WIEN. Das Ende der Cookie-Ära naht, seit Google beschlossen hat, datenhungrige Marketer auf Keks-Diät zu setzen. Durch die Marktmacht des Browsers Chrome mit rund 70% Marktanteil wird der Cookie-Entzug an niemandem spurlos vorübergehen. Beim ersten „Digi Talk“ des Jahres diskutierten auf Einladung der größten Interessenvertretung der Digitalwirtschaft mit iab-austria-Vizepräsidentin Cosima Serban über den möglichen Qualitätsschub im Digitalmarketing Markus Lauscher (Cope Group), Alexander Much (Adobe), iab-austria-Präsident Markus Plank (Adverserve) und die iab-austria-Vorstandsmitglieder Markus Fallenböck (Donau Universität Krems) sowie Mathias Fanschek (Mörkel Austria).
„Im Zeitalter der Datensicherheit und des Cookieless-Trackings sind transparentere Datenstrategien nötig. Zwar ist der strategische Gedanke hinter der präzisen Ansprache und der detaillierten Vergleichbarkeit durch Tracking-Granularität immer noch sehr richtig, es bedarf nur einer anderen Umsetzung, die den neuen Rahmenbedingungen entspricht. Flexibilität, Höchstpräzision und Reaktionsschnelligkeit sind gefragter denn je. Nicht nur Tools und Strategien, auch die internen und externen Prozesse müssen optimiert werden“, leitet Serban in die Online-Diskussion ein.
„Die cookieless Future hat nicht erst begonnen, wir sind mitten drin. Die Ankündigung von Google hat nur wie ein Katalysator gewirkt. Für alle, die sich noch nicht mit dem Thema beschäftigen, wird es höchste Zeit. Wichtig ist es aber trotzdem, in Ruhe mit den eigenen Techanbietern zu sprechen beziehungsweise aus Publisher- oder Vermarktersicht auch die Kunden und Agenturen bei der Wahl der ID-Provider einzubeziehen. Es wird nicht nur die eine Lösung oder den einen Partner geben. Aus heutiger Sicht wird es ein Mix von verschiedenen Anbietern und Techniken sein“, führt Lauscher aus.
„Die Zukunft ist cookieless und verschafft Konsumenten wieder Macht über ihre Daten. Damit müssen Marken, Publisher und Agenturen umzugehen lernen. Unterschiedliche Herausforderungen müssen gemeistert werden: Es werden die richtigen Technologien benötigt, um eine sinnvolle Daten- und ID-Strategie umzusetzen und Consent einholen und konsolidieren zu können. Auf dieser technologischen Basis wird es nötig sein, Content und Angebote bereitzustellen, die den User auch seine Einwilligung geben lassen, um mit ihm personalisiert kommunizieren zu können. Marken und Agenturen müssen echten Mehrwert und Relevanz liefern. User entscheiden sich sehr bewusst, welchen Marken und Inhalten sie ihre E-Mail-Adresse und Zustimmung zur personalisierten Kommunikation geben“, blickt Fanschek in die Zukunft.
„Wer sich nicht jetzt mit Alternativen – also Prozessen, Technologien und Partnern – beschäftigt, könnte langfristig Schaden nehmen. Ich empfehle niemandem, darauf zu warten, was im April 2022 passiert. Wer sich noch nicht mit diesem Thema beschäftigt hat, sollte sich jetzt einen kompetenten Partner suchen. Gerade das Implementieren von alternativen Technologien in ein bestehendes Setup geht nicht von heute auf morgen“, mahnt Plank.
Third-Party-Data geht es an den Kragen
Bereits seit 2017 gibt es Bestrebungen, Third-Party-Cookies zu verhindern. Im Jänner 2021 gab nach Google auch Apple ein entsprechendes Vorhaben bekannt, wodurch die Zukunft durch Opt-in-Consent gekennzeichnet sein wird. Die „Walled Gardens“ von Facebook, Google und Amazon werden durch diesen Vorstoß weiter wachsen. Für den Login auf der eigenen Website werden Anbieter künftig einen deutlichen Mehrwert wie Kundenbindungsprogramme bieten müssen. Die Bedeutung von E-Mails wird wieder zunehmen, weil sie die direkte Kommunikation mit den Endkunden ermöglichen und detailliert auswertbar sind. Der Wert von Second-Party-Data wird steigen, da sie die Third-Party-Data ersetzen werden. Für den Datenaustausch werden sogenannte Clean Rooms erforderlich sein, um den rechtlichen Erfordernissen zu entsprechen. Darin können Marken und Publisher unter einheitlichen Standards Daten austauschen, um ihre Zielgruppe anzusprechen.
Kein juristischer Generalverdacht
„Digitale Werbung bleibt die wichtigste Einnahmequelle zur Finanzierung der freien und vielfältigen Presse und Medien in Europa. Sie macht 81 Prozent der digitalen Medieneinnahmen in der Union aus und ermöglicht den Bürgern den Zugang zu vertrauenswürdigen und hochwertigen Inhalten und Diensten. Digitale Werbung ist bereits jetzt intensiv geregelt, sodass in der EU ein hoher Datenschutz besteht. Zudem gibt es für den Einsatz nicht technisch erforderlicher Cookies eine Opt-in Lösung, die ein akzeptierter Marktstandard ist. Das iab austria setzt sich gegen weitere Verschärfungen dieser Regeln ein. Alles andere gefährdet die Existenz – vor allem von Gratis-Medien. Das ist nicht im Interesse der User, die zu Recht personalisierte Angebote erwarten. Gerade Cookieless-Technologien können den Datenschutz der User verbessern und sollten daher nicht schon vorab mit einem juristischen ‚Generalverdacht‘ belegt werden“, berichtet Fallenböck aus juristischer Perspektive.
Bereits seit 2002 gibt es durch das Telekommunikationsgesetz einen rechtlichen Rahmen für das Setzen von Cookies, der seit 2019 durch einen Beschluss des Europäischen Gerichtshofs zu einem aktiven Opt-in präzisiert wurde. Die österreichische Datenschutzbehörde lässt ergänzend die Consent Wall zu, bei der zwischen kostenfreien und werbefreien Inhalten und Bezahlinhalten unterschieden werden kann. Ihr Erhalt ist im aktuellen Entwurf der ePrivacy-Verordnung vorgesehen. Ebenso steht das Opt-in auf Publisherseiten über den Browsereinstellungen. Fallenböck rechnet mit einem Beschluss der ePrivacy-Verordnung im Laufe des kommenden Jahres. Durch den Wegfall der Cookies kommt es zur Anonymisierung von Daten, wodurch datenschutzrechtliche Bedenken abgeschwächt werden.
First-Party-Data sind die Gewinner von morgen
Lauscher sieht Vermarkter und Publisher in der Pflicht, ihren Datenbestand besser buchbar zu machen, wobei durch programmatische Werbung bereits robuste Grundlagen geschaffen wurden. Muck sieht eine große Chance im Contextual Targeting und in Kooperationen zwischen nationalen Publishern. Er rät zur zentralisierten und konsolidierten Datensammlung sowie einer stärkeren Personalisierung von Inhalten. Plank warnt vor einer blinden Datensammelwut und empfiehlt, im gesamten Prozess auf relevante Daten zu fokussieren.
„Wir bei Adobe sind davon überzeugt, dass First-Party-Daten langfristig die Gewinner im Consumer-Marketing sein werden, da sie die wachsenden Bedenken hinsichtlich Datenschutz und Vertrauen adressieren und es Unternehmen ermöglichen, stärkere Beziehungen sowohl zu Verbrauchern als auch zu Geschäftspartnern aufzubauen. Einer der größten Schwachpunkte von Third-Party-Cookies ist ihre Ungenauigkeit und mangelnde Kontrolle beziehungsweise Transparenz, was Verbraucher und Marketer verärgert. Genauigkeit, Vertrauen und Kontrolle werden die Prioritäten für die nächste Evolution der digitalen Identifizierung und von Tracking sein“, erkennt Much positive Aspekte. (red)
Weitere Informationen auf iab-austria.at