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APA Georg Hochmuth

Die Vorsitzenden des VÖP, unter anderem Ernst Swoboda, KroneHit, sprechen sich gegen eine Erhöhung der ORF-Gebühren aus.

Redaktion 30.11.2016

Der VÖP, der ORF und das Programmentgelt

Von einer Stellungnahme zur nächsten.

WIEN. Am Dienstag legten die Vorsitzenden des VÖP, Ernst Swoboda, KroneHit, Markus Breitenecker, Puls 4, und VÖP-Geschäftsführerin Corinna Drumm dar, weshalb eine Erhöhung der GIS-Gebühren aus Sicht des VÖP weder notwendig noch gerechtfertigt sei. Dies geschah in Anbetracht eines zu erwartenden Antrags der ORF-Geschäftsführung auf Erhöhung des Programmentgelts.

Das wichtigste Entscheidungskriterium des ORF-Stiftungsrats im Hinblick auf die Höhe des Programmentgelts sei, dass der öffentlich-rechtliche Auftrag unter Zugrundelegung einer sparsamen, wirtschaftlichen und zweckmäßigen Verwaltung erfüllt wird. Doch schon in Bezug auf den Erfüllungsgrad des öffentlich-rechtlichen Auftrags bestünden berechtigte Zweifel, so Swoboda, und zudem würden vorhandene Einsparungspotenziale offenbar nicht genügend berücksichtigt.

Hinterfragt wurden die letzte Finanzvorschau der ORF-Geschäftsführung (Ende 2015), etwa im Hinblick auf Personalkosten, Finanzerfolg und Abschreibungen. Außerdem wurde eine Analyse der relativen Kosten je Programmkategorie, d.h. der TV-Budgets für die Bereiche Information, Kultur, Unterhaltung und Sport in Relation zur Sendedauer dieser Kategorien in den ORF-Hauptprogrammen laut ORF-Jahresberichten. Hier zeige sich, dass Informationsinhalte mit durchschnittlich rund 18 T€ das am günstigsten zu produzierende Programm sind. Unterhaltung (29 T€ pro Stunde) ist im Schnitt um die Hälfte teurer, während Sport (ca. 100 T€ pro Stunde) sogar circa fünfmal so teuer ist wie Information. Eine Änderung der Programmstruktur von ORF eins und ORF 2, bei der Unterhaltungs- und Sport-Inhalte durch Information und Kultur ersetzt werden, hätte somit – abgesehen von einer Verbesserung der Public-Value-Bilanz – auch den positiven Effekt, die Programmkosten des ORF zu senken, heißt es beim VÖP.

Einsparungen wären leicht umzusetzen, um ein Budgetdefizit abzudecken. Auch die Qualität des ORF-Programms wurde unter die Lupe genommen. Laut dem VÖP ist der Unterhaltungsanteil in den einzelnen ORF-Bereichen angestiegen, und anspruchsvolle Sendungen im TV-Abendprogramm stark rückläufig. Ebenso rückläufig sei der Anteil europäischer, einschließlich österreichischer, Inhalte im ORF-TV – insbesondere in ORF eins, wo 2015 mehr als zwei Drittel des Contents außerhalb Europas produziert wurden. Aus Sicht des VÖP solle der Antrag auf Gebührenerhöhung daher abgelehnt und das Programmentgelt entweder gesenkt oder zumindest auf dem derzeitigen Niveau beibehalten werden.

Der ORF reagierte auf die Vorwürfe und erklärte, die Zuständigkeit für die Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Österreich und seine Kontrolle lägen beim ORF-Stiftungsrat und der unabhängigen Medienbehörde KommAustria und nicht beim VÖP. Ferndiagnosen zu den ORF-Finanzen von "unzuständigen und selbsternannten Experten" wie dem ehemaligen Roaming-Lobbyisten Alexander Zuser auf Basis "mangelhafter Unterlagen" würden sich jeglicher faktischer Grundlage entbehren und seien als ein Lobbying-Papier der größten TV-Konzerne Europas zu werten, um die Kolonialisierung des österreichischen Medienmarkts weiter voranzutreiben.

Die Behauptung, der VÖP sei ein Lobbyverband deutscher Sender, wies der VÖP zurück: "Vier von insgesamt 17 TV-Mitgliedern sind Fenstersender. In Bezug auf die gesamte Mitgliederbasis des VÖP kommen deutschen Fenstersendern sogar nur 10% der im VÖP vertretenen Stimmrechtsanteile zu. Die Realitätsferne des ORF zeigt sich im Übrigen auch an der vom ORF unseriös in den Raum gestellten Zahl von 570 Mio. Euro, die sich auf Mediabrutto-Zahlen bezieht; die um ein Vielfaches geringeren Nettoumsätze werden zum größten Teil in den österreichischen Produktionsstandort investiert. Tatsächlich zahlt der ORF eine weitaus höhere Summe für Rechte und Lizenzen ins Ausland."

Der ORF erklärte außerdem, man habe nie behauptet, es gebe eine "Finanzierungslücke". In einer neuerlichen Aussendung bezieht sich der VÖP hier auf einen Bericht des "Standard", in welchem von der notwendigen "Schließung der verbleibenden Lücke" die Rede ist. Der ORF stellte zusätzlich fest, man würde kein Gebührengeld für den Erwerb ausländischer Produktionen - ob Fiction oder Sport - einsetzen; dies würde sich über kommerzielle Erlöse finanzieren. Die Gebührenmittel verwende der ORF ausschließlich entsprechend seines Auftrags für österreichische Information und Kultur, heimischen Sport, österreichische Unterhaltung und seine Regionalprogramme, "was der VÖP ja implizit bestätigt".

Auch hierauf reagierte der VÖP: "Unrichtig ist weiters, dass der ORF kein Gebührengeld für den Erwerb ausländischer Produktionen – ob Fiction oder Sport – einsetze, sondern diese ausschließlich über kommerzielle Erlöse finanziere: Aufgrund des für den ORF geltenden Nettokostenprinzips müssen alle kommerziellen Erlöse gegen den Aufwand für die Erfüllung des Programmauftrags gerechnet werden; das verbleibende Delta muss mit Programmentgelt (-Erhöhungen) finanziert werden. Konkret bezogen z.B. auf die Rechte für die „Champions League“ muss davon ausgegangen werden, dass die vom ORF bezahlten Lizenzkosten deutlich über den Erlöserwartungen aus der Vermarktung dieser Rechte liegen und somit hier also sehr wohl Gebührenmittel verwendet werden." Man solle den Abfluss von ORF-Geldern ins Ausland auf ein vertretbares Maß reduzieren.

Der ORF bezog sich in seiner Stellungnahme auch auf Marktanteile und Reichweiten und erklärte, diese würden zeigen, dass die ORF-Angebote die beliebtesten Programme des heimischen Publikums seien. 98% des Publikums würden jede Woche die ORF-Angebote nutzen. Im Fernsehen erreiche der ORF täglich 3,6 Mio. Österreicher, im Radio 4,7 Mio., und eine Mio. nutze den ORF täglich online.

Nun schaltete sich auch Marcin Kotlowski, Geschäftsführer von W24 im Besitz der stadteigenen Wien Holding, ein und erklärte gegenüber dem "Standard", man halte den Ton und die Art und Weise der Auseinandersetzung für nicht angebracht, weshalb man die Linie des VÖP nicht unterstütze. (red) 

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