„Dieser Rückschluss ist jedenfalls Unsinn”
© Panthermedia.net / Patrick Daxenbichler
MARKETING & MEDIA Redaktion 25.02.2022

„Dieser Rückschluss ist jedenfalls Unsinn”

Klicks sind nicht alles: Neos-Kritik an Ministeriumskampagne stößt in der Medien- und Werbebranche auf Unverständnis.

••• Von Dinko Fejzuli

WIEN. Eine im Herbst 2021 vom Finanzministerium lancierte Werbekampagne (online und Print) sorgte vor wenigen Tagen für politische Nachwehen.

Die Neos stellten eine diesbezügliche parlamentarische Anfrage und orteten dann, nach Auswertung der Daten, einen Misserfolg der rund 860.000 Euro teuren Kampagne, die „nur” 36.000 Klicks gebracht und abgesehen davon aufgrund diverser formaler Mängel auch nicht dem Gesetz entsprochen habe, lautete die Kritik von Neos-Mediensprecherin ­Henrike Brandstötter (nachzulesen in der media­net-Ausgabe am 18.2.).
Diese Vorwürfe der Neos führten nun zu Gegenkritik aus der Branche, wie ein Rundruf von medianet ergab.

Klicks allein sind zu wenig

Der einhellige Tenor: Die Kritik sei zu eindimensional, vor allem, weil sie lediglich auf die Klicks reduziert sei – und es bleibe unberücksichtigt, dass es sehr unterschiedliche Kampagnenziele, aber auch Parameter gebe, um den Erfolg einer Kampagne zu messen. Klicks allein seien sicherlich zu wenig.

So spricht etwa VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger gegenüber medianet von einer unrichtigen Interpretation der Klicks etwa vor allem im Hinblick auf die Printsujets: „Ein Rückschluss, der in weiterer Folge als Beweis für das ‚Nichtfunktionieren' der Kampagne angeführt ist, ist jedenfalls Unsinn. Gemeint ist die Wechselwirkung zwischen einer Printanzeige und Besuchen auf einer Website bzw. das dafür eingesetzte Kapital. Abseits des Umstands, dass die Botschaft der Anzeige nicht darauf ausgerichtet war, eine weitere Aktion zu setzen, hat Printwerbung in erster Linie informativen und imagebildenden Charakter. Absatzorientierte Printwerbung folgt anderen Grundsätzen und auch einer anderen Optik, wie zum Beispiel viele Handelsunternehmen beweisen”.
Eine Kampagne habe „mehrere Facetten”, so Grünberger weiter und „die Messung von Werbewirkung von Print funktioniert jedenfalls anders und kann nicht in Klicks auf einer Homepage gemessen oder mit dem eingesetzten Geld in einer anderen Mediengattung gegengerechnet werden.”
In die gleiche Kerbe schlägt auch Alexander Leitner, Managing Director/CCO Goldbach Austria, der ebenfalls meint, dass Werbewirkung in digitalen Medien „natürlich nicht per se an Klicks gemessen wird und schon gar nicht ausschließlich. Je nach Ziel der Kampagne können diese eine mehr oder weniger relevante Kennzahl – von vielen – sein.”

Es zählt die Wahrnehmung

Gerade bei Informationskampagnen, wie jener des BMF ginge es vordergründig um die Wahrnehmung und die Sichtbarkeit des Werbemittels. Leitner weiter: „Grundsätzlich setzt sich der Werbeerfolg aber immer aus mehreren individuell für jedes Kommunikationsziel zu definierenden Komponenten zusammen.”

Ähnlich sieht es auch Christoph Auböck, Media1, der neben den „kommunikativen” KPIs wie Reichweite, GRP oder Klicks auch die „kognitiven” KPIs wie etwa die Erinnerung in den Vordergrund stellt. Er konstatiert im Hinblick darauf, dass die Kampagne ja in Print und online geschaltet wurde: „Den Erfolg einer nicht rein digitalen Kampagne anhand von Klicks zu messen, ist daher nicht zielführend und zu kurz gegriffen.”
Ähnlich argumentiert Susanne Koll, Omnicom Media Group Mediaagentur. Aus ihrer Sicht ist die Kritik „sehr eindimensional”.
Koll weiter: „Ich gehe davon aus, dass die Zielsetzung der Kampagne nicht die Generierung von Klicks war, denn sonst hätte ein größerer Anteil des Budgets online investiert werden müssen. Daher wird der Fokus der Kampagne wohl auf Awareness gelegt worden sein. Um zukünftig solche Diskussionen zu vermeiden und die geforderte Transparenz zu gewährleisten, sollten vorab die Kampagnenziele (KPIs) definiert und gegebenenfalls kommuniziert werden. Erst dann kann man den Erfolg einer Kampagne erst richtig bewerten”, so Koll.Ihr Omnicom Media Group-Kollege Chief Digital Officer Sebastian Dicke pflichtet ihr bei: „Ein Marketing-Funnel und Media-Funnel besteht aus mehreren Phasen, welche unterschiedlichste KPIs innehaben. Klicks kann ein Ziel einer der Phasen des Media-Funnels sein, aber ersetzt nicht das übergeordnete Marketing sowie Media-Ziel, wie Absatz, Marktanteil, Return on Investment.”

Glaubwürdige Print-Medien

Auch Anke Ellmerer, Managing Director Havas Media Austria, zieht in Zweifel, dass die von den Neos kritisierten Klicks das einzige Kommunikationsziel gewesen sein werden und meint im Hinblick insbesondere auf Print: „Österreichische Printmedien liefern mit ihrer Glaubwürdigkeit, der hohen Leser-Blatt-Bindung, der konzentrierten Lesesituation und dem recherchierten Umfeld eine reichweitenstarke Basis für eine breitenwirksame Kommunikation, und auch die heimischen Onlinemedien genießen ein hohes Maß an Vertrauen und haben eine breite, loyale Nutzerschaft. Dieses Umfeld leistet weit mehr, als einfach nur Klicks zu generieren.”

Verunglimpfung von Medien

Ellmerer warnt auch vor werblichen Aktivitäten, „deren alleiniges Ziel die Generierung möglichst vieler Klicks ist”. Diese hätten ganz andere Prioritäten und: „Wir wollen uns diese Kampagne gar nicht ausmalen, wäre sie rein auf Effizienz im Sinne von Cost per Click-Optimierung ausgerichtet gewesen. Heimische Medien haben dabei schon mal das Nachsehen – und das ist auch gut so, weil sie eben eine ganz andere Funktion innehaben.”

Neben etwa dem VÖZ zeigte sich aber auch der Online-Vermarkterkreis Austria ob der aus seiner Sicht verkürzten Sicht durch die Neos unglücklich, und deren Obmann Eugen Schmidt (AboutMedia) sprach sogar von einer „Verunglimpfung” heimischer Digitalmedien.
VÖZ-Geschäftsführer Grünberger sieht das, umgemünzt auf Kampagnen, ähnlich und appelliert dahingehend, dass „Werbung, egal ob von der öffentlichen Hand oder der Privatwirtschaft, durch parteipolitische Debatten nicht in Misskredit gebracht wird”.
Eugen Schmidt weiter: „Die enorme Leistung österreichischer Digitalmedien aus politischer Angriffslust heraus zu mindern, schadet dem Medien- und Digitalstandort. Die Anzahl und Kosten von Klicks ins Treffen zu führen, ist fehlgeleitete Kritik. Mangelndes Fachwissen in der medienpolitischen Diskussion gefährdet den heimischen Journalismus und begünstigt US-Digitalgiganten. Es braucht dringend mehr digitale Medienkompetenz, um eine ernsthafte Diskussion in der österreichischen Bundesregierung zu führen.”

Meaningful Media

Dazu auch Ellmerer: „Die heimischen Medien spielen eine bedeutsame Rolle im Leben der Konsumentinnen und Konsumenten; sie sind, was wir bei Havas als Meaningful Media bezeichnen: Medien, die wir vermissen würden, gäbe es sie nicht mehr. Sie begleiten uns durch den Tag, ihnen vertrauen wir, und als solche sind sie aus den Kommunikationsplänen nicht wegzudenken. Sowohl Werbetreibende als auch deren Agenturen wissen um die Stärke der heimischen Medien und werden diese als wertvolle und kompetente Partner in der Kommunikation auch weiterhin schätzen.”

Abschließend meint Eugen Schmidt: „Wer noch immer Klicks zählt, hat Digitalmarketing einfach nicht verstanden. Der Erfolg von Kampagnen misst sich in qualitativen Kennzahlen, die individuell zu definieren sind. Im speziellen Fall wären beispielsweise Aufmerksamkeit, Branding-Effekt und tatsächliche Handlungen der Zielgruppe aussagekräftig. Es sollte langsam auch in der österreichischen Politik ankommen, dass billige Klicks nur bei US-Digitalgiganten, aber nicht bei qualitätsvollen heimischen Medien zu kaufen sind”, führt er weiter aus.

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