Zuerst denken …
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Die Automobilindustrie sichert hierzulande Zehntausende Arbeitsplätze und sorgt für eine Wertschöpfung in Milliardenhöhe.
MOBILITY BUSINESS Johann Jobst 23.09.2016

Zuerst denken …

VÖK-Obmann Johann Jobst fordert: In der Diskussion ums Auto muss in Zukunft viel mehr differenziert werden!

Gastkommentar ••• Von Johann Jobst

WIEN. Das Thema Auto regt an. Und es regt auf. Für die einen ist es eine unverzichtbare Identifikationsplattform, Lifestyle-Statement und Liebhaberobjekt. Für die anderen ist es ein umweltverschmutzendes, Platz verschwendendes und gefährliches Teufelswerk, das abgeschafft gehört.

Zwischen diesen extremen Standpunkten reiht sich die vielfältig gelagerte Masse derer ein, für die der motorisierte Wagen in der einen oder anderen Form einfach zum täglichen Leben gehört. Für die es außer Frage steht, dass das eigene Auto Produkt und fixer Bestandteil einer rund 130 Jahre alten Mobilitätskultur ist und außer Transport-Vehikel auf unterschiedlichsten Ebenen ebenso Wirtschaftsmotor wie Garant für individuelle Fortbewegungsfreiheit ist.
Emotional besetzt ist das Auto also in jedem Fall, was auch wissenschaftlich belegbar ist – etwa in Form einer Studie der EBS (European Businesss School) in Wiesbaden: Franz-Rudolph Esch, Fachgebiet Markenmanagement und Automotive Marketing, kommt darin zum Schluss: „Wir können keine Entscheidung ohne Emotion treffen.” Also auch nicht die für ein bestimmtes Auto-Modell.

Das Gefühl bestimmt

In Bezug auf den Fahrzeugkauf sollte theoretisch aus den nüchtern besetzten Eckpfeilern Budget, Transportbedürfnis und Sachargumente die Entscheidung für eine Marke und eine Modell-Variante resultieren, so Esch. Praktisch jedoch bestimme das Gefühl. Selbst dann, wenn man sich für ein rationales – ein preisgünstiges, verbrauchsgenügsames und markenseitig weniger imageträchtiges – Fahrzeug entscheidet. Denn damit könne man signalisieren, dass die Vernunft gesiegt hat und eine Abkehr von Statusdenken und Markenbewusstsein beweisen. Das kann ein gutes Gefühl hervorrufen. Also eine Emotion. In diesem Fall eine positive, die, wenn es um die Erfüllung des individuellen Mobilitätsbedürfnisses – aus welchem Grund auch immer, ob für den Alltag oder für die Freizeit – geht, angesichts von negativen Argumenten gewöhnlich überwiegt.

Enorme Steuerleistung

Dennoch scheint das Auto zunehmend in Misskredit zu geraten. Vor allem als Politikum, mit den Argumenten signifikanter Umweltbeeinflussung, hohen Raumbedarfs und den damit verbundenen Kosten (Straßen, Parkplätze, Infrastruktur usw.), Sicherheitsbeeinträchtigungen, etc. Aber auch durch ein vermeintlich sinkendes Interesse am Auto, vor allem seitens der Jugendlichen, was jedoch in erster Linie auf urbane Ballungsräume mit guter Infrastruktur mit öffentlichen Verkehrsmitteln zutrifft und in der Realität weit weniger signifikant ist, als medial oft behauptet wird.

Dem gegenüber steht nicht nur in Österreich die Tatsache, dass die Zulassungszahlen zumindest gleich bleibend, eher steigend sind. Und dass das Auto ein bedeutender Wirtschaftsfaktor ist, der auf Forschung und Entwicklung ebenso abstrahlt wie auf Produktion, Zulieferung, Handel, Werkstätten, Versicherungen, Banken, Leasing sowie Mietunternehmen und dazu eine beträchtliche Steuerleistung für die Staatskasse erbringt.

Bedeutung für uns alle

Bevor man das Auto verteufelt, sollte man sich also zuerst seine enorme Bedeutung bewusst machen: für unsere individuelle Mobilität. Aber auch für unseren Wirtschaftsstandort: Die Automobilindustrie sichert Zehntausende Arbeitskräfte und sorgt für zig Milliarden Euro Wertschöpfung. Ja, Emissionen gehören überdacht und begrenzt. Aber ein kategorisches Nein zum Auto kann keine Lösung der Diskussion sein und würde uns nicht nur enorm einschränken, sondern auch viel, viel Geld kosten.

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