HEALTH ECONOMY
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Redaktion 23.09.2022

Wirkstoffverschreibung spaltet Healtheconomy

Die Grünen wollen eine Verschiebung bei der Verschreibung von Medikamenten von Ärzten zu Apotheken. Das führt zu Debatten.

••• Von Martin Rümmele

WIEN. Es klingt nach dem sprichwörtlichen Murmeltier, das täglich grüßt: Nach Rudolf Anschober und Wolfgang Mückstein bringt mit Johannes Rauch der dritte grüne Gesundheitsminister das Thema Wirkstoffverschreibung auf die Agenda. Konkret sollen Ärzte nicht mehr ein Produkt verordnen, sondern nur einen Wirkstoff auf das Rezept schreiben, die Apotheken geben dann das ab, was gerade lieferbar ist. Betroffen ist davon der Bereich von patentfreien Produkten, zu denen es bereits Generika gibt. All diese Produkte sind vor allem niederpreisig, betreffen aber vor allem Volkskrankheiten mit hohen Verordnungszahlen: Diabetes, Herz-Kreislauf, Schmerz.

Kritik an Ärzten und Industrie

Es könne ihm niemand erklären, warum Österreich das einzige EU-Land sei, das diese Möglichkeit noch nicht habe, hatte er Ende der Vorwoche im Rechnungshofausschuss des Nationalrats gesagt. Rauch meinte laut Parlamentskorrespondenz, die pharmazeutische Indus­trie und die Ärztekammer seien Bremser, das sei aber „nicht mehr haltbar”. In einem Follow-up-Bericht des Rechnungshofs war in Sachen Arzneimittelbeschaffung die Möglichkeit von Wirkstoffverschreibungen angeregt worden. Eine Verordnung sei bereits in Arbeit, erklärte Rauch nun.

Die Österreichische Ärztekammer (ÖÄK) reagierte sofort, ortet die Diagnosehoheit durch die Ärzteschaft in Gefahr und kritisierte in einer Aussendung scharf eine Gefährdung der Patientensicherheit: „Wir werden das bekämpfen, wo immer es geht – im Sinne der Patientensicherheit”, betonte ÖÄK-Präsident Johannes Steinhart. „Der Apotheker kann dann abgeben, was er für richtig hält oder was ihm angesichts der Lagerhaltungskosten oder anderer Faktoren, die nichts mit Gesundheit zu tun haben, am besten passt. Das müssen wir kategorisch ablehnen”, erläuterte Edgar Wutscher, Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte der ÖÄK.

Industrie ortet Preisdruck

„Seit Langem wird diese Maßnahme immer wieder vorgebracht, wenn es um Sparmaßnahmen im Gesundheitswesen geht”, erinnerte Alexander Herzog, Generalsekretär des Verbands der pharmazeutischen Industrie Österreichs (Pharmig), der sich ebenfalls gegen die Lösung ausspricht. „Aber man erreicht damit weder, dass das Gesundheitssystem effizienter, noch dass es sicherer wird”, warnte er. Gerade jetzt, mit der hohen Inflation, würden die pharmazeutischen Unternehmen ohnehin bereits hart dafür kämpfen, die Versorgung mit ihren Produkten weiter aufrechterhalten zu können. Rauch betonte, zur Reduktion von Arzneimittelpreisen eine gemeinsame europäische Beschaffung zumindest im Bereich hochpreisiger Medikamente anzustreben.

Sorge um Therapietreue

Abgesehen davon hätten auch Patientinnen und Patienten das Nachsehen, speziell jene, die über einen längeren Zeitraum medikamentös behandelt werden, fürchtet Herzog: „Denn bei der Wirkstoffverschreibung besteht die Gefahr, dass ihnen bei jedem Gang in die Apotheke ein anderes Präparat, das sich für den Apotheker gerade als wirtschaftlich attraktivstes zeigt, ausgehändigt wird. Das bewirkt Unsicherheit und Verwirrung. Die Therapietreue wird damit sicherlich nicht gestärkt.”

Ähnlich argumentiert die Ärztekammer: Wirkstoffverschreibung werde, betonten Steinhart und Wutscher, das Risiko von Fehl- oder Mehrfacheinnahmen erhöhen und sich negativ auf die Compliance bei der Medikamenteneinnahme an sich auswirken.
Zudem werde Ärzten durch eine Wirkstoffverschreibung die Hoheit über die Entscheidung über die passende Therapie, die sie in der Regel in Abstimmung mit ihren Patienten festlegen, entzogen. „Immer sprechen alle davon, die Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt zu stellen”, ist Herzog überzeugt. Ob sich die Entwicklung also durchsetzen wird, werden die kommenden Wochen zeigen.

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