HEALTH ECONOMY
© AFP Photo/Odd Andersen

20.11.2015

Neue Studie zeigt: Manager leben immer ungesünder

Schwächeanfälle auf der Bühne, wie zuletzt beim BMW-Chef, sind nur die Spitze: Manager leben immer ungesünder, warnen Experten.

••• Von Ina Karin Schriebl

Das Bild rüttelte nicht nur Spitzenkräfte auf: BMW-Chef Harald Krüger brach zusammen – ausgerechnet beim Hochamt der Autobauer, bei der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt, vor den Kameras der versammelten Weltpresse. Angeblich ein Kreislaufkollaps, ein Schwächeanfall.

Krüger ist ein Paradebeispiel eines Topmanagers: immer am Arbeiten, unterwegs rund um den Globus. Eine der Anforderungen für einen Job wie seinen ist eine robuste Gesundheit. Manager brüsten sich, mit wie wenig Schlaf sie auskommen, wie jeder noch früher aufsteht, E-Mails schon kurz nach vier Uhr morgens bearbeitet.

Viel zu wenig Schlaf

Doch dieses Wettrennen ist fatal: Sechs von zehn Führungskräften schlafen so wenig, dass sie damit ihre Gesundheit gefährden. Zu diesem Ergebnis kam nur wenige Tage vor Krügers Zusammenbruch eine Befragung der deutschen Max Grundig Klinik unter 1.000 Führungskräften. Lediglich bei 39% der Befragten war demnach ausreichender und gesunder Schlaf gewährleistet.

Dabei berichteten die meisten Manager, dass sie sich sehr wohl um ihre Gesundheit kümmerten: 67% der Männer und 57% der Frauen treiben regelmäßig Sport, sechs von zehn achten auf ihre Ernährung, nur noch jeder zehnte raucht. Doch mussten die meisten eingestehen, dass sie eigentlich viel gesünder leben würden, wenn sie nur dazu kämen, wenn sie nur genügend Zeit dazu hätten.
Dieses triste Bild lässt sich auch in Österreich zeichnen: „Das Bewusstsein für Gesundheitsvorsorge und Fitness bei den Managern ist hoch. Das dafür notwendige Zeitbudget und eine gewisse Regelmäßigkeit von Fitness-Aktivitäten und auch Vorsorge-Maßnahmen ist dabei die große Herausforderung”, stellte Gerhard Zeiner, Bundesvorsitzender des österreichischen Wirtschaftsforums der Führungskräfte (WdF), bei einer Veranstaltung in Wien fest. Basis für seine Feststellung sind die Resultate der jüngsten Gesundheitsstudie des WdF, die ein aktuelles Bild der Work-Life-Balance und des Gesundheitszustands der heimischen Manager zeichnet. An der gemeinsam mit der Wiener Städtischen Versicherung und dem Gesundheitszentrum mediclass durchgeführten Befragung haben sich bundesweit knapp 250 Führungskräfte beteiligt.
Generell setzen Stress (57%) und Bewegungsmangel (47%) den österreichischen Führungskräften am meisten zu, 29% klagen über Gewichtsprobleme. Alle Werte sind in den vergangenen zwei Jahren gestiegen, vor allem die Stressbelastung – die aktuelle Gesundheitsstudie ist bereits die fünfte, die das WdF durchgeführt hatte.
„Österreichs Führungskräfte können die Balance zwischen Joberfordernissen und Privat­leben nicht signifikant verbessern. Vor allem bei den Jüngeren und den Führungskräften der zweiten Ebene dominiert die Joborientierung deutlich”, erklärt Studienautor Felix Josef von Triconsult. Ein wirklich ausgewogenes Verhältnis zwischen Job und Privatleben orten aktuell 23% (wie auch vor zwei Jahren) der Befragten; wenn ein Ungleichgewicht herrscht, dann aber klar in Richtung Job: 68% nehmen ein Übergewicht der beruflichen Orientierung wahr.

Mehr psychische Probleme

Bei der persönlichen Gesundheit behaupten aktuell 18% der befragten heimischen Manager, dass es ihnen „ausgezeichnet” gehe – in der letzten Untersuchung waren es noch 24%. „Auf Nachfrage meinen jedoch 27% der Befragten, dass sie aktuell gesundheitliche Schwierigkeiten haben”, verrät Josef. Probleme bereiteten insbesondere der Bewegungsapparat (17%) vor Herz und Kreislauf (8%) und dem Stoffwechsel (7%). Und wie alle in der jüngsten Untersuchung überprüften Bereiche werden auch psychische Probleme mit 5% häufiger als bei der letzten Befragung genannt.

Tatsächlich registrieren österreichische Psychiater seit Jahren eine Zunahme insbesondere von Burn-out-Patienten. Aber auch andere, nicht zuletzt arbeitsstress-bedingte psychische und psychiatrische Erkrankungsbilder nehmen zu. Immerhin erfolgen derzeit laut aktuellen Statistiken 32% aller Neuzugänge in die Berufsunfähigkeits- und Invaliditätspensionen aus psychischen Gründen.
Mit den Veränderungen in der Arbeitswelt haben sich auch die krankmachenden Faktoren in der Arbeit verändert. Mittlerweile ist auch außerhalb von psychiatrischen Kreisen anerkannt, dass psychische Erkrankungen als Folge von Arbeitsbelastungen auf dem Vormarsch sind. Daten der österreichischen Arbeiterkammer zufolge sind im Zeitraum von 1994 bis 2013 psychiatrische Krankheiten von rund einer Mio. auf mehr als 3,5 Mio. Krankenstandstage angestiegen, was einer Steigerung von rund 230% entspricht.
Beschäftigte ohne arbeitsbedingte Belastungen weisen im Schnitt pro Jahr nur 0,8 Tage krankheitsbedingter Arbeitsausfälle auf. Treten arbeitsbedingte psychische Belastungen auf, erhöht sich die Zahl der Arbeitsausfalls-Tage auf 3,3. Knapp sechs Ausfalls-Tage sind es, wenn psychische und physische Belastungen zusammentreffen.
Dies wirkt sich neben dem Leid der Betroffenen und dem Arbeits- beziehungsweise Produktionsausfall für die betroffenen Unternehmen auch volkswirtschaftlich aus: Krankenstände aufgrund arbeitsbedingter psychischen Belastungen dauern länger und die gesamtwirtschaftlichen Kosten belaufen sich auf 3,3 Mrd. € jährlich.

Vorhandenes Bewusstsein

Unter den jüngst befragten Managern zeigt sich aber auch – zumindest laut Untersuchungsergebnissen – ein durchaus vorhandenes Gesundheitsbewusstsein; insbesondere der Vorsorge kommt ein hoher Stellenwert zu: Bei den Präventivmaßnahmen stehen Sport (von 75% betrieben), gesunde Ernährung (59%) und die Vorsorge­untersuchung (56%) an der Spitze. Im Vergleich zu früheren Jahren steigt vor allem die Bedeutung der gesunden Ernährung. Die zukünftigen Vorhaben der Führungskräfte deuten in Richtung verstärkte Rücksichtnahme auf die Gesundheit. So planen 91%, mehr Sport zu machen, 81% planen 2016 gesündere Ernährung ein, 59% wollen eine Vorsorgeuntersuchung durchführen lassen. Aktuell betreiben 7% der Manager täglich Sport und 41% mehrfach die Woche, allerdings sagen auch 17%, selten oder nie Sport zu betreiben – hier auffällig viele Frauen.

Knapp die Hälfte der Befragten (47%) berichtet von betrieblicher Gesundheitsvorsorge, die vor allem in größeren Unternehmen angeboten wird. Genutzt werden diese Angebote von zwei Drittel der Betroffenen. Die Vorsorge durch Versicherungen wird sehr unterschiedlich genutzt: Eine zusätzliche Krankenversicherung weisen 67% auf, eine Pflegeversicherung aber nur 4%. Für eine allfällige Berufsunfähigkeit haben nach eigenen Angaben 43% der Manager vorgesorgt – das ist eine starke Steigerung gegenüber 2013, als nur knapp ein Viertel hier abgesichert hatten.

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL