Editorial ••• Von Martin Rümmele
EXPERTENSTREIT. Gesundheit als Wirtschaftsfaktor? Darf das überhaupt sein? In letzter Konsequenz bedeutet das ja, dass wirtschaftlich agierende Unternehmen mit der Gesundheit und vor allem der Therapie von Menschen Gewinne machen. Um es noch direkter zu sagen: mit dem Leid von Menschen. Diese Frage spaltet das Gesundheitswesen wie keine andere und polarisiert ungemein: Ist es ethisch, mit dem Leid anderer Menschen Geld zu verdienen?
Debatte über Preise
Nirgendwo sonst wird dieses Spannungsfeld deutlicher wie in der Pharmaindustrie. Nicht zuletzt deshalb, weil die meist börsennotierten Unternehmen quartalsweise ihre Geschäftsergebnisse vorstellen müssen und dort im Hinblick auf das Wohlwollen der Aktionäre auch möglichst gute Geschäftsentwicklungen und hohe Gewinne präsentieren müssen. Das wiederum weckt die Kritik der Krankenkassen, die mit Blick auf die hohen Gewinne die Preise für Arzneimittel senken wollen.
Gesundheitspolitische Debatten haben oft einen Fokus: die Kosten. Und weil diese recht hoch scheinen und über Lohnnebenkosten und Steuern aufgebracht werden, gibt es meist eine Antwort: sparen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich allerdings, dass beides falsch ist. Denn tatsächlich sind die Kosten gar nicht hoch. Zugegeben, 38 Mrd. € allein in Österreich für Gesundheit auszugeben, klingt nach viel, sehr viel Geld. Aber in welcher Relation steht das? Auch umgerechnet auf die Wirtschaftsleistung, sind mehr als zehn Prozent des Bruttoinlandsprodukts viel Geld. Die Frage muss allerdings anders gestellt werden: Was bekommt man für so viel Geld? Die Antwort der meisten Experten ist ein Verweis auf eine der höchsten Lebenserwartungen der Bevölkerung in den industrialisieren Ländern. Allerdings ist das sehr abstrakt und weder für die Menschen selbst noch für Steuerzahler und abgabenpflichtige Unternehmen spürbar.
870.000 Jobs in Gesundheitswirtschaft
Einer Analyse des Ökonomen Gottfried Haber zufolge bringt allein die „Pharmabranche im weiteren Sinne” mit 63.000 Beschäftigten eine Wertschöpfung von 9,6 Mrd. €, was 2,8% der gesamten heimischen Wirtschaftsleistung entspricht. Insgesamt erzielt die Gesundheitswirtschaft nach Schätzungen von Experten eine Bruttowertschöpfung von fast 48 Mrd. € pro Jahr in Österreich. Das ist fast ein Drittel mehr, als für die Versorgung der Menschen ausgegeben wird. Dazu kommt, dass diese Milliarden nicht nur für die Versorgung ausgegeben werden – sie sichern auch geschätzte 870.000 Arbeitsplätze, kurbeln die medizinische sowie technische Forschung an und geben in andere Branchen Impulse. Im Grunde ist die Health Economy also eine Win-Win-Sitation.