FINANCENET
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reinhard krémer 02.12.2016

Das Damoklesschwert hängt über den Banken

Erste Verhandlungen zu Basel IV, eben dort ausgebrütet, sind zwar gescheitert. Gutes wird trotzdem nicht erwartet.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Die aktuellen Verhandlungen sind gescheitert, doch das war sicher nicht der letzte Akt. Nach dem aktuellem Diskussionsstand von Basel IV drohen europäischen Banken Kapitallücken von über 300 Mrd. €.

In ihrer bisherigen diskutierten Version führen die Basel IV-Vorschläge zu einem erheblichen Anstieg der Risikoaktiva für europäische Banken. Laut einer Analyse von Strategy&, der Strategieberatung von PwC, beliefe sich der Zuwachs der RWA für 103 untersuchte europäische Banken unter Anwendung der aktuellen Reformpläne auf 40 bis 65% für die bedeutsamsten regulatorischen Risikotypen wie Kreditrisiko, Marktrisiko, operationelles Risiko, Kontrahenten-Kredit­risiko und Credit-Value-Adjustment-Risiko.
Die Folge wären heftige Kapitallücken – und das, obwohl europäische Banken derzeit deutlich mehr Kapital vorhalten als regulatorisch gesehen notwendig wäre.
Ihre Ertragskraft würde entsprechend der Analyse von Strategy& nicht ausreichen, um bis zur zuletzt vorgesehenen Anwendung von Basel IV ab voraussichtlich 2019 zusätzliches Kapital im erforderlichen Ausmaß aufzubauen.

Gefahr für die Wirtschaft

Als Reaktion müssten europäische Geldhäuser verstärkt Risiko­aktiva abbauen, was sowohl für die Volkswirtschaft als auch für die Finanzstabilität negative Konsequenzen nach sich ziehen könnte.

Außerdem könnten verschärfte Vorschriften zu Kreditklemmen für Unternehmen und Risikotransfer an Schattenbanken führen. Eine Abschwächung der Vorschläge zur Vermeidung volkswirtschaftlicher Risiken gilt daher als wahrscheinlich.
„Auf Basis der anhaltenden, intensiven Diskussionen zwischen wesentlichen Stakeholdern ergäbe sich ein abgeschwächter Gesamteffekt von ca. +15 bis maximal +30 Prozent auf die unter Basel III erforderliche Kapitalbasis europäischer Banken. Vor dem Hintergrund der derzeitigen Aussagen von Politik, Notenbanken und Aufsicht erscheint es jedoch realistisch, dass die finalen Reformen einen Gesamteffekt von ca. +10 bis maximal +20 Prozent ergeben werden”, erläutert Philipp ­Wackerbeck, Leiter der Financial Services Practice bei Strategy&.

Europa wird leiden

„Die Konsequenzen von Basel IV werden in Europa besonders schmerzhaft sein. Zudem werden Großbanken wegen ihrer breiten Anwendung interner Modelle stark betroffen sein”, sagt Andreas Putz, Geschäftsführer bei Strategy& Österreich. Geschäftsbanken und Landesbanken in Deutschland sowie Geschäftsbanken in Österreich bekommen die Auswirkungen unter anderem aufgrund ihrer hohen Kreditvolumina an Firmenkunden besonders zu spüren.

Dasselbe gilt für die Spezialfinanzierung einschließlich der gewerblichen Immobilienfinanzierung. Der zusätzliche Kapitalbedarf der österreichischen und deutschen Banken zusammen beläuft sich nach der Strategy&-Analyse des aktuellen Diskussionsstandes einer abgeschwächten Basel IV-Reform auf bis zu 40 Mrd. €.

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