MARKETING & MEDIA
© APA/AFP/Filippo Monteforte

Redaktion 05.03.2021

Ein Jahr Corona und die Medien

Die Pandemie hat für viel Informationsbedarf gesorgt, den seriösen Journalismus aber gleichzeitig vor große Herausforderungen gestellt.

WIEN. Die Corona-Pandemie hat zu einer „Hochzeit für seriösen Journalismus” geführt, die Medienhäuser jedoch auch vor Herausforderungen gestellt. So lautete der Tenor bei einer mit Chefredakteuren und Chefredakteurinnen besetzten Online-Diskussion der APA am Dienstag, 23. Februar. Während Wissenschafts- und Datenjournalismus einen Aufwind verspürten, sahen sich Medien auch Kritik ausgesetzt, als „Sprachrohr der Regierung” zu dienen. Durch die Diskussion führte Moderatorin Maria Scholl, stv. Chefredakteurin der APA.

Einig waren sich die Diskutantinnen und Diskutanten in ihrer Diagnose: Die Coronakrise habe bei den Usern ein hohes Informationsbedürfnis erweckt. „Die Leute haben uns die Zeitung aus der Hand gerissen”, schilderte Gerald Mandlbauer, Chefredakteur der Oberösterreichischen Nachrichten. Die mit der Pandemie einhergehende „Überfülle an Information” habe jedoch auch dazu geführt, dass viele Personen zu einfachen Antworten geflüchtet seien, bedauerte er.
Im Verlauf der Pandemie habe sich bei Teilen der Bevölkerung Verdrossenheit eingestellt, die mitunter zu Angriffen auf Medien und deren Art der Berichterstattung führten. „Manche Leser meinen, wir sind zu nah dran an der Politik, andere sagen, wir zerreden alles – wir stehen zwischen den Fronten”, brachte Martina Salomon, Chef­redakteurin der Tageszeitung Kurier, das Dilemma auf den Punkt.

Es geht um das Vertrauen

Mit faktenbasierter und objektiver Berichterstattung könne das Vertrauen der Bevölkerung gewonnen werden, meinte APA-Chefredakteur Johannes Bruckenberger. Dazu müssten Journalistinnen und Journalisten die Quellen ausgewogen auswählen und „dort kritisch nachfragen, wo es nötig ist”, so Bruckenberger. Eine Pandemie sei ein „guter Nährboden für Verunsicherung, Polarisation und Gerüchte”. Doch guter Journalismus könne zur Aufklärung beitragen. Bruckenberger hob vor allem den gestiegenen Stellenwert von Wissenschafts- und Datenjournalismus hervor.

Dass die heimischen Medien „Verlautbarungsjournalismus” betreiben würden, ließ Puls 4-Infochefin Corinna Milborn nur für die Anfangsphase der Pandemie gelten: „Zu Beginn musste darüber informiert werden, was am nächsten Tag erlaubt ist und was nicht. Das war aber nur eine kurze Phase.” Schon bald habe man eine große Bandbreite an Meinungen abgebildet. Eine rote Linie habe Puls 4 dort gezogen, wo nicht länger auf dem Stand der Wissenschaft operiert wurde. „Dadurch sind einige Gesprächspartner rausgefallen, die wir nicht mehr eingeladen haben”, so Milborn. Auch Mandlbauer trat dafür ein, den „wissenschaftlichen Tenor”, der sich mittlerweile herausgebildet hat, in seiner ganzen Bandbreite abzubilden.
Waltraud Langer, Chefredakteurin der ORF-TV-Magazine und Servicesendungen, erachtet es als richtig, viele Pressekonferenzen der Regierung zu übertragen. Die Bevölkerung habe sich selbst ein Bild davon machen müssen, was die Regierungsmitglieder zu sagen hatten. „Die Berichterstattung darf damit aber nicht stehen bleiben. Das Gesagte braucht Einschätzungen und Analysen”, so Langer. Gefehlt habe es den Regierungspressekonferenzen an einer wissenschaftlichen Stimme, befand Salomon.

Causa Regierungsinserate

Eine viel diskutierte Rolle nahmen die aufgestockten Inserate der Regierung in den Medien ein. „Regierungsinserate sollten für Medien nicht systemrelevant sein”, meinte die Kurier-Chefredakteurin. Andererseits haben diese viele Medien vor einem schwierigen Jahr gerettet. „Bei uns haben sie dazu beigetragen, dass wir kein Personal abbauen mussten”, so Salomon. Milborn betonte, dass die aufgestockten Regierungsinserate „kein Dauerzustand” sein dürfen.

Die Corona-Pandemie hatte auch Auswirkungen auf die Arbeitsweise in den Medienhäusern: Allesamt setzten sie stark auf Homeoffice und beschränkten Tätigkeiten in den Newsrooms auf das nötige Minimum wie das Schneiden von Sendungsbeiträgen im Falle des ORF. „Homeoffice war für uns ein absolut taugliches Kriseninstrument”, sagte Bruckenberger. Auch nach der Pandemie werde vermehrt von Zuhause gearbeitet werden, prophezeite der APA-Chefredakteur. Er gab jedoch auch zu bedenken, dass sich auf lange Sicht auch Nachteile wie Effizienzverlust oder psychische Belastungen bei separiert arbeitenden Journalisten einstellen. (mab)

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL