••• Von Reinhard Krémer
WIEN. In der Eurozone zeichnet sich eine anhaltende Erholung ab, meinen die Experten der Bank Gutmann in einer aktuellen Analyse. Sie fühlten den Puls der wichtigsten Wirtschaftsnationen rund um den Globus.
Die Zahlen zur Schätzung des realen Wirtschaftswachstums belegen den Aufschwung im zweiten Quartal 2021. Der Zuwachs betrug zwei Prozent im Quartalsvergleich beziehungsweise 13,7% im Jahresvergleich.
Darüber hinaus stieg der Index für das Geschäftsklima im Juli mit 119 Punkten auf ein neues Allzeithoch – seit Einführung der Umfrage im Jahr 1985! Trotz dieser Zahlen hielt sich die Überraschung der Finanzmärkte in Grenzen. Die Entwicklung war durch zahlreiche Indikatoren bereits angezeigt worden und somit in den Preisen der diversen Finanzinstrumente enthalten.
Licht und Schatten
Schwieriger stellt sich der Blick auf die kommenden Monate dar. Offenbar blicken Unternehmen wie auch Konsumenten durchaus optimistisch in die Zukunft. Allerdings gibt es trotz der positiven Überraschungen immer wieder Enttäuschungen in den Zahlen.
Mögliche Ursachen sind vereinzelte Schwierigkeiten wie stockende Lieferketten, über die mittlerweile nicht nur Produzenten, sondern vermehrt auch Dienstleister klagen. Außerdem sorgt die Delta-Variante, die innerhalb der Neuinfizierten bereits dominiert, für Unruhe.
Diese Tatsache und die Einschätzung, dass die Herdenimmunität aufgrund teils zu niedriger Impfquoten noch nicht so bald erreicht sein wird, lässt Sorgen um neuerliche Einschränkungen aufkeimen – in verschiedenen Ländern wird bereits an der einen oder anderen (kleineren) Schraube gedreht, so die Gutmann-Analysten.
Der Fels in der Brandung
Bislang geht es um Debatten rund um frühere Schließungen von Lokalen, eine neuerliche Maskenpflicht oder Ähnliches. Angesichts des Erlebten klingt das vergleichsweise harmlos, es sorgt jedoch für Unsicherheit.
Die Europäische Zentralbank versucht sich in dieser Situation als Fels in der Brandung. Daher war es keine Überraschung, dass im Juli der Referenzwert für das Inflationsziel angepasst wurde.
Auf mittlere Sicht wird versucht, eine Teuerung von exakt zwei Prozent im Durchschnitt zu erzielen. Symmetrische Abweichungen werden hier – sowohl nach oben als auch nach unten – geduldet.
Zahlen, wie die Schätzung der Juli-Inflation in Deutschland von 3,1% im Jahresvergleich, sorgen daher nicht für Verunsicherung. Man wird wohl auf absehbare Zeit bei der bekannten geldpolitischen Ausrichtung bleiben und sich in Geduld üben.
Die Chinesen greifen ein
Wieder einmal hat Peking in die Geschicke des Marktes eingegriffen und damit dessen Freiheitsgrenzen aufgezeigt. Im aktuellen Fall ging es um den Bildungssektor, der offenbar zu privatwirtschaftlich geworden war.
Auch wenn die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen dieser Maßnahme vernachlässigbar sind und die gute und stabile wirtschaftliche Basis, auf der die Volksrepublik steht, nicht gefährdet ist, nehmen die Finanzmärkte solche Eingriffe durchaus negativ auf.
Das Reich der Mitte profitiert
Daher verlor der Hang Seng-Index nicht zufällig in den ersten Tagen nach der Ankündigung dieses Eingriffs knapp zehn Prozent an Wert. Dennoch ist, wirtschaftlich gesehen, vieles in Ordnung. China profitiert stark von der globalen Aufholbewegung in Form steigender Exporte, auch wenn Probleme in einzelnen Bereichen der Industrie auch an China nicht spurlos vorüber gehen, was auch Produzenten in Form sinkender Profitabilität spüren.
Dennoch ist die Investitionstätigkeit noch intakt. Auch die Haushalte haben ihren Konsum wieder nahezu normalisiert. Da die Regierung jedoch weiterhin aggressiv gegen jede Gefahr einer neuerlichen Covid-Ausbreitung vorgeht, ist der weitere Anstieg bei Konsumausgaben eingedämmt.
„Beim Blick auf den Verlauf des zweiten Halbjahres sind wir vorsichtig optimistisch – nicht, weil ein Abschwung zu erwarten wäre, aber wir halten eine Abkühlung des aktuell guten Niveaus für ein realistisches Szenario”, so die Gutmann-Analysten.
Es läuft rund überm Teich
In den USA gibt es positive Zahlen zum zweiten Quartal als Bestätigung: Annualisiert betrug der Zuwachs 6,5%, im Jahresvergleich waren es zwölf Prozent.
Es liegen wenig Daten vor, die eine pessimistische Sicht auf die kommenden Monate rechtfertigen würden. Die finanzielle Lage der Haushalte ist gut, und die Jobaussichten sind hervorragend.
Die Unternehmen investieren mehr und machen dies vor dem Hintergrund gestiegener Absatzerwartungen. Wesentliches Element dieser Rahmenbedingungen sind großzügige Öffnungen, die den Menschen ihre Mobilität weitgehend wiedergegeben haben. Ein Indikator dafür sind die Zahlen der Flugpassagiere an US-Flughäfen, die wieder die zwei Millionen-Tagesmarke erreicht haben.
Was macht die Fed?
Die letzte Veröffentlichung des Konsumentenpreisindex von 5,4% im Jahresvergleich dürfte für die US-Notenbank Fed noch tolerierbar gewesen sein.
Aber die Beibehaltung des äußerst expansiven Kurses – bei zugleich stetiger Besserung des konjunkturellen Umfelds – könnte den Schritt in Richtung Verringerung der monatlichen Anleihekäufe (Tapering) beschleunigen.