HEALTH ECONOMY
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Redaktion 02.10.2020

Schmerz ist Belastung für die Wirtschaft

Schwerpunkt Schmerz – Teil 1 Immer mehr Menschen sind von chronischen Schmerzen betroffen. Hauptursache sind Rückenprobleme.

••• Von Katrin Pfanner

Rund 1,8 Mio. Menschen in Österreich leiden unter chronischen oder wiederkehrenden Schmerzen. Hauptursache dafür sind Rückenprobleme. Rund 85% der Bevölkerung haben irgendwann im Laufe ihres Lebens zumindest einmal Probleme mit dem Rücken. Bei 80 bis 90% der von Rückenschmerzen betroffenen Menschen sucht man allerdings vergeblich nach schweren körperlichen Ursachen. Schuld sind neben zu wenig Bewegung, falscher Haltung und Übergewicht vor allem Stress oder seelische und berufliche Anspannungen. Während der Corona-Zeit haben diese Belastungen zugenommen, sagen Experten.

Enorme Kosten

Problematisch ist die Situation, wenn die Schmerzen chronisch werden. Chronischer Schmerz ist kein plötzlich auftretendes Leiden, sondern eine aus akuten Symptomen heraus „erlernte” Krankheit. In Österreich sind bis zu 400.000 Patienten betroffen. Allein die direkten medizinischen Kosten chronischer Schmerzen liegen bei jährlich 1,4 bis 1,8 Mrd. €, rechnete vor einem Jahr bei den Österreichischen Ärztetagen in Grado der Kärntner Schmerzmediziner Rudolf Likar vor. Die Österreichische Schmerzgesellschaft errechnete bereits 2016 volkswirtschaftliche Kosten von etwa 6 Mrd. € pro Jahr, die direkt oder indirekt durch Rückenschmerzen entstehen.

In der EU verursacht der Schmerz jährlich rund 500 Mio. Krankenstandstage. „Mehr als 100 Millionen EU-Bürger haben chronische Muskel- oder Skelett-Schmerzen”, zitierte Likar dramatische Zahlen.
Dabei wären ein Gutteil dieses riesigen Problems und viele der Katastrophen für die einzelnen Betroffenen vermeidbar. „Chronischer Schmerz wird erlernt. Je länger Schmerz besteht, umso mehr die Situation verschlimmernde Adaptionen lassen sich nachweisen”, sagte der Kärntner Experte. Durch anhaltende Schmerzzustände kommt es zu einem Schmerzgedächtnis, Symptom-dämpfende Mechanismen in der Reizleitung und Reizverarbeitung werden geschwächt.

Auch Operationen als Ursache

Auch kleine chirurgische Eingriffe können in chronischen Schmerzzuständen enden. „Wir haben in Österreich pro Jahr rund 1,2 Millionen Operationen. Etwa zehn Prozent davon lösen chronische Schmerzen aus. Das sind pro Jahr 120.000 neue Patienten”, sagte Likar.

Schon eine dermatologische Intervention wie das Beseitigen eines Melanoms bewirke bei neun Prozent der Patienten solche Probleme. 20% der Patienten mit schweren Symptomen aus deutschen Schmerzkliniken gaben an, dass ihre schweren Beschwerden ursprünglich durch eine Operation ausgelöst worden seien. Hier müsse dringend darauf geachtet werden, dass keine chronischen Symptome entstünden, betonte der Fachmann. Eine wirksame, angepasste analgetische Therapie bei akuten Beschwerden könne das verhindern.

Schlechte Versorgung

Likar hält die Situation rund um die Schmerzmedizin für andauernd schlecht. Für niedergelassene Ärzte gibt es weiterhin keine vertiefte Ausbildung in Schmerzmedizin. „Nicht einmal mehr in jedem Bundesland gibt es eine spezialisierte Schmerzklinik für multimodale Therapie für die am ärgsten betroffenen Patienten.” Laut Experten sind in den vergangenen Jahren auch mehrere Ambulanzen für die Betroffenen an Krankenhäusern geschlossen worden.

Änderung in Finanzierung

Bisher hat die Krankenversicherung chronische, sich vom ursächlichen Grund verselbst­ständigende Schmerzzustände nicht als eigenständige Krankheit anerkannt. Das dürfte sich in den kommenden Jahren ändern. In der internationalen Krankheitsklassifizierung ICD-11, die ICD-10 ablöst, wird chronischer Schmerz eine eigene Diagnose darstellen. Das kann ab 2022 kodiert und abgerechnet werden.

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