HEALTH ECONOMY
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27.11.2015

Kur „Neu” soll Prävention ins Zentrum rücken

Statt auf den Ernstfall zu warten und teure Rehas zu zahlen, soll Prävention forciert werden. Darauf pocht zumindest die Kurbranche.

Ein breites Bekenntnis gab es dieser Tage im Nationalrat zur Sinnhaftigkeit der Kuraufenthalte: SPÖ, ÖVP, FPÖ und Grüne verteidigten sie, nachdem die Neos Skepsis gegen „Wellnessurlaub” auf Krankenkassenkosten gezeigt hatten. Aber alle inklusive Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) traten für „Nachjustierungen” ein.

Anlass für die Debatte war, dass Neos-Abgeordneter Gerald Loacker mit einer Anfragebeantwortung Oberhausers unzufrieden war. Er vermisste genaue Erhebungen des Hauptverbandes über Alter oder Diagnose der Kur-Patienten. Er stieß sich aber auch daran, dass laut der Beantwortung jährlich rund 150.000 Menschen auf Kur gehen. So schlecht könnten die Österreicher doch nicht beieinander sein, meinte er – und bezweifelte auch, dass drei Wochen Kur die ­Lebensgewohnheiten nachhaltig ändern könnten.
Ministerin Oberhauser trat Loacker entschieden entgegen: Kur und Rehabilitation seien „äußerst sinnvolle” Instrumente. Sie „würde davor warnen, diese Diskussion auf Ebene des gefühlten Neides zu halten” – dass Menschen, die eine Kur machen, nur einen Zusatzurlaub wollten. Die Voraussetzungen seien streng – ein medizinisches Attest –, und es werde „genau geschaut”. Nachjustieren müsse man, etwa was die Nachhaltigkeit von Kuren betrifft, und auch die Tatsache, dass die Praxis je nach Bundesland sehr unterschiedlich sei.

Breite Akzeptanz

Die Kur habe auch präventiven Charakter und sei notwendig – aber sie müsse weiterentwickelt werden, meinte auch Claudia Durchschlag (ÖVP). Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ) mahnte: Wenn man wolle, dass Menschen länger erwerbstätig bleiben, müsste man auch dafür sorgen, dass sie gesund bleiben – und dazu brächten Kuren oft weit mehr als ambulante Behandlungen. Für viele seien Kuren die einzige Möglichkeit, bei guter Betreuung Gesundheitskompetenz zu erwerben, merkte die Grüne Eva Mückstein an. Natürlich müssten aber für alle Länder gleiche Regeln gelten. Besonders scharf traten die Redner der anderen Fraktionen der Kritik Loackers an den vielen Kuraufenthalten öffentlich Bediensteter – deren Tätigkeit doch körperlich nicht sehr anstrengend sei – entgegen. Oberhauser erinnerte ihn, dass auch Müllabfuhr oder Krankenpflege von öffentlichen Bediensteten geleistet werde, Belakowitsch-Jenewein an die Feuerwehren.

Unterstützung erhielten die Kurbetriebe zuletzt auch vom ehemaligen Generaldirektor der Pensionsversicherungsanstalt, Ewald Wetscherek, bei ihrer Jahrestagung in Bad Radkersburg. Nur etwa jeder zweite Kurantrag werde von der PVA auch genehmigt. Im Durchschnitt seien im Jahr 2014 etwa 1,4% der Menschen auf Kur gegangen – man könne also bei Weitem nicht von einem „Volkssport” sprechen. Allerdings sei das Potenzial im Kurbereich im Hinblick auf Prävention enorm, weil Frühpensionierungen verhindert oder zumindest hinausgeschoben werden könnten.

Gesundheitsvorsorge Aktiv

Die Kurbetriebe wollen deshalb – durchaus in Abstimmung mit der PVA – die Präventionsangebote ausbauen. In mehreren Betrieben läuft derzeit der Pilotbetrieb der „Gesundheitsvorsorge Aktiv”, die auf Lebensstiländerungen im Bereich Ernährung, Bewegung und mentale Gesundheit abzielen, sagt auch der neue Präsident des Heilbäder- und Kurorteverbandes, Josef Sommer (siehe Interview rechts).

Manche Betriebe der Branche setzten zudem auf privat zahlende Gäste und das Wellness-Segment. Hier bremst allerdings die aktuelle Ausgabe des Wellnesshotelführers „Relax Guide” die Erwartungen der Kur-Branche und verweist auf die angespannte Situation im Wellnesstourismus. Die Boom-Jahre der Wellnesshotellerie seien vorbei: Die schwächelnde Wirtschaftslage und der hohe Konkurrenzdruck habe laut dem Herausgeber des Relax Guide erstmals dazu geführt, dass die Zimmerpreise stagnieren, sagte Herausgeber Christian Werner bei der Präsentation der 17. Ausgabe des Relax Guide. Für die Gäste sei das nicht unbedingt eine gute Nachricht, da die Qualität der ­Häuser darunter leide.
Die durchschnittliche Preiserhöhung gegenüber dem Vorjahr betrug 1,04% und lag damit noch unter der Inflationsrate. Die Gäste hätten durch die stagnierenden Preise kaum Vorteile, da die Häuser nun bei der Qualität sparen müssten. „Man kann sich unschwer vorstellen, wie sich das unweigerlich auf die Küche und auf die Dienstleistungsqualität auswirken muss”, sagte Werner. Folgerichtig hat es die Mehrzahl der Wellnesshotels 2015 auch nicht geschafft, ihre Leistung zu verbessern. 49 Hotels, die von den Testern des Relax Guide für die aktuelle Ausgabe unter die Lupe genommen worden sind, wurden schlechter bewertet als im Vorjahr, nur 29 Häuser konnten sich verbessern.
Im Gegensatz dazu würden die Kurbetriebe sehr wohl in Qualität insvestieren, sagt Sommer. Die Kassen würden hier nicht nur auf die Leistungen, sondern auch auf die Angebote achten. „Es ist auch das Bedürfnis der Betriebe, dass wir bei den Kurgästen gesundheitlich etwas weiterbringen. Wir wollen ja Erfolge vorweisen.”

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