Wien. Der Wunsch, sich zu schmücken, ist tief im Menschen verankert. Zahllose archäologische Funde zeigen das und dazu auch ein jahrtausendelanger Überblick darüber, was zu welcher Zeit als schön, wertvoll und trendig angesehen wurde. Auch interessante Rückschlüsse auf die Stellung eines Menschen innerhalb seiner sozialen Gruppe lassen sich aus den historischen Fundstücken ziehen.
Dabei zeigt sich, dass Schmuck über lange Zeit in erster Linie ein maskulines Thema war. Zähne und Klauen eines Raubtiers, die gut sichtbar um den Hals getragen wurden, zeichneten den steinzeitlichen Mann als geschickten Jäger aus, Gold und Juwelen symbolisierten Reichtum und Macht von Königen und Kirchenfürsten.
Mit dem Aufkommen des Bürgertums kam opulenter Schmuck für Männer aber immer mehr aus der Mode, und bis ins späte 20. Jahrhundert waren Ehering, Krawattennadel und Manschettenknöpfe das einzige dekorative Beiwerk, das Männern zugestanden wurde. Wer trotzdem Ohrring, Armband oder Halskette trug, tat dies, um sich bewusst als Outlaw oder Nonkonformist – wie etwa Rocker, Zuhälter oder Hippies – zu präsentieren.
Schmucke Emanzipation
Ab den 1980er-Jahren wurden die Grenzen zwischen den Geschlechtern immer durchlässiger. Trends wie unisex oder metrosexuell kamen auf – nicht nur in der Mode, sondern auch bei den Accessoires. Während sich die Herrenhandtasche trotz etlicher Versuche bis heute nicht wirklich durchsetzen konnte, gelang das dem Schmuck dagegen sehr gut.
„Ich sehe immer mehr Männer, die Schmuck tragen. Vor allem Armbänder sind bei jungen und junggebliebenen Herren beliebt”, weiß Juwelier Anton Heldwein, der in seinem Geschäft am Wiener Graben eine schöne Auswahl maskuliner Pretiosen bietet.
Echte Klassiker sind die Manschettenknöpfe aus dem eigenen Atelier, die es in verschiedenen Formen, in Sterlingsilber oder Gold und auch mit Diamanten oder Farbedelsteinen besetzt gibt. Seit 2012 fertigt Heldwein eigens für das Jungherrenkomitee des Wiener Opernballs ein Sondermodell aus Sterlingsilber und Perlmutt, das in limitierter Auflage auch im Geschäft erhältlich ist.
Vorbildfunktion
Heldwein verkauft aber nicht nur gern Herrenschmuck: „Seit einem Jahr trage ich immer wieder meine Tukan-Brosche von Vhernier”, verrät er – eine unkonventionelle Wahl, die Vorbildfunktion hat und von der Umgebung sehr positiv aufgenommen wird. „Seit ich die Brosche trage, werde ich immer wieder auf Schmuck für Männer angesprochen und auch meine Frau findet, dass sie mir sehr gut steht.”
Über die Gründe, warum seine Geschlechtsgenossen Schmuck immer öfter auch für sich selbst kaufen, kann er nur spekulieren: „Damen mögen es, wenn ihre Männer gut aussehen und dazu gehört eben auch etwas Schmuck.”
Vielleicht war es nach Jahrzehnten der Ebbe in den männlichen Schmuckschatullen einfach wieder Zeit für ein wenig mehr Glanz. Und vielen Marken, bestrebt, jeden sich abzeichnenden Trend in entsprechende Produkte umzumünzen, hat das – wenig überraschend – auch beim Thema Herrenschmuck getan.
Leo Wittwer, eine deutsche Manufaktur von exklusivem Gold- und Diamantschmuck, startete 1992 mit der genderneutralen Crosses-Serie, und seit 2013 hat man mit Leo Homme auch eine eigene Herrenlinie mit Solitärringen, Armreifen, Ketten und Manschettenknöpfen im Programm.
Um schmucke Accessoires für Herren hat auch Montblanc sein Sortiment in den letzten Jahren ergänzt. Das Design der Armbänder, Manschettenknöpfe und Krawattenklammern ist auf jenes der Schreibgeräte und Uhren abgestimmt – praktisch für Herren, die bei der Auswahl ihrer ersten Schmuckstücke vielleicht noch etwas unsicher sind.
Die zunehmend positive Einstellung der Männerwelt zu Schmuck liegt nach Meinung von Oliver Gössler, Geschäftsführer von Montblanc Deutschland & Österreich, weniger in der Frage jung oder alt, sondern im allgemeinen Wertewandel begründet: „Der aktuelle Trend von traditionell-förmlich zu casual hat großen Einfluss auf alle Generationen. Manschettenknöpfe zum Beispiel werden nicht mehr nur zu festlichen Anlässen oder im Geschäftsleben getragen, sondern als modisches Accessoire auch in der Freizeit. Andererseits können Armbänder und Ringe problemlos zum Businessanzug getragen werden. Aus meiner Sicht haben Männer heute allgemein mehr Möglichkeiten, ihren persönlichen Stil zu unterstreichen.”