MARKETING & MEDIA
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Wolfgang Blau, Präsident des Verlagshauses Conde Nast International

Redaktion 08.10.2018

Digitale Medien- und Kulturpolitik: Experte warnt EU vor "Defensive"

Verlagschef Wolfgang Blau fordert von der EU eine Milliarde für die Entwicklung von automatischen Übersetzungsschnittstellen; Medienminister Gernot Blümel glaubt an eine baldige Umsetzung der EU-Copyright-Richtlinien.

WIEN. Will Europa in Sachen Medien- und Kulturpolitik im digitalen Umfeld mithalten, dürfe es sich nicht auf seinem Talent zur "Defensive" ausruhen. Mit einer Zerschlagung von Facebook alleine werde sich die internationale Entwicklung nicht aufhalten lassen, sagte Wolfgang Blau, Präsident des Verlagshauses Conde Nast International, am Montag im Rahmen einer Medienkonferenz in Wien.

Angesichts der wachsenden Marktmacht großer internationaler Internetkonzerne wie Google oder Facebook haben es europäische Kreative und Produzenten oft schwer, ihre Arbeiten am Markt zu positionieren. Die Reaktion seitens der europäischen Politik gehe momentan stark in die Richtung, die dominante Stellung der großen Player einzuschränken, so der Verlagschef und Internet-Experte bei der Eröffnung der am Montag und Dienstag stattfindenden medien- und kulturpolitischen Konferenz "Challenging (the) Content" im Rahmen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes.

Die Veränderungen ließen sich jedoch mittels Regulation und Protektion nicht unbedingt aufhalten. Vielfach müsse man sich auch fragen, ob nicht versucht werde, mit einer solchen Politik lediglich alteingesessenen europäischen Playern mehr Zeit zu verschaffen. In der Außensicht sehe es aktuell eher danach aus, als ob sich Europa fürchte. Es scheine, als versuche man sich darauf zu beschränken, dass man "in der Defensive viel besser spielt als in der Offensive", so Blau.

Angesichts der Tatsache, dass kein Unternehmen aus der EU bei Videoportalen, Suchmaschinen, Social Media und Co tatsächlich ganz vorne mitspiele, sollte sich Europa fragen, was der Markt zusätzlich noch brauche. Was dem Internet sozusagen noch abgehe, sei etwa eine automatische Übersetzungsschnittstelle. "Wer, wenn nicht Europa" sollte so etwas vorantreiben, fragte der Experte mit dem Hinweis auf die große Erfahrung im Umgang mit den vielen Sprachen Europas.

In Folge dieser zu entwickelnden Technologie würden auch Sprachbarrieren innerhalb der EU kleiner, was europäischen Produktionen und Inhalten auch dabei helfen würde, sichtbarer zu werden, so Blau. Die EU müsste hier als Ermöglicher fungieren, indem sie rund eine Milliarde für Forschung und Entwicklung in die Hand nimmt.

Die Notwendigkeit zu mehr europäischer Zusammenarbeit betonte der für Medien und Kultur zuständige Kanzleramtsminister Gernot Blümel (ÖVP). In der Branche seien durch die Dominanz von Facebook oder Google große Unterschiede entstanden. Diese entsprechend international organisierten Internetkonzerne unterlägen kaum Regulationen, würden oftmals kaum Steuern zahlen und kaum teure Produktionen aus der Taufe heben.

Einen wichtigen Schritt in Richtung eines faireren Wettbewerbs sieht Blümel in der nunmehr weit fortgeschrittenen Weiterentwicklung des EU-Urheberrechts. Er hoffe, dass die Copyright-Richtlinie noch in diesem Halbjahr abgeschlossen werde, so der Minister. "Nach zwei Jahren der Diskussionen", sieht auch die EU-Kommissarin für digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Mariya Gabriel, die Richtlinie nun auf Schiene.

Bei den im audiovisuellen Sektor momentan dominierenden Streaming- und Video-on-Demand-Plattformen brauche es jedenfalls Veränderungen: Letztere sollen nach den Vorstellungen der EU-Kommission dazu verpflichtet werden, in Europa zumindest 30 Prozent europäischen Content anzubieten, so Gabriel in einer Videobotschaft.

Ob diese Inhalte tatsächlich Gehör finden, sei aber eine andere Frage, denn momentan sei dieser Markt "ein Superstar-System", sagte der Wirtschaftsforscher Paul Stepan von "Fokus - Institute for Cultural an Media Economics", der im Auftrag des Bundeskanzleramtes die Entwicklung der Kultur-, Medien- , und Kreativwirtschaft untersuchte. Man befinde sich aktuell hier "in einem sehr freien Markt, der Große bevorzugt". Bei Regulationsmaßnahmen sollte daher vor allem darauf geachtet werden, das Geld von den Konsumenten zu den Kreativen zu bringen. So könne die Marktmacht der großen Akteure zurückgedrängt werden, gab sich Stepan überzeugt. (APA)

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