HEALTH ECONOMY
© Boehringer Ingelheim/Rainer Mirau

Redaktion 14.04.2017

Boehringer Ingelheim baut Standort Wien aus

Der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim investiert in Wien 700 Mio. € und setzt hier auf Biotechnologie.

Der deutsche Pharmakonzern Boehringer Ingelheim setzt auf biotechnologisch produzierte Medikamente und den Standort Wien. Mit jährlichen Forschungsaufwendungen von 200 Mio. € ist Boehringer Ingelheim das forschungsintensivste Pharmaunternehmen in Österreich. Und dieses Engagement wird nun massiv ausgebaut. Nach der Eröffnung des 52 Mio. € teuren Neubaus für das Grundlagenforschungszentrum IMP vor wenigen Wochen erfolgt nun der Startschuss für eine 700 Mio.-Investition am Haupt­standort in Wien. Mit der neuen Fertigungsanlage wird Wien ­neben Biberach (Deutschland), Fremont (USA) und Shanghai (China) weltweit der vierte Standort des Unternehmens zur Herstellung von Biopharmazeutika auf Basis von Zellkulturen sein.

Enormer Markt

Hier entwickelt und produziert Boehringer Ingelheim biopharmazeutische Arzneimittel sowohl aus eigener Forschung als auch für Auftragskunden. Bereits seit dem Vorjahr liefen die Vorbereitungen zur Errichtung einer neuen großtechnischen biopharmazeutischen Produktionsanlage und die dazugehörige Infrastruktur für Wirkstoffe, die mithilfe von Zellkulturen hergestellt werden. Mit der Investition wird Boehringer Ingelheim bis 2021 rund als 500 neue Arbeitsplätze in Wien schaffen. In den vergangenen Jahren hat die Biotechnologie im Bereich der Pharmawirtschaft eine überragende Rolle bekommen. Nur wenige und hoch spezialisierte Unternehmen und Konzerne sind allerdings weltweit in der Lage, Biotech-Arzneimittel wie monoklonale Antikörper, Antikörperkonstrukte, Biotech-Nachbauten von therapeutisch verwendbaren Proteinen und Impfstoffe in entsprechender Qualität und Menge zu erzeugen. In die Reihe dieser Konzerne gehört auch seit Jahren Boehringer Ingelheim. Es geht dabei sowohl um die Entwicklung und Erzeugung von neuen Originalprodukten zum Beispiel als Lohnhersteller für andere Unternehmen als auch um die Entwicklung und Erzeugung sogenannter Biosimilars, das sind Nachbauprodukte für Biologicals, Medikamente auf Basis von Zellkulturen, welche den Patentschutz verloren haben. Allein in Deutschland, Italien, Frankreich, Großbritannien und Spanien sollen Biosimilars bis 2020 ein Marktvolumen von 47 Mrd. €, wenn nicht deutlich mehr, erreichen.

„Nach einem sehr erfolgreichen Jahr 2016, in dem wir unsere Marktführerschaft in der Entwicklung und Herstellung mikrobieller Biopharmazeutika mit 16 Prozent Umsatzzuwachs weiter ausbauen konnten, konzentrieren wir uns 2017 auf die Aufnahme und Entwicklung neuer innovativer Produkte sowie die Errichtung der großtechnischen Produktionsanlage für Zellkulturtechnologie”, erklärt Christian Eckermann, Leiter Biopharma Austria im medianet-Gespräch.

Krebsforschungszentrum

Ziel von Boehringer Ingelheim sei es, mit innovativen Therapien möglichst vielen Krebspatienten ein längeres und beschwerdefreieres Leben zu ermöglichen. Die Forscher arbeiten dabei an Therapieansätzen, die entweder die Tumorzellen direkt angreifen oder Immunzellen aktivieren, die dann ihrerseits den Krebs bekämpfen. „Unser Forschungsteam in Wien hat 2016 wieder mehrere Substanzen entdeckt, aus denen neue Krebs­medikamente werden könnten. Sie werden in den kommenden Jahren an Lungenkrebspatienten geprüft”, sagt Darryl McConnell, Forschungsleiter im Boehringer Ingelheim RCV.

Das Boehringer Ingelheim Regional Center Vienna (RCV) kann überhaupt auf ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr 2016 zurückblicken: Die Betriebsleistung (Umsatzerlöse, sonstige betriebliche Erträge und Bestandsveränderung) stieg um 8,9% auf 1,24 Mrd. €. Diese Zahl beinhaltet die Umsätze gegenüber verbundenen Unternehmen, unter anderem die Erlöse aus dem Wiener Biopharma-Geschäft. Die Mitarbeiterzahl erhöhte sich um 2 % auf 3.470, davon sind 1.629 in Österreich tätig.
Besonders positiv entwickelte sich das Kerngeschäft mit verschreibungspflichtigen Medikamenten, das um 9,6% wuchs. Die Erlöse bei den rezeptfreien Produkten stiegen um 0,8%. Sehr gut entwickelte sich das Geschäft mit Tierarzneimitteln; hier gab es ein kräftiges Wachstum von 8,9%. „Dies ist speziell vor dem Hintergrund des Business-Swaps mit Sanofi positiv hervorzuheben”, betont von BI-Österreich Chef Philipp von Lattorff. Boehringer und Sanofi hatten, wie berichtet, 2016 den Tausch der Sanofi-Tiergesundheitssparte (Merial) mit dem Bereich Selbstmedikation von Boehringer bekannt gegeben.

„Industrie glaubt an Standort”

Das Beispiel zeige, wie aktiv sich die pharmazeutische Industrie für die Stärkung des österreichischen Wirtschafts-, Produktions- und Forschungsstandorts engagiere, kommentierte Pharmig-Generalsekretär Jan Oliver Huber den Spatenstich. Die erneute Investition von Boehringer Ingelheim im Bereich Biotech zeige deutlich, dass die Indus­trie an diesen Standort glaubt. „Wir glauben an den Pharmastandort Österreich, auch wenn die jüngsten ASVG-Änderungen und die damit einhergehenden Preisreduktionen bei Arzneimitteln ohne wirtschaftliche Notwendigkeit erfolgen”, sagt Martin Munte, Präsident der Pharmig.

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