••• Von Evelyn Holley-Spiess
Es wird sondiert. ÖVP und SPÖ führen Regierungsgespräche und zumindest in einem Punkt sollte der Abstimmungsbedarf wenig strittig sein: Das Budget läuft aus dem Ruder. Wirtschaftsforscher haben den Sanierungspfad dargelegt – und empfehlen dabei auch Überraschendes. Für Wifo-Budgetexpertin Margit Schratzenstaller sind neue Steuern mit Lenkungseffekt denkbar. Was bleibt, ist der zunehmende Druck in Richtung einer Föderalismusreform.
medianet: In den vergangenen Wochen haben sich die Meldungen zur Budgetmisere überschlagen. Daher zu Beginn eine kurze Standortbestimmung – wo stehen wir und wie groß ist das Defizit, das es in den nächsten Jahren zu bewältigen gilt?
Margit Schratzenstaller: Das Wifo geht für heuer von einem Defizit von 3,7 Prozent aus, für das nächste Jahr von vier Prozent. Laut mittelfristiger Prognose, bis 2029, kommen wir im Schnitt auf 3,8 Prozent. Wir kommen also nicht runter.
medianet: Was bedeutet das für das Gesundheitssystem? Oder anders gefragt – Sie sagen, das Gesundheitssystem muss effizienter werden. Wie?
Schratzenstaller: Wir haben das Problem, dass im Gesundheitswesen und hier gerade auch bei der Finanzierzung alle drei Ebenen, also Bund, Länder und Gemeinden, und zudem die Sozialversicherung beteiligt sind. Die Strukturen sind dadurch sehr komplex und zum Teil auch intransparent. Hier braucht es eine Entflechtung – und die immer wieder geforderte Finanzierung aus einer Hand.
medianet: Das läuft auf eine Föderalismusreform hinaus?
Schratzenstaller: Richtig. Die ist dringend nötig. Das betrifft viele Bereiche – von der Bildung, über die Förderungen bis eben hin zum Gesundheitssystem. Es geht um die klare Zuordnung der Aufgaben, Ausgaben und Finanzierung. Weitere Ansätze für ein effizienteres Gesundheitswesen sind die stärkere Verlagerung vom stationären in den ambulanten Bereich, und – siehe die Diskussion in Niederösterreich – eine bessere Koordination zwischen den Spitälern.
medianet: Das klingt nach dem berühmten Bohren dicker Bretter. Zur Budgetsanierung sind aber auch rasche Maßnahmen nötig. Wie beurteilen Sie die Idee einer Zuckersteuer und Steuererhöhungen auf Alkohol und Tabak?
Schratzenstaller: Auf jeden Fall positiv. Es fehlt in Österreich an Prävention. Steuern auf ungesunden Lebensstil könnten präventiv wirken. Im EU-Vergleich nutzen wir diese Möglichkeiten bisher unterdurchschnittlich bis gar nicht.
medianet: Das bedeutet?
Schratzenstaller: Es gibt inzwischen in zehn EU-Ländern eine Steuer auf Getränke mit Zuckerzusatz. Es wäre aus meiner Sicht eine gute Idee, das auch in Österreich zu machen. Denn es zeigt sich, dass es zu Veränderungen im Zuckergehalt und im Kaufverhalten kommt. Auch bei der Alkoholsteuer haben wir Nachholbedarf.
medianet: Was würden diese Steuermaßnahmen bringen?
Schratzenstaller: Wir haben grobe Berechnungen, dass eine derartige Zuckersteuer rund 50 Millionen im Jahr bringen könnte, bei der Alkoholsteuer gehen wir von 150 Millionen aus. Wichtig wäre, dass man diese Steuern auch laufend valorisiert und sie in einen größeren Rahmen einbettet – also etwa mit Informationskampagnen und Werbeverboten für Kinder kombiniert.
medianet: Zum Schluss ein Blick in die Zukunft – laut Finanzausgleich stehen bis 2028 14 Milliarden Euro für Reformen in Gesundheit und Pflege zur Verfügung. Wird das reichen?
Schratzenstaller: Die Summe will ich im Detail nicht kommentieren. Klar ist, dass wir aufgrund der Demografie mehr Geld für Pflege, Gesundheit und Pensionen brauchen werden. Es reicht aber nicht, einfach immer nur mehr Geld einzusetzen. Was wir für die Zukunft brauchen, sind effizientere Strukturen.