••• Von Britta Biron
SALZBURG. Der Ausbruch des Konflikts zwischen Russland und der Ukraine und das darauf folgende Export-Embargo haben viele Industriebereiche hart getroffen. Laut Angaben des Fachverbands Maschinen und Metallwaren müsse man für heuer mit einem Exportminus von 500 Mio. € rechnen. Mittlerweile scheint Russland in der Liste der 10 wichtigsten Exportländer nicht mehr auf.
Die Russlandexporte der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer sind zwischen Jänner und Mai um 30% zurückgegangen.
Besserung ist in absehbarer Zeit nicht in Sicht. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) erwartet für heuer ein Minus von 4,5%. Der schwache Rubel und die hohen Zinsen in Verbindung mit bürokratischen Hürden machen Importe für russische Unternehmen teuer. Die Investitionslaune der Industrie sinkt weiter – von minus 3,6% im ersten Quartal auf minus 7,1% im Juni. Und sinkende Einnahmen wegen des niedrigen Ölpreises zwingen auch den Staat zum Sparen. So wurde etwa das Budget für die Fußball-WM 2018 um 10% und für den Straßentiefbau um 25% gekürzt.
Um die heimischen Betriebe zu stärken, hat die Regierung Anfang April ein Programm zur Importsubstitution gestartet, mit dem die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten (besonders von jenen aus Ländern mit Wirtschaftssanktionen gegen Russland) deutlich gesenkt werden soll.
Dazu hat das Russische Industrie- und Handelsministerium bereits Listen veröffentlicht, auf denen penibel und für die unterschiedlichen Branchen die bisherigen sowie mögliche alternative in- und ausländische Lieferanten angeführt sind.
Insgesamt 800 Produkte – von der Medizintechnik bis zum Traktor – sollen dem Plan zufolge künftig im Land hergestellt werden.
Beim österreichischen Kranhersteller Palfinger darf man diese Entwicklung relativ gelassen sehen. Denn die Russland-Strategie basiert darauf, vor Ort zu produzieren. Und dieses Konzept zahlt sich jetzt besonders aus, wie auch die Halbjahreszahlen beweisen.
„In Russland bzw. der GUS konnten wir trotz der Wirtschaftssanktionen und der Rubelschwäche den Umsatz steigern und den Marktanteil erhöhen”, so Palfinger-Vorstand Herbert Ortner. Zwar habe man auch einen Rückgang im Export verzeichnen müssen, dieser konnte aber durch der Absatz der lokal produzierten Produkte mehr als kompensiert werden.
Starke Marktposition
Mittlerweile ist Russland nach den USA (hier fiel das Umsatzplus im 1. Halbjahr mit 40% besonders üppig aus) und Deutschland der wichtigste Markt für den Kranhersteller, und entsprechend wird auch die Expansion vorangetrieben.
Im März wurde der operative Betrieb der Joint Venture-Unternehmen, die mit dem führenden russischen Lkw-Produzenten Kamaz gegründeten wurden, aufgenommen. In einem Werk werden Lkw-Aufbauten hergestellt und Nutzfahrzeuge mit Kranen, Hooklifts und anderen Hebesystemen ausgestattet, im anderen werden Hydraulikzylinder produziert.
Seit Ende Juli läuft auch – wie geplant – der Betrieb im neuen Werk in Ischimbai (in der Republik Baschkortostan des 2011 übernommenen Kranherstellers Inman (Ischimbajskie Neftianiye Manipuliatory). Insgesamt 15 Mio. € wurden in den Bau und den Maschinenpark investiert.
Seit der Übernahme hat Palfinger-Inman seine Jahresproduktion von 1.000 Einheiten auf 1.200 gesteigert. Zu den Kunden zählen vor allem Unternehmen der Öl- und Gasindustrie sowie staatliche Unternehmen und das Militär.
Mit den beiden Werken der im Vorjahr übernommenen PM-Group Lifting Machines verfügt Palfinger jetzt über insgesamt fünf Produktionsstätten in Russland, die, sobald die russische Wirtschaft ihr Vorkrisenniveau wieder erreicht hat, gemeinsam ein Umsatzpotenzial von rund 300 Mio. € haben.
Aktuell liegt man bei rund 100 Mio. €, was, so Ortner, einen Rekordwert darstellt. Besonders auch angesichts der schlechten Wirtschaftslage – allein im Vorjahr hat sich das Marktvolumen für Lkw-Kräne in Russland auf etwa 2.000 Stück halbiert.
Wenig Mitbewerb
Zwar hat der Palfinger-Chef die Sanktionen der EU gegen Russland immer scharf kritisiert und sie als kontraproduktiv für die europäische Wirtschaft bezeichnet, er räumt aber auch ein, dass die eigenen Russlandaktivitäten davon durchaus profitiert haben.
Schließlich haben sich die Mitbewerber aus dem Westen fast vollständig aus dem Markt zurückziehen müssen, da die aufgrund des schwachen Rubels notwendigen Preissteigerungen von bis zu 40% jede Aussicht auf Aufträge zunichtegemacht hat. Der Preisnachteil, den Palfinger durch importierte Komponenten habe, liegt dagegen nur bei etwa fünf Prozent.
Marktkonform
Dass die russischen Palfinger-Krane bei den Kunden gut ankommen, liegt auch daran, dass sie den lokalen Anforderungen entsprechen. Und diese unterscheiden sich zum Teil grundlegend von jenen in anderen Märkten, wo die Salzburger vor allem mit innovativer Technik punkten können. In Russland lautet die Devise „Einfach und robust”.
Elektronik ist nicht gefragt – einerseits wegen des berüchtigten russischen Winters, andererseits, weil aufgrund der Größe des Landes zahlreiche Kunden Hunderte Kilometer vom nächsten Händler entfernt sind und die Reparaturen an ihrem Kran zur Not selbst durchführen müssen.