Gastbeitrag ••• Von Thomas Schwabl
WIEN. Während die Digitalisierung in vielen Branchen innerhalb weniger Jahre bestehende Geschäftsmodelle über den Haufen geworfen hat, verläuft dieser Prozess in der Markt- und Meinungsforschung vergleichsweise langsam, ruhig und wenig spektakulär.
Die erwartete Revolution blieb aus.
Online Research
Mag es an der überschaubaren Innovationsfreudigkeit der heimischen Institutslandschaft oder der behutsamen Methoden-Akzeptanz der Auftraggeber liegen, im Großen und Ganzen blieb ein Stein auf dem anderen.
Na klar, es gab eine markante Verschiebung in Richtung Online Research, traditionelle Befragungsformen erfreuen sich aber nach wie vor einer großen Beliebtheit. Rund zwei Jahrzehnte nach den ersten Web-Interviews wird immer noch fleißig telefonisch, persönlich und via paper&pencil die Meinung der Bevölkerung erfragt - ein Erdrutsch sieht sicherlich anders aus.
Big Data als Game Changer
Aktuell wird der nächste große Wurf eingeläutet, der die „gebeutelte” Research-Industrie abermals aus den Angeln heben soll. Big Data soll diesmal zum Game Changer werden und für die nächste Revolution verantwortlich zeichnen. Auch diese Entwicklung ist nicht von der Hand zu weisen, logisch begründbar und unaufhaltsam.
Im Gegensatz zur Befragung hat das Messen und Beobachten nämlich handfeste Vorteile. Und da sprechen wir nicht einmal noch von der Echtzeit-Verfügbarkeit oder den riesigen Mengen an Daten.
Schon allein die Art und Weise, wie diese Daten generiert werden, hat durchaus Charme. Während sozial erwünschtes Antwortverhalten bei Befragungen zu Verzerrungen führt, zeigt die Messung oder „versteckte” Beobachtung das tatsächliche Verhalten, abseits aller akzeptierten Normen und Werten.
Gute, alte Befragung
Was Big Data aber nicht leisten kann, ist die Identifikation von Motiven, Impulsgebern und Barrieren. Wir werden zwar Unmengen an Daten zu gesetzten Verhaltensweisen in Echtzeit produzieren und zur Verfügung haben, die dahinter liegenden Beweggründe bleiben aber im Dunklen. Hier bedarf es wieder der guten alten Befragung, die uns hilft, zu verstehen, was die Hintergründe für ein bestimmtes Verhalten sind. Ähnlich gestaltet es sich, wenn wir verstehen möchten, warum ein Verhalten nicht gesetzt wird. Danach müssen wir fragen.
Insofern wird auch die nächste Revolution wohl eher eine Evolution werden. Zwar wird die Erhebung in der Markt- und Meinungsforschung künftig an Bedeutung verlieren, gänzlich verschwinden wird sie in absehbarer Zeit aber nicht. Und der Bedarf an Interpretation bleibt ungebrochen hoch. Denn bei all dem Überfluss an Daten ist es stets die Handlungsempfehlung, die den Mehrwert liefert.