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Dinko Fejzuli 19.04.2019

Die Kampagne ist nur ein Teil des großen Ganzen

Sebastian Bayer und Alexander Hofmann von VMLY&R über Brand Experience, Kreativität und den Neuanfang.

••• Von Dinko Fejzuli

Aus Y&R und VML wurde vor Kurzem VMLY&R. Und somit entwickelt sich auch die Kreativagentur aus Wien im Zuge des weltweiten Mergers mit ihrer Tochter-Agentur VML weiter und stellt in Zukunft Brand Experience in den Vordergrund.

In einer Presseaussendung der Agentur hieß es dazu kürzlich: „Das starke strategische Markenverständnis sowie die Kreativität von Y&R und die einzigartigen digitalen Kompetenzen von VML werden mit­einander verschmolzen, um Kunden Brand Experience-Lösungen auf einem neuen Level zu bieten.”
medianet nahm den Merger zum Anlass und traf Sebastian Bayer und Alexander Hofmann zum ausführlichen Interview.


medianet:
Herr Bayer, Herr Hofmann, was ist nun neu in der neuen Konstellation?
Sebastian Bayer: Was jetzt neu dazukommt, ist, dass wir sagen, die Kampagne kann zwar Teil vom Ganzen sein, aber Brand Experience ist das, worum es eigentlich geht.
Alexander Hofmann: VMLY&R Global sieht das auch nicht als Merger, sondern als neue Agentur. Man hat die Namen weiter verwendet, aber es ist eine neue Agentur. Da in dieser neuen Agentur sehr relevante Fähigkeiten – Markenstrategie und Brand Experience – zusammenkommen, hat man VML und Y&R nun zu einer Agentur verschmolzen. Man geht im WPP-Konzern davon aus, dass diese Kombination in Zukunft sehr großen Erfolg haben kann. VMLY&R hat durch die zukunftsorientierte Ausrichtung die Möglichkeit, die führende Agentur des ganzen Netzwerks zu sein.

medianet:
Sind Ressourcen aus dem Netzwerk durch die neue Konstellation verstärkt verfügbar?
Hofmann: VML-Expertise war schon davor für uns sehr gut verfügbar, aber sie ist jetzt noch besser in den Prozess integriert.
Bayer: Der Zugriff auf Spezialisten in die USA ist jetzt sicher noch einfacher für uns. Wir haben bisher viel mit den europäischen VML-Kollegen gearbeitet – VML Kansas City ist für uns nun aber ein weiterer spannender Sparringpartner. Dort wird seit Jahren mit großen Unternehmen zum Thema Brand Experience zusammengearbeitet. Das heißt für uns: Wir haben mit den Kollegen aus dem Netzwerk sicher Expertise, wie sie keine andere österreichische Agentur in dieser Form hat.

medianet: Und was ist jetzt neu?
Bayer: Y&R war immer eine sehr marken- und strategiefokussierte Agentur. Wir wandeln uns gerade zu einer – noch immer markenstrategisch sehr fundierten – Brand Experience-Agentur. Wir sind überzeugt, dass das Zeitalter der Kampagnenzentrierung – wie wir sie kannten – vorbei ist. Weil Kampagnen das Problem haben, dass sie anfangen und enden.
Hofmann: In Zukunft werden wir unseren Kunden sehr gezielt dabei helfen, mit ihren Kunden eine sinnstiftende Beziehung aufzubauen. Also weg davon, dass die Kampagne dir als Kunde erklärt, dass das jeweilige Produkt ganz toll ist. Es geht darum, welche Beziehung der Kunde zur Marke an sich aufbauen kann.

medianet:
Und wieso war das bisher in dieser Form nicht möglich?
Bayer: Bisher ist es oft so, dass der Kunde der Agentur ein Briefing gibt, in das bestimmte Überlegungen eingeflossen sind. In zu wenigen Fällen orientieren sich diese Briefings aber an den echten Lebenswelten und -umständen der Menschen, die man erreichen will, sondern sind stark aus einer Produkt- oder Kommunikationsstrategie heraus gedacht. Da setzen wir an, definieren zwar nach wie vor die Strategie und Story der Marke, analysieren im Brand Experience-Modell für unsere Kunden aber auch die Consumer Journeys ihrer Kunden und entwickeln Kommunikationskonzepte, die in der Welt der Kunden etwas bewegen, die eine Beziehung der Marke zu den Menschen aufbauen lassen. So kommen wir in eine tiefere, effektivere Zusammenarbeit mit unseren Kunden, und die Business-Relevanz von Kommunikation wird vollkommen neu erkannt. Marketing wird vom Nice-to-have und der Bespaßung der Kunden zum wichtigen Business-Treiber. Und die Agentur nimmt eine ganz andere Rolle ein.

medianet: Also vor allem in Richtung Strategie?
Hofmann: Richtig. Agenturen werden heute oftmals sehr selten in die Strategie eines Unternehmens einbezogen, weil man ihnen gar nicht zutraut, dass sie einen guten Input dazu liefern können.
Bayer: Oft haben Marketingleiter das Gefühl, sie sitzen in einem dunklen Raum und mit jeder neuen Kampagne zünden sie in diesem dunklen Raum ein Zündholz an. Es wird dann kurz hell, das Zündholz verglimmt, und es wird wieder dunkel. Die nächste Kampagne ist wieder ein Zündholz, es wird hell und wieder dunkel. Kampagnen werden also sequenziell aneinandergereiht, hinterlassen in diesem Raum aber kein nachhaltiges Licht und kosten viel Geld.

medianet:
Und Brand Experience soll dazu beitragen, dass genau das passiert?
Bayer: Exakt. Brand Experience kommt nämlich von der anderen Seite. Es geht eben nicht nur um die richtige Kampagne, sondern darum, wie ich eine echte Beziehung zwischen Marke und Kunde aufbaue. Ein Schritt, den es dafür braucht, ist die Markenpositionierung: Wer bin ich überhaupt, warum gibt’s mich und was ist meine Geschichte. Das erarbeiten wir mit unseren Kunden im ersten Schritt. Das haben wir mit über 30 Kunden gemacht in den letzten Jahren, jeweils sehr weit vor der Umsetzung anzufangen und zu fragen, warum gibt es euch überhaupt. Und das wollen wir weitermachen.

medianet:
Können Sie uns ein konkretes Beispiel nennen, wo das schon funktioniert hat?
Hofmann: Ein Beispiel, wo das schon drinsteckt, ist unsere Zusammenarbeit mit dem Kunden Löffler Sports, wo wir vor einiger Zeit schon in strategischen Workshops die Markenpositionierung erarbeitet haben. Löffler konnte, noch bevor irgendeine Kampagne draußen beim Endkunden war, zwölf Prozent mehr an ihre Retailer reinverkaufen, nur weil ihr Vertrieb beim Handel die neue Geschichte der Marke erzählen konnte.

medianet:
Wie genau hat das ausgesehen, und was war die Story jetzt konkret bei Löffler Sports?
Bayer: Die Story ist, dass Löffler eine Sportartikel-Marke ist, die das Thema Nachhaltigkeit und verantwortungsvolles Wirtschaften sehr ernst nimmt. Das Unternehmen stellt einen großen Teil der Produkte am Standort in Ried und quasi alle Produkte in Europa her. Die Stoffe werden im Stammwerk selbst gestrickt – aus Grundstoffen, die nur wenige Kilometer entfernt ebenfalls nachhaltig hergestellt wurden. Wir haben diese Geschichte dann relevant für die Endkunden in Medien und am POS erzählt – zum Beispiel dadurch, dass wir maßgeschneidert für jedes Geschäft kommuniziert haben, in welcher Entfernung (nämlich in Ried im Innkreis) das jeweilige Produkt hergestellt wurde. Das hat dazu geführt, dass die Menschen mit den Verkäufern in ein Gespräch über das Thema kamen und so anfangen konnten, eine Beziehung zur Marke aufzubauen – das ist nur eines von vielen Beispielen, wie man eine Brand Experience herstellen kann.

medianet:
Und wenn wir jetzt in die Zukunft schauen – welche Auswirkungen hat dieser neue Zugang auf Ihre Arbeitsweise und welche Auswirkung hat es auf die Kampagne oder darf man Kampagne überhaupt noch sagen?
Hofmann: Also Kampagnen wird es natürlich weiterhin geben, sie sind nur nicht mehr der Kern, sondern Teil des Ganzen, ein Highlight, aber an sich nur noch ein Rad in dem ganzen Werk …

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