge sowie der Schiffsverkehr. Sie haben recht, dass es aktuell nur wenige Fahrzeuge gibt; das wird sich aber in den kommenden Jahren definitiv ändern.

medianet:
Sie haben den Pkw-Be­reich bewusst ausgeklammert?
Trattner: Der Gewichtsvorteil, den der Energiespeicher Wasserstoff mit sich bringt, kommt aktuell vor allem im Segment der Schwerfahrzeuge und des Personen-Nah- und Fernverkehrs zum Tragen. Da haben praktisch alle Hersteller Fahrzeuge in Entwicklung und gibt es auch darüber hinaus große Bemühungen, der Technologie zum Durchbruch zu verhelfen. Parallel dazu tut sich aber natürlich auch im Pkw-Bereich einiges – die asiatischen Hersteller haben mittlerweile schon die zweite Generation an Wasserstoff-Fahrzeugen am Markt. Diese sind deutlich günstiger und effizienter als ihre Vorgänger, die Leistungsdichte der Brennstoffzellen und die Reichweite konnten erhöht werden. Folge davon ist auch eine steigende Nachfrage, weshalb Toyota und Hyundai aktuell ihre Produktionszahlen hochfahren. Toyota will 30.000 Wasserstoff-Fahrzeuge jährlich produzieren, Hyundai seine Fertigung bis 2025 auf 250.000 Autos steigern.

medianet:
Mittel- bis langfristig könnte sich die Technologie also auch in diesem Bereich durchsetzen?
Trattner: Ja. Insbesondere dann, wenn man in die unterschiedlichen Technologien Transparenz einfließen lässt. In der öffentlichen Wahrnehmung gelten Elektroautos als grün, die hohen Energieaufwände bei der Produktion, der oft nicht optimale Strommix, mit dem die Fahrzeuge geladen werden und die teils enormen Aufwände für die benötigten, seltenen Ressourcen werden dabei allerdings kaum berücksichtigt. Erst wenn man auch all diese Faktoren für die unterschiedlichen Antriebsvariationen betrachtet, lässt sich bewerten, welche Technologie aus Klima- und Umweltsicht tatsächlich am sinnvollsten ist.

medianet:
Wird es auf diese Frage eine eindeutige Antwort geben? Oder könnten, abhängig vom Einsatzbereich, aus Klimasicht unterschiedliche Technologien zu favorisieren sein?
Trattner: Es gibt keine Technologie, die alles kann – jede hat Vor- und Nachteile. Im Endeffekt geht es immer darum, die bestmögliche Technologie für den jeweiligen Einsatzzweck zu finden. In manchen Segmenten, etwa bei Kleinfahrzeugen, hat sicherlich die Batterie Vorteile, bei größeren und schwereren Fahrzeugen wiederum die Brennstoffzelle und bei Flugzeugen möglicherweise E-Fuels. Wir rechnen daher für die Zukunft mittelfristig mit einem Nebeneinander unterschiedlichster Antriebe. Langfristig werden Elektro- und Brennstoffzellenfahrzeuge aber die einzigen Antriebe sein, die erneuerbar betrieben werden können.

medianet:
Inwiefern steht dieser Entwicklung die Tankstellenproblematik im Weg? Aktuell gibt es in Österreich gerade einmal eine Handvoll Möglichkeiten, Wasserstoff zu tanken.
Trattner: Das ist natürlich ein Problem und auch ein Grund dafür, warum wir das größte Potenzial aktuell im Nutzfahrzeugbereich sehen. Für Flottenbetreiber wird es schon in naher Zukunft finanziell überlegenswert, eine eigene Wasserstoffinfrastruktur aufzubauen und damit die Fahrzeuge, die den ganzen Tag unterwegs sind und abends zurück in die Zentrale kommen, günstig und umweltfreundlich zu betanken und die Wertschöpfung in den Betrieb zu holen. Das Gleiche gilt auch für Busflotten. In Graz findet im Rahmen des auch vom Klima- und Energiefonds geförderten Projekts ‚Move2Zero' gerade ein Praxisvergleich zwischen Batterie- und Brennstoffzellenbussen statt. Ziel ist es, bis 2030 die ganze Stadt im öffentlichen Verkehr emissionsfrei zu betreiben. Ausgehend von derartigen Insellösungen, ist dann auch ein weiterer Ausbau der Technologie möglich.

medianet:
Gibt es dahingehend noch andere Projekte, die Sie nennen können?
Trattner: Gerade im Überland- und Transportbereich tut sich sehr viel; bereits in Realisierung ist etwa ein Projekt von Lebensmittelhändler MPreis in Völs bei Innsbruck. Das Unternehmen errichtet dort eine Anlage für die Produktion von ‚grünem' Wasserstoff und stellt seinen Fuhrpark sukzessive auf Wasserstoffantrieb um. Im Projekt ‚HySnow', gefördert durch den Klima- und Energiefonds, im Skigebiet Hinterstoder wiederum konnten wir mit Partnern wie BRP-Rotax und Fronius zwei Schneemobile mit Wasserstoff-Antrieb entwickeln und umsetzen und vor Ort die ­Photovoltaikkapazitäten ausbauen sowie eine Elektrolyseanlage und eine Tankstelle errichten.

medianet:
In beiden Projekten wird der benötigte Wasserstoff also direkt vor Ort erzeugt?
Trattner: Genau. Das sind in sich geschlossene Ökosysteme, die vorzeigen, was dahingehend auch in Zukunft möglich ist. Vor allem HySnow ist sehr vielversprechend, schließlich ist die gesamte Technologie ‚Made in Austria'. Zudem konnten wir vom HyCentA damit gemeinsam mit unseren Projektpartnern demonstrieren, dass der Einsatz von Wasserstoff auch unter extremen klimatischen Bedingungen in großen Höhen möglich ist und die Sonderfahrzeuge trotz hoher Vibrationen und anspruchsvollen Fahrleistungen gut funktionieren. Im Folgeprojekt HyFleet soll die Entwicklung nun weiter vorangetrieben werden. Es geht dabei auch darum, aufzuzeigen, dass derartige Flottenlösungen echte ‚Gamechanger' sein können und die Fahrzeuge auch aus wirtschaftlicher Perspektive auf breitere Segmente skalierbar sind.

medianet:
Macht die dezentrale Produktionsmöglichkeit Wasserstoff auch wirtschaftspolitisch interessant?
Trattner: Natürlich, wobei es da aus meiner Sicht zwei Aspekte gibt. Der erste: Österreich ist ein Automobilzuliefererland. Verpassen wir den Technologiewandel, läuft ein ganzer Industriezweig Gefahr, Marktanteile und Arbeitsplätze zu verlieren. Wir haben im Bereich Wasserstoff zuletzt etwas den Anschluss verpasst, allerdings hätten wir noch die Möglichkeit, uns federführend zu positionieren. Das wäre auch insofern gut, weil die Brennstoffzelle in ihrer Wertschöpfung für die österreichischen Zulieferer deutliche Vorteile gegenüber batterieelektrischen Antrieben hätte.

medianet:
Und der zweite Aspekt?
Trattner: Der liegt bei Logistikbetreibern, die aktuell meist große Mengen Kraftstoffe zukaufen müssen. Bei Wasserstoff ist das nicht mehr zwingend der Fall, da kann man die Energie und den Kraftstoff selbst vor Ort erneuerbar herstellen und direkt in die Mobilität bringen. Damit geht auch eine Dezentralisierung und Regionalisierung einher, die lokal Wertschöpfung schafft. Vom Bau und Betrieb der Anlagen bis hin zur Wartung entstehen da zahlreiche neue und hochwertige Green Jobs.

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