Linz/Hartberg. Gut (aus)sehen liegt weltweit im Trend. Laut einem vor Kurzem publizierten Bericht des New Yorker Marktforschungsunternehmens Zion Research erreichte der globale Eyewear-Markt im Vorjahr 97,7 Mrd. Euro und wird bis 2023 auf ein Volumen von 153,3 Mrd. anwachsen. Auch andere Analysen, wie z.B. von Euromonitor, zeigen – wenn auch mit leicht divergierenden Zahlen – ein ähnliches Bild.
Wichtigste Treiber sind der demografische Wandel – ein steigender Anteil älterer Personen erhöht quasi automatisch die potenzielle Kundschaft der Brillenhersteller – sowie ein insgesamt wachendes Qualitäts- und Modebewusstsein.
Neue Strategien
Kein Wunder also, dass die Brille bei den Luxus- und Fashionmarken verstärkt in den Fokus rückt. Von Armani bis Zegna hat praktisch jede Nobelbrand Brillen im Sortiment. Den großen Reibach hatten damit aber vor allem die Lizenznehmer wie Luxottica, Safilo oder Marcolin gemacht. Mittlerweile haben sich allerdings die Spielregeln geändert.
Der Kering-Konzern hatte bereits 2014 gemeinsam mit dem ehemaligen Safilo-Manager Roberto Vedovotto die Kering Eyewear als eigenständiges Unternehmen gegründet. In der Folge ließ man alle Lizenzen auslaufen bzw. hat sich vorzeitig aus den Verträgen herausgekauft und konnte im Vorjahr – da war bereits Cartier als erste externe Marke zum Portfolio gestoßen – einen Umsatz von 352 Mio. Euro verzeichnen.
Independent Brands
Auch der LVMH-Konzern wollte mehr Kontrolle über die Brillen seiner Marken und hat im Vorjahr mit dem italienischen Brillenhersteller Marcolin das Joint Venture Manifatture Thélios gegründet. Im April 2018 wurde das Werk in Logarone, dessen Kapazität bei 1,5 Millionen Brillen pro Jahr liegt, eröffnet. Céline, Loewe und Fred lassen hier bereits designen und fertigen, und auch wenn man darauf hinweist, dass die Marken weiterhin frei über ihre Brillenpartner entscheiden könnten, ist es recht wahrscheinlich, dass sukzessive die anderen LVMH-Brands wie Louis Vuitton, Fendi, Dior oder Bulgari zur hauseigenen Brillen-Tochter wechseln werden.
Neben Kering Eyewear und Thélios drängen sich auch immer mehr junge Designbrands in den Blickpunkt der Brillenkäufer. Welche sich langfristig etablieren können, wird sich zeigen.
Zu denen, die es bereits geschafft haben, zählt Andy Wolf aus dem oststeirischen Hartberg: 2006 starteten Andreas Pirkheim, Wolfgang Scheucher und Katharina Platter (verh. Schlager) mit gerade einmal einer Handvoll Modellen und großen Ambitionen, heute bietet man ein umfangreiches Sortiment an Korrektur- und Sonnenbrillen, ist in fast 70 Ländern weltweit vertreten und zählt zu den coolen It-Brands.
„Wir haben seit der Gründung hart daran gearbeitet, Brillen als angesagtes Fashion-Accessoire zu etablieren. Ich habe Brillen schon immer als eine Ergänzung zum gesamten Look gesehen, als Teil der Persönlichkeit”, sagt CEO und Chefdesignerin Katharine Schlager. „Daher haben wir uns auch von Anfang an bewusst entschieden, kein Logo außen an den Brillen zu platzieren. Im Vordergrund steht die Persönlichkeit, was in Zeiten der Individualisierung auch in der Brille zum Ausdruck kommt. Dass hierbei auch Sehbrillen als stilvolles Accessoire gesehen werden, haben wir bei den diesjährigen Oscars gemerkt; hier hat die Schauspielerin Lupita Nyong’o unsere Cateye-Brille 5082 getragen – daraufhin hat sie sehr positive Presse und Zuspruch aus der Gesellschaft bekommen, und in den Sozialen Medien gab es sogar den Hashtag #lupitasglasses.”
Auch andere VIPs wie zum Beispiel Bella und Gigi Hadid, Rihanna oder Cate Blanchett greifen gern zu Andy Wolf. Das macht die speziellen Designs für immer mehr Konsumenten und damit auch Händler attraktiv. „Wir konnten mit unseren Sonnenbrillen mittlerweile internationale Luxus-Stores wie Opening Ceremony, The Store, Saks Fifth Avenue, Moda Operandi, Matches oder – ganz neu – auch Net-a-Porter gewinnen”, freut sich Schlager.
Anspruchsvolle Kunden
Neben dem modischen Chic sei auch die Produktion in den eigenen europäischen Manufakturen ein wichtiger Erfolgsfaktor. Neben der Fertigung in Hartberg hat man seit 2016 auch ein auf Metallgestelle spezialisiertes Werk in Frankreich.
„Dem Konsumenten ist in der heutigen Zeit besonders wichtig, wie und unter welchen Arbeitsbedingungen ein Produkt hergestellt wird”, sagt Schlager und weist stolz auf das neue Headquarter in Hartberg hin, das kürzlich eröffnet wurde. „Hier befinden sich das Designatelier, die Verwaltung, eine Produktion für Kleinstserien, die Sonnenbrillenverglasung sowie erstmals auch ein Showroom.”
Zu den fixen Größen im internationalen Brillenbusiness zählt mit Silhouette noch ein weiteres heimisches Unternehmen. Für weltweite Bekanntheit und eine wachsende Fangemeinde, zu der seit Langem auch die britische Königin Elizabeth II. zählt, haben es die Linzer mit besonders leichten Brillen, wie der legendären, nur 1,8 Gramm „schweren” Titan Minimal Art gebracht.
Zudem entwickelt und fertigt Silhouette seit dem Vorjahr in einem neuen Werk in Linz auch die Brillengläser selbst. Gut 10 Mio. Euro hat sich das Unternehmen den Schritt vom reinen Fassungshersteller zum Brillen-Komplettanbieter kosten lassen.
Die neuen Luxushersteller sowie auch die Elefantenhochzeit zwischen den beiden Weltmarktführern bei Fassungen und Brillengläsern, Luxottica und Essilor, für die die Wettbewerbsbehörden in Europa, den USA, Kanada und Brasilien bereits grünes Licht gegeben haben, sieht man, ebenso wie Andy Wolf, recht entspannt.
„Daraus ergeben sich Veränderungen vor allem für die großen Kettenbetriebe. Unsere Kunden sind in erster Linie die unabhängigen, mittelständischen, inhabergeführten Optiker. Diese sehen die Marktdominanz der Konzerne kritisch und versuchen, ihnen so weit es geht auszuweichen”, erklärt Österreich-Geschäftsführer Hannes Pürmayr.
Individualität statt Logo
Darüber hinaus spielt den Linzern neben der insgesamt positiven Entwicklung am Brillenmarkt derzeit der Trend zu kleineren Modellen, vor allem aus Metall, in die Karten. Zudem könne man auch in Sachen Nachhaltigkeit durch die Produktion in Europa und den Werkstoff naturalPX, ein Polyamid mit 65 Prozent pflanzlichem Anteil, auch beim Thema Nachhaltigkeit punkten, auf das die Kunden zunehmend Wert legen.
Mit der 2016 gelaunchten Atelier-Serie, deren Metallteile aus 18karätigem Gold gefertigt werden und bei denen manche Modelle zusätzlich auch noch mit Diamanten und Edelsteinen besetzt sind – alles per Hand und nach Maß –, ist man auch in das absolute Topsegment vorgestoßen – mit Erfolg.
Highend aus Österreich
„Wir sind bewusst sehr selektiv am Markt vertreten. Wir bieten Silhouette Atelier in knapp 50 Ländern der Welt an. Die stärksten Märkte in Europa sind die Benelux-Länder sowie die Schweiz, weltweit vor allem der Ferne und Mittlere Osten und Russland”, erklärt Pürmayr.
Mit der Tochter Neubau Eyewear bedient Silhouette seit 2016 auch eine jüngere und trendaffine Zielgruppe. Jüngster Neuzugang im Sortiment sind vier Modelle, die in einem eigens entwickelten 3D-Druckverfahren hergestellt werden.
„Der Einsatz dieser Technik ist vor allem auch eine Frage der Menge. Bei großen Stückzahlen macht 3D-Druck keinen Sinn. Bei kleineren Auflagen für Nischenprodukte ist es durchaus eine Variante”, so Pürmayr weiter. Maßbrillen aus dem 3D-Drucker seien derzeit vor allem ein Thema, um Aufmerksamkeit zu wecken, Bedeutung am Markt hätten sie kaum.
Blick in die Zukunft
Insgesamt kann man davon ausgehen, dass der Brillenmarkt künftig spannender und von deutlich mehr Konkurrenz geprägt sein wird als in der Vergangenheit. Das merken zum Teil schon einige Big Player. Safilo machte im Vorjahr vor allem der Wegfall der Gucci-Lizenz sowie eine problematische IT-Umstellung zu schaffen. Der Umsatz sank um 16,4 Prozent auf 1,047 Mrd. Euro und unterm Strich stand ein Verlust von 47,07 Mio. Euro; 2016 hatte man noch einen Gewinn von 13,37 Mio. Euro erwirtschaftet.
Schwach ins Jahr 2018 gestartet ist der Branchenriese Luxottica. Der Umsatz im 1. Quartal lag mit 2,14 Mrd. Euro um fast elf Prozent unter jenem der Vorjahresperiode, Fusionspartner Essilor verzeichnete im selben Zeitraum ein Minus von knapp sechs Prozent auf 1,83 Mrd. Euro; Konzernchef Leonardo del Vecchio macht dafür neben den internen Umstrukturierungen im Zuge des Zusammenschlusses vor allem das schlechte Wetter in Europa und die damit verspätete Sommersaison verantwortlich. Insgesamt rechnet er für heuer mit einem Plus von vier Prozent.