Kfz-Zulieferer kommen ins Schleudern
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Die Auftragsbücher bei den meisten Zulieferern sind voll – die Hersteller rufen derzeit aber nur Teile der bestellten Ware ab.
MOBILITY BUSINESS Jürgen Zacharias 03.12.2021

Kfz-Zulieferer kommen ins Schleudern

Während die Hersteller im dritten Quartal mehr Gewinn erwirtschafteten als jemals zuvor, plagen fast die Hälfte ihrer Zulieferer in Folge des anhaltenden Halbleiter-Mangels finanzielle Schwierigkeiten.

MÜNCHEN. Der Halbleitermangel macht den Autozulieferern immer mehr zu schaffen. Während viele große Autohersteller im vergangenen Quartal Rekordgewinne machten, sind der Unternehmensberatung PwC zufolge nur noch 24% ihrer Zulieferer finanziell solide aufgestellt. 42% dagegen seien „inzwischen in einer finanziell angespannten Lage“, die Chipkrise bremse zudem ihre Transformation zur Elektromobilität aus.

Die Berater hatten 494 Zulieferer aus 35 Ländern unter die Lupe genommen. Im Sommer 2021 hätten Autobauer und Zulieferer noch von Nachholeffekten und der steigenden Nachfrage nach E-Autos profitiert, sagte PwC-Branchenexperte Thomas Steinberger. Inzwischen hätten die Autobauer aus Sorge um die Lieferketten ihre Bestellungen hochgefahren. „Diese werden jedoch aktuell nicht abgerufen, da die Autohersteller aufgrund des Chipmangels nur verzögert Fahrzeuge ausliefern können“, erklärte Steinberger. Jetzt kämpften Zulieferer mit überhöhten Lagerbeständen bei steigenden Rohstoff- und Energiepreisen. Ihre wirtschaftliche Situation werde laufend schlechter. „Sollte sich die Lage nicht bald entspannen, werden sich viele Zulieferer genötigt sehen, weitere und härtere Restrukturierungsmaßnahmen einzuleiten“, sagte Steinberger.

Dagegen haben die 16 größten Autokonzerne der Welt nach einer Studie der Prüf- und Beratungsfirma Ernst & Young (EY) im vergangenen Quartal „mehr Gewinn erwirtschaftet als je zuvor“: Ihre Verkaufszahlen brachen zwar um 16% ein, aber ihr Betriebsgewinn stieg im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um elf Prozent auf 23,1 Mrd. € und damit auf ein neues Rekordhoch. Grund dafür: Die verfügbaren Mikrochips wurden vor allem in teure, profitable Modelle eingebaut. Und für Autokäufer gibt es keine Rabatte mehr, weil die Nachfrage das Angebot übersteigt. „Eine derartig gute Preisdurchsetzung hat die Branche schon sehr lange nicht erlebt“, sagte EY-Branchenexperte Constantin Gall. „Selbst wenn sich die Halbleiterkrise im Lauf des kommenden Jahres entschärft, dürften die Preise noch eine Weile oben bleiben.“

Trotzdem herrsche bei den Autobauern keine Feierstimmung, „im Gegenteil“, sagte EY-Partner Peter Fuß. Auch Unternehmen, die bisher noch ausreichend Halbleiter hatten, dürften Materialknappheit und Preissteigerungen zunehmend zu spüren bekommen. Die Coronakrise könnte zu weiteren Produktionsausfällen und Logistikstörungen führen. „Zudem stellt die aktuelle Situation die Zulieferer vor enorme, teils existenzielle Schwierigkeiten – und letztlich sitzen Hersteller und Zulieferer im selben Boot, die Hersteller sind auf solvente Zulieferunternehmen angewiesen“, sagte Fuß.

Die Autokonzerne könnten jetzt nur noch bedingt auf die Materialknappheit reagieren. Langfristige Verträge und unterschiedliche Bevorratungsstrategien ließen wenig Spielraum, sagte Gall. „Derzeit fahren alle auf Sicht.“ Künftig aber müssten verlässliche Partnerschaften mit Lieferanten wichtiger sein, als „das letzte Quäntchen an Kostenoptimierung herauszuholen“. (jz)

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