FINANCENET
Redaktion 05.04.2019

Die Finanzindustrie am Scheideweg

Die Digitalisierung stellt Banken und Versicherungen weltweit vor neue Herausforderungen – Konkurrenz kommt mit gänzlich neuen Methoden.

Editorial ••• Von Reinhard Krémer

 

ZEITENWENDE. Jahrhundertelang war das Bankgeschäft eine sichere Sache: Geld für Zinsen entgegennehmen, Geld für höhere Zinsen verleihen. Basta. Doch mit dem Wachstum der Branche wurden die Anlageinstrumente, vor allem in den letzten 30 Jahren, immer profitabler – und komplexer. Mache davon brauchten eine mehrseitige „Betriebsanleitung” und waren trotzdem nur von Fachleuten zu verstehen. Die Finanzkrise hat diesem Unwesen zum größten Teil ein Ende gesetzt.

Die Branche strotzt vor Kraft …

Die Krise wiederum wurde von fast allen Versicherungen gut überstanden. Sogar vom US-Versicherer AIG, der als einer der Hauptauslöser für die weltweite Finanzkatastrophe gilt. Erst deren Folgen machten dann den Assekuranzen zu schaffen, denn als die Zinsen ins Bodenlose fielen, blieb für die Erlebensversicherung nichts mehr übrig. In Deutschland musste man reihenweise hochverzinste Altverträge kündigen, weil man die Erträge in der kargen Zinswüste nicht mehr erwirtschaften konnte.

Doch die Unternehmen haben auch das, wenn auch zähneknirschend, überlebt. Der Aufschwung der Wirtschaft während der letzten Jahre füllt jetzt bei Banken und Versicheren wieder die Kassen; Rekordgewinne blühen allerorten.

… doch dunkle Wolken ziehen auf

Doch nun droht neues Ungemach an einer neuen – und für die etablierten Unternehmen mit teils riesigen Apparaten – gänzlich ungewohnten Front: FinTechs sind dabei, die Börsel der Generation Smartphone zu erobern. Einfach muss es heute sein – und schnell. Konto eröffnen, Unfall- und Haushaltsversicherung noch schnell am Check-In am Flughafen abschließen – alles am Handy. Einfachheit und Bequemlichkeit, Transparenz und Mobilität – alles in allem subsumiert unter dem Kriterium einer guten „User Experience”. An allen Ecken und Enden schießen Start-ups aus dem Boden, die diese Bedürfnisse nur zu gern erfüllen. Diese Unternehmen kann man nicht mit den klassischen Methoden schlagen; neue Ideen müssen her.

Das Anpassungs-Gen

Aber die Riesen der Finanzindustrie hätten nicht Jahrhunderte unbeschadet überdauert, wenn sie nicht auch das Gen zur Anpassung in ihrem Erbgut trügen. Und so stellen die Vifen bereits die Weichen für die Zukunft: Manche Unternehmen mit dicken Brieftaschen starten Kooperationen mit den stets geldhungrigen Newcomern, andere kaufen sie auf und wieder andere gründen Start-ups unter ihrem eigenen Brand, manchmal auch als Ergebnis firmen­interner Wettbewerbe. Heimische Finanzunternehmen, die schon bei der Ostöffnung ihre Chancen genutzt haben, könnten auch diesmal wieder vorn mit dabei sein.

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