••• Von Britta Biron
Die Lehrlingsausbildung in Österreich genießt weltweit einen sehr guten Ruf, und mittlerweile scheint sie für die Jugendlichen wieder an Attraktivität zu gewinnen. 2017 haben 29.690 Personen eine Lehre in einem Betrieben begonnen und 4.031 in einer überbetrieblichen Einrichtung (ÜBA). In Summe ist das ein Plus von 3,1% gegenüber 2016. Die Wirtschaftskammer spricht bereits von einer Trendwende.
Der kürzlich veröffentlichte Lehrlingsmonitor von Arbeiterkammer (AK) und dem Österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB), für den österreichweit 6.024 Lehrlinge befragt wurden, zeigt aber ein differenziertes Bild.
Fast jeder zweite Lehrling hat während der Lehrzeit mindestens einmal über einen Ausbildungsabbruch nachgedacht, ein Fünftel hat das sogar ernsthaft und mehrfach in Betracht gezogen. Vier von zehn Lehrlingen wollen nach Ende der Ausbildung auf keinen Fall in ihrem Lehrbetrieb bleiben und sogar 31% nicht einmal im erlernten Beruf.
Allerdings hängt die Zufriedenheit oder Unzufriedenheit mit stark vom Lehrberuf ab. Die schlechtesten Bewertungen gab es unter anderem bei Friseuren & Perückenmachern, Restaurantfachkräften, Elektrotechnikern, Pharmazeutisch-kaufmännischen Assistenten sowie von Lehrlingen in der Hotellerie und dem Gastgewerbe. Interessant ist, dass die alle zu den aktuellen Top 10 Lehrberufen gehören.
Bekannte Kritikpunkte
Einer der am häufigsten genannten Kritikpunkte betrifft Lerninhalte und Tätigkeitsfelder. Nicht einmal die Hälfte der Lehrlinge wird im Betrieb ausschließlich für ausbildungsbezogene Tätigkeiten eingesetzt, fast jeder Dritte (29%) muss sogar häufig berufsfremde Tätigkeiten verrichten. 36% der unter 18-Jährigen geben an, Überstunden zu leisten – mehr als ein Drittel davon unfreiwillig. 60% bemängeln fehlendes Feedback zum Ausbildungsverlauf, und etwa jeder vierte Lehrling gibt an, bei neuen Arbeitsaufgaben zu wenig Zeit zum Ausprobieren zu haben.
Insgesamt scheint der Nachwuchs mit der Berufswahl aber zufrieden zu sein: Immerhin 70% der Lehrlinge sind der Überzeugung, gut auf die zukünftige Arbeit als Fachkraft vorbereitet zu werden, und immerhin 90% empfehlen diese Art der Berufsausbildung weiter.
Image verbessert sich
Dass sich das Image der Lehre verbessert hat, zeigt eine aktuelle Studie von willhaben.at, für die 2.000 Personen, die eine Lehre planen, absolvieren oder nach einer Lehre bereits aktiv im Berufsleben stehen sowie HR-Verantwortliche von Lehrbetrieben befragt wurden. 42,2% davon sind der Ansicht, dass die Berufsaussichten mit Lehre in den vergangenen Jahren besser geworden sind. Besonders stark ausgeprägt ist die Meinung bei den Salzburgern (57,8%) und Oberösterreichern (51,3%), bei den Wienern dagegen sind es nur 31,6%.
Befragt nach den Gründen, die in erster Linie für eine Lehre sprechen, gaben 43,8% der Lehrlinge das Interesse am jeweiligen Handwerk an, 38,7% das eigene Einkommen. Das Fehlen anderer Ausbildungsmöglichkeiten spielt mit 6,6% eine verschwindend kleine Rolle, ebenso wie Vorbilder im Freundeskreis oder die Möglichkeiten, den Familienbetrieb zu übernehmen (jeweils 5,6%).
Internationale Erfahrungen
In einer zunehmend globalen Wirtschaft wächst auch in Lehrberufen die Bedeutung internationalen Erfahrungen, und bereits seit 1995 organisiert der Internationale Fachkräfteaustausch (IFA) Auslandspraktika für Lehrlinge, Schüler, Facharbeiter und Ausbildner.
Die Wirtschaftkammer NÖ geht noch einen Schritt weiter und hat im Vorjahr das „Let’s Walz-Programm” gestartet; heuer ist auch die Arbeiterkammer NÖ mit an Bord.
Die Kosten für die vierwöchigen, von der IFA organisierten Auslandspraktika werden von WKNÖ und AK Niederösterreich mit Unterstützung verschiedener Sponsoren sowie aus Mitteln des Programms Erasmus+ getragen. Für die Lehrlinge (Mindestalter 16 Jahre) ist die Teilnahme kostenlos.
Für September sind Praktika in Portsmouth (England), Freiburg (Deutschland), Pistoia (Italien) und Belfast (Nordirland) geplant, eine zweite Tranche folgt im Oktober in Glasgow (Schottland), Warschau (Polen), Mailand (Italien) und Cork (Irland). Die Bewerbungsfrist endet am 4. Mai, die Vergabe der Stipendien erfolgt Anfang Juli.