Digitalisierung: die To-dos im Mittelstand
Die digitale Transformation steckt im Mittelstand noch vielfach in den Kinderschuhen. Sie ist einer der wesentlichen Knackpunkte, wenn es darum geht, in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich zu sein. Und: Sie ist nicht zu trennen von traditionellen Unternehmensbereichen wie Marketing, Vertrieb oder Human Resources.
Es besteht dringender Handlungsbedarf. Die digitale Welle rollt unaufhaltsam auf Unternehmen zu und schwappt schon oft über sie hinweg. Mit der Folge, dass Umsätze und Investitionen ausbleiben, Stellen gestrichen und ganze Branchen in ihren Grundfesten erschüttert werden.
Die von der Markenberatungsagentur Silberball in Auftrag gegebene Studie* „Digital, regional, egal? Ein Weckruf für den Mittelstand“ geht der Frage nach, wo die größten Hürden für eine umfassende Digitalisierung liegen. Oder positiv formuliert:
WELCHE THEMEN MÜSSEN AKTIV UND STRUKTURIERT ANGEGANGEN WERDEN, UM WIRTSCHAFTLICHEN VORSPRUNG ZU GENERIEREN?
Hauptaufgabe digitale Transformation
96 Prozent der befragen Unternehmen stimmen sehr bzw. etwas mit der Aussage überein, dass die digitale Transformation in den Unternehmen der mittelständischen Wirtschaft zu bewerkstelligen ein ganz großes und auch nicht immer leichtes Unterfangen ist, bei dem man auch Rückschläge in Kauf nehmen muss. Wenig überraschend ist es daher, dass die Digitalisierung für die Unternehmen die Herausforderung Nr.1 darstellt (44 %), unmittelbar gefolgt vom Thema Mitarbeiter- und speziell Fachkräfte-Recruiting (43%). Klimaschutz und Markterschließung treibt nur mehr 25 bzw. 16 Prozent der Unternehmen um.
Die größte Herausforderung im Mittelstand: die Digitalisierung.
Vier von zehn Unternehmen fühlen sich zurzeit sehr gefordert, sich mit zumindest zwei der vier großen Themencluster (Digitalisierung, Human Resources, Klimaschutz und Neue Märkte) auseinanderzusetzen. Heißt aber auch: sechs von zehn Unternehmen fühlen sich wenig bis nicht gefordert. Weil sie die Herausforderungen nicht erkennen? Oder diese unterschätzen? Oder weil die Hausaufgaben schon gemacht sind? Letzteres darf bezweifelt werden. Wenn jemand die Hausaufgaben schon gemacht haben könnte, dann die größeren Unternehmen. Aber gerade diese berichten von vielfältigen Anstrengungen. So liegt der Schluss nahe, dass bei den kleineren Unternehmen die Herausforderungen mehrheitlich nicht erkannt bzw. unterschätzt werden.
Digitalisierung differenziert betrachten
Ein Grund für die beobachtbare Apathie beim Thema Digitalisierung mag die Komplexität sein. Wo soll man anfangen? Und vor allem wie? Die rund 160 Studienteilnehmer aus Industrie und Gewerbe unterstreichen das: Die wichtigsten acht Themenfelder im Kontext der Digitalisierung, die in Experteninterviews festgemacht werden konnten, liegen in ihrer Bedeutung beinahe gleich auf. Neue Geschäfts- und Arbeitszeitmodelle, die eine fortschreitende Digitalisierung mit sich bringt, belegen die hinteren Plätze.
Die wichtigsten Themenfelder im Kontext der Digitalisierung für Industrie und produzierendes Gewerbe.
Die qualitative Vorstudie (persönliche Einzelinterviews mit CEOs und CMOs) brachte als die zentralen Digital-Themen die Customer Journey, Arbeitsprozesse und den notwendigen Kulturwandel zutage. Was durch die quantitative Hauptstudie insofern Bestätigung findet, als Customer Journey und Kulturwandel bei den größeren Unternehmen einen besonderen Stellenwert haben und die Arbeitsprozesse zu den Top 3 gereihten Punkten gehören.
Luft nach oben: die Digitalisierung der Customer Journey
Die Customer Journey beschreibt den Weg des Kunden von der ersten Begegnung mit einem Unternehmen über den Kauf eines Produkts und darüber hinaus. Die Digitalisierung der Kundenkontaktpunkte hat bei 55 Prozent der Unternehmen aufholbedarf. Sie sind untätig, obwohl sie großteils sehr genau wissen, dass sie Gefahr laufen Umsätze zu verlieren bzw. dass Aktivitäten im Vertrieb verpuffen.
Hoher Nachholbedarf besteht bei der Digitalisierung von Kundenkontaktpunkten.
Marketing Automation bzw. Data Driven Marketing sind hier wichtige Schlagworte. Voraussetzung dafür sind kommunizierende Systeme – also das Gegenteil von Datensilos. Kundendaten müssen digital an einem zentralen Ort gespeichert, überprüft und analysiert werden, automatisiert an den Vertrieb zugespielt und Interaktionen zwischen Kunde und Unternehmen detailliert nachverfolgt werden können. Nur ein Fünftel der befragten Betriebe im DACH-Raum kann derzeit von sich behaupten zu wissen, an welchen Kontaktpunkten des Vermarktungsprozesses welches Instrument, Argument und welche Verkaufsaktivität zum Erfolg führt.
Auf gutem Weg: harmonisierte Arbeitsabläufe
Beim Thema Veränderung der Wertschöpfungs- und Arbeitsprozesse scheinen die Unternehmen deutlich weiter zu sein. So hat sich bei zwei Drittel der Firmen zumindest die Erkenntnis durchgesetzt, dass die Fachabteilungen in ihren Arbeitsabläufen verschmelzen müssen. Ebenso fast zwei Drittel sind auf einem guten Weg, Technologien und Softwarelösungen abteilungsübergreifend zu harmonisieren. Darüber hinaus zeigt sich, dass nur wenige Firmen das Thema Industrie 4.0 als eigenes Feld betrachten und die IT nur in einem von drei Unternehmen in der Digitalisierung den Lead hat. Das stimmt hoffnungsvoll.
Neue Anforderungen an Wertschöpfungs- und Arbeitsprozesse.
Bei aller Einmütigkeit in Bezug auf das abteilungsübergreifende Wirken ergibt sich bei einigen weiteren Thesen zu Wertschöpfungs- und Arbeitsprozessen jedoch ein nicht ganz so perfektes Bild. Zwar ist man sich in hohem Maße einig, dass nur die laufende Digitalisierung der Prozesse ein überdurchschnittliches Wachstum möglich macht, jedoch erschließt sich den Firmen weniger oft der Vorteil der durchgehenden Digitalisierung der Prozesse für die bessere Verwaltung der Personalressourcen (33 %) sowie für die Einhaltung des 0-Fehler-Prinzips (30%).
Kulturwandel: Veränderung zulassen und authentisch bleiben
Die Hälfte der Unternehmen nimmt den notwendigen Kulturwandel, um die Digitalisierung überhaupt bewerkstelligen zu können, sehr ernst. Er ist wichtig, um bestehende Mitarbeiter für das Thema begeistern zu können und um an junge Fachkräfte zu gelangen. Klar ist: Wenn die Mitarbeiter nicht bereit sind den Weg der Digitalisierung mitzugehen und sich auf Veränderungen einzustellen, hilft die beste Digitalisierungsstrategie nichts. Die Mitarbeiter müssen ins digitale Boot geholt werden und das Ganze muss auch noch Spaß machen – die Generation Z als Know-how-Träger und Kunden von morgen ist wählerisch!
Es kommt darauf an, die eigene Haltung an allen Touchpoints unternehmensintern wie auch nach außen authentisch rüberzubringen – vor allem in den sozialen Medien. Zuvor sollte jedoch immer die eigene Markenstory auf ihr Zukunftspotenzial überprüft und gegebenenfalls nachgeschärft werden.
*Die Studie wurde vom Linzer Marktforschungsinstitut Spectra im Auftrag der österreichischen Markenberatungsagentur Silberball durchgeführt. Befragt wurden rund 160 Entscheider mittelständischer Unternehmen (50 bis 1.000 Mitarbeiter) aus Industrie und dem produzierenden Gewerbe in Österreich, Süd-Deutschland und der Schweiz – auf Basis einer qualitativen Vorstudie mit Experteninterviews.