HEALTH ECONOMY
© Geko/Katrin Gabner

Redaktion 31.03.2023

Primärversorgung wird jetzt kräftig ausgebaut

Am 1. April gibt es das erste Primärversorgungszentrum, das sieben Tage die Woche offen hat. Weitere sollen folgen.

••• Von Martin Rümmele

Corona hat die Schwachstellen in vielen europäischen Gesundheitssystemen aufgezeigt. Niedergelassenen Ärzte waren in Österreich besonders gefordert, weil die Spitäler vor allem ihre Ambulanzen dichtmachten. In Österreich sei die Versorgung laut Untersuchung der OECD („Health at a Glance”) sehr gut, doch steuere man hierzulande auf einen Mangel im niedergelassenen Bereich zu, sagte Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) am Dienstag bei einem Pressegespräch. Er will diesen Bereich stärken sowie die Vorsorge verbessern.

Wie das konkret geschehen soll, ist aber schwierig. Das Gesundheitsministerium setzt vor allem auf Primärversorgungseinheiten (PVE), wo mehrere Hausärzte zusammenarbeiten und länger offen haben. Auch die Bundesländer wollen – mit Ausnahme von Tirol und Vorarlberg – solche Einheiten. Allerdings wollen sie diese Zentren nicht zur Schließung von Lücken im niedergelassenen Bereich, sondern zur Auslagerung von Spitalsambulanzen.

Debatte über Regelungen

Die Ärztekammer wiederum ist mit der Ausgestaltung unzufrieden. Sie fürchtet eine Konkurrenz zu bestehenden Ordinationen, aber auch, dass die Zentren zu Ambulatorien werden. Dann wäre nicht mehr die Ärztekammer samt Kammerumlage zuständig, sondern die Wirtschaftskammer. Dazu kommt die Frage, was beim Ausscheiden eines Ärztepartners passiert. Die Hürde sei hier eine gesellschaftsrechtliche: Die Kasse wolle einen einzigen Ansprechpartner, für die Ärzte sei die Gründung einer GmbH aber unattraktiv, argumentiert die Ärztekammer. Zudem werde einem Team bei einer Lücke einfach ein neuer Arzt zugeteilt. „Es ist aus unserer Sicht unverständlich, warum bei der Pensionierung eines Arztes in einer PVE die beiden übrigen nicht frei wählen dürfen, wen sie als Nachfolger dazuholen. Stattdessen ist es aktuell so, dass eine Zwangsverheiratung mit dem nächstgereihten Arzt arrangiert wird”, argumentiert Edgar Wutscher, ÖÄK-Vizepräsident und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte.

Teure Spitäler

Lange Wartezeiten auf Termine, keine Öffnungszeiten am Wochenende oder Nachfolge für Hausärzte, die in Pension gehen, verursacht umgekehrt ein für das System teures Ausweichen auf die Spitalsambulanzen. „Wir gehen in Österreich zu oft ins Krankenhaus oder in die Ambulanz, weil uns das System dazu zwingt”, betonte Rauch. „Wir brauchen aber eine Entlastung des stationären Bereichs.” Die Primärversorgungseinheiten müssen daher rascher ausgebaut werden. „Ich bin davon überzeugt, nachdem ich schon einige Primärversorgungseinrichtungen besucht habe: das ist das Modell der Zukunft.” Doch der Ausbau stockt. Bis 2023 sollten es 75 neue Primärversorgungseinheiten sein, tatsächlich sind es erst 39, kritisiert der Rechnungshof in einem neuen Bericht. Mit Stand Ende 2021 vorsorgten die damals gerade 29 Primärversorgungseinheiten nur 3,29% der Bevölkerung.

Druck auf Ärztekammer

Gesundheitsminister Rauch kritisiert vor allem die Ärztekammer und stößt sich am Vetorecht gegen Primärversorgungseinheiten. „Die Ärztekammer ist ein im wahrsten Sinne des Wortes gewichtiger Vertreter der Interessen, nämlich der Interessen der Ärzteschaft”, sagte Rauch. „Da geht es sehr viel um bewahren und nicht so sehr um eine zukunftsfähige Gestaltung.” Der Rechnungshof bemängelt, dass generell „keine konkreten Konzepte für die Umgestaltung des Versorgungssystems (etwa Gewinnung von Vertragspartnern für Modelle der Primärversorgung bzw. Integration in das bestehende System) erstellt” wurden. Rauch startet nun eine Novelle für das Primärvesorgungsgesetz und plant, die Ärztekammer zu beschneiden, wenn sich bei einem Engpass und einer unbesetzten Kassenstelle künftig sechs Monate lang keine neuen Ärzte finden.

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