WIEN. Georg H. Jeitler, aus diversen Korruptionscausen bekannter Sachverständiger, äußert scharfe Kritik an der heute endenden Ausschreibung des Rechnungshofes zur Plausibilisierung der Wahlwerbungsausgaben.
Die Ausschreibung beruht auf § 11a des Parteiengesetzes, in dem eine Analyse der Wahlkämpfe der wahlwerbenden Parteien samt Plausibilisierung der Einhaltung der gesetzlichen Wahlkampfkostengrenze durch drei Sachverständige vorgesehen ist. Vom Rechnungshof wurden nun im Wege der Bundesbeschaffung die Analysen zu den kommenden zwei Wahlen – der Europawahl und der Nationalratswahl – gemeinsam ausgeschrieben.
Laut Jeitler zwinge eine in der Ausschreibung offenbar willkürlich festgelegte Budgetobergrenze von ca. EUR 50.000 je Wahlkampf die anbietenden Sachverständigen de facto zu einem unseriösen Vorgehen. Im Fall der Nationalratswahl sei z.B. über etwa 12 Wochen hinweg eine umfassende tägliche Analyse der Wahlkämpfe gleichzeitig auf Bundesebene, 9-mal auf Landesebene sowie für 39 Regionalwahlkreise durchzuführen. Dies betreffe nicht nur eine noch nicht feststehende Zahl an wahlwerbenden Parteien, sondern auch nahestehende Organisationen, Personenkomitees und hunderte Einzelkandidaten, durch welche allesamt eine Vielzahl eigener Maßnahmen auf unterschiedlichsten Medienkanälen gesetzt werde. Die Parteien trifft hierbei gegenüber den Sachverständigen keinerlei Auskunftspflicht.
„Wahlkämpfe finden zu einem großen Teil abseits der klassischen Medien statt und entziehen sich daher in vielen Bereichen standardisierten Analysemethoden. Mit dem vorgegebenen Budget ist nur ein völlig unseriöser educated guess möglich“, so Jeitler.
In der Ausschreibung wird explizit gefordert, dass neben Werbemaßnahmen in klassischen Medien auch Kosten für „verdeckte“ Maßnahmen wie z.B. für zusätzliches Personal, Wahlveranstaltungen, Postwurfsendungen, Werbegeschenke, Kommunikationsdienstleister, Meinungsforscher oder Werbung im Internet berücksichtigt werden. „Durch die Regionalität österreichischer Wahlkämpfe kann nichts hochgerechnet werden und es ist eine umfassende Beobachtung mit individuellen Erhebungen notwendig. Dies benötigt zahlreiche Hilfskräfte und tausende Arbeitsstunden, teils auch abends und an Wochenenden mit zehntausenden Einzelergebnissen, die verbunden, interpretiert und bewertet werden müssen“, so Jeitler. Das vorgegebene Budget ermögliche auch keine seriöse indikative Erhebung, dies nicht zuletzt, da aus diesem auch sämtliche Kosten für Hilfskräfte und zugekaufte Analysen und Daten zu decken seien.
„Bereits die gesetzliche Bestimmung ist als fachlich undurchdacht und überarbeitungsbedürftig anzusehen“, so Jeitler. Die aktuelle Ausschreibung verschärfe die Situation ohne Notwendigkeit und führe dazu, dass anbietende Sachverständige ein ohnehin schon forderndes Vorgehen unvollständig ausgestalten müssten, was wiederum mit den Standesregeln für Gerichtssachverständige, denen eine Vielzahl der qualifizierten potenziellen Bieter unterliege, schwer in Einklang zu bringen sei. Die Ausschreibung in der derzeitigen Form führe schlussendlich dazu, dass dem Rechnungshof tatsächlich taugliche Analysekonzepte gar nicht zur Verfügung stünden, da Bieter über der Budgetgrenze zwingend auszuscheiden seien. Vernünftiger sei es, eine Ausschreibung ohne künstliche Beschränkungen vorzunehmen, um anschließend eine informierte Entscheidung - gegebenenfalls dann auch aus Kostenüberlegungen explizit für methodisch eingeschränkte Vorgehensweisen - treffen zu können.
„Im Vergabeverfahren wurden durch die Bieter explizit Fragen gestellt, die aufzeigen, dass hier fachlich problematische Vorgehensweisen erzwungen werden und Korrekturbedarf herrscht“, so Jeitler, „Es ist völlig unverständlich, wieso die Ausschreibung trotz dieser Hinweise der Experten nicht nachgebessert wird und in der Fragebeantwortung stur am verfolgten Vorgehen festgehalten wird. Ich stand in den letzten Tagen mit mehreren hochqualifizierten Kollegen in Kontakt, die allesamt - wie auch wir - aufgrund der Rahmenbedingungen von einer Angebotslegung absehen werden. Sachverständige müssen frei in der Wahl ihres Befundvorgehens sein. Das ist hier nicht ausreichend möglich.“
„Das Vorgehen in der Ausschreibung schadet dem Ziel einer transparenten und fachlich kompetenten Analyse der Wahlkampfkosten. Dies, obwohl Vorgespräche mit potenziellen Bietern geführt wurden, in denen auf die Rahmenbedingungen für ein seriöses Vorgehen hingewiesen wurde“, so Jeitler abschließend.
Georg H. Jeitler BA MBA CMC ist allgemein beeideter und gerichtlich zertifizierter Sachverständiger für diverse Wirtschafts- und Kommunikationsgebiete, Medienwesen und Urheberfragen, als Delegierter im Hauptverband der Gerichtssachverständigen in der Standesvertretung für Sachverständige tätig und Partner im Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsunternehmen Grant Thornton Austria, wo er als Geschäftsführer den Bereich Forensic Services verantwortet.