Die International Advertising Association (IAA) feiert heuer ihr 60-jähriges Jubiläum. Besonders im Fokus liegen aktuell ESG (Environment, Social, Governance)-bezogene Themen. Beatrice Cox-Riesenfelder, als Area Director Europe für europäische Interessen bei IAA Global verantwortlich, spricht mit medianet über die drängendsten Themen der Branche.
Passend zum Thema Diversität und Gleichstellung, ist erst kürzlich der Global DEI Census veröffentlicht worden, eine Studie unter anderem mit Unterstützung der IAA (knapp 13.000 Befragte aus der Branche).
Hervor geht daraus, dass Diversität einerseits ein sehr wichtiges Thema ist (jede siebte Person würde die Branche aufgrund mangelnder Diversität und Inklusion verlassen), sich gleichzeitig aber wenig beim Thema tut. So liegt der sogenannte Inclusion Index Score, den die Studie errechnet, unverändert bei 63%.
Zentrales Branchenthema
Der Gegenstand der Untersuchung ist auch stark mit der Geschichte der IAA selbst verknüpft. „Die International Advertising Association war bei ihrer Gründung in New York vor 85 Jahren – wie der gesamte Werbemarkt – ein elitärer, ausschließlich männlicher Club. Es ist noch nicht so lange her, dass es uns gelungen ist, aus den alten Mustern auszubrechen. Mit Dagmara Szulce gab es die erste Geschäftsführerin der IAA Global in NY, das ist aber erst fünf Jahre her”, so Cox-Riesenfelder. Anders sei die Situation in den diversen Local Chapters der Organisation gewesen, wo man zum Teil, auch wegen späterer Gründung, schon weiter gewesen sei.
Kein Selbstzweck
Heute sind KPIs etwa beim Verhältnis Mann-Frau oder der Alterstruktur eher die Regel denn die Ausnahme, jeweils abhängig vom lokalen Bedarf, im Einklang mit den globalen Werten, die die Interessensvertretung vorgibt. In vielen Fällen geht es beim Thema Diversität um Bewusstseinsschaffung. „Ich kenne die Situation von früher sehr gut, da hat man oft gesagt, es gibt auf C-Level-Ebene zu wenig Frauen, deshalb müsse man rein männlich besetzen. Hier braucht es teils eine Disziplinierung, denn wenn man mit der Einstellung herangeht, so lange zu suchen, bis jemand gefunden ist, dann war das bisher kaum ein Problem, doch jemanden zu finden”, erläutert Cox-Riesenfelder.
Thema Nachhaltigkeit
Dieser Wandel im Mindest hat auch praktische Auswirkungen. Cox-Riesenfelder: „Man sieht, dass Diskussionen natürlich spannender sind, wenn unterschiedliche Persönlichkeiten aus verschiedenen Ländern und Branchen zu Wort kommen. Übersetzt auf Veranstaltungen bedeutet das, auch branchenfremde Personen auf die Podien zu holen, um über die Themen der Zukunft zu diskutieren.”
Dass das Thema kein Selbstzweck ist, zeigt auch die Zahl jener, die laut DEI Census der Branche den Rücken kehren würden, wenn Inklusion und Diversität kein entsprechend großer Platz eingeräumt wird. Das steht auch mit jenem Thema in Verbindung, das sich IAA Österreich in den kommenden beiden Jahren auf die Fahnen heften will: ‚Generation Talent'. Unter diesem Motto will IAA versuchen, die besten Köpfe in der Kommunikationsbranche zu gewinnen und zu halten und neue zu gewinnen – unabhängig vom Alter.
„In der letzten Erhebung des DEI Census war das Thema Altersdiskriminierung sehr stark. Heute sehen wir, dass am Personalmarkt nicht ausreichend Digital Natives nachkommen, deshalb muss man natürlich auch zurückgreifen auf jene, die schon Erfahrung mitbringen. Da muss sich die Branche ein bisschen an der Nase nehmen”, führt Cox-Riesenfelder aus.
Auswirkungen von Covid
Die Themen der aktuellen Erhebung sind auch deshalb spannend, weil sie erstmals seit Covid zeigt, ob und welche Veränderungen die Pandemie in der Werbe- und Kommunikationsbranche brachte.
Wahrnehmung und Realität
Eine zweite Studie, die vom Institut Brand Finance in Zusammenarbeit unter anderem mit IAA und den UN durchgeführt wurde, untersuchte die sogenannte Brand Sustainability. Cox-Riesenfelder erklärt die Hintergründe: „Man wollte schauen, wie denn eigentlich die Wahrnehmung einer Marke beim Thema Nachhaltigkeit auf Konsumentenseite aussieht. Denn beim Kauf werden wir ja nicht, oder nur selten, von Informationen geleitet, sondern von einem gewissen Image.” Verknüpft wurde das mit Daten darüber, wie viel von den Unternehmen in Nachhaltigkeitskommunikation investiert wird. Während Unternehmen wie Yves Rocher im Branchenverhältnis viel investieren und nachhaltig wahrgenommen werden, gehen Wahrnehmung und Investment bei Unternehmen wie Amazon weit auseinander. Fest stehe jedenfalls, dass sich gerade große Konzerne mit dem Thema befassen müssen, so Cox-Riesenfelder.
Motto: Umfassend denken
Denn die Wichtigkeit von umfassend gedachter Nachhaltigkeit bzw. von ESG-Zielen wird in Zukunft wohl nicht sinken. „Persönlich bewerte ich als Konsumentin das Thema in vielen Bereichen als sehr wesentlich. Es ist aber wichtig, festzuhalten, dass es bei Nachhaltigkeit nicht nur um Klima geht, sondern auch um soziale Angelegenheiten, etwa wie eine Firma gesellschaftlich agiert”, erläutert Cox-Riesenfelder. Im Einzelfall werde es also vom jeweiligen Unternehmen bzw. der Branche abhängen, welche Nachhaltigkeitsbereiche besonders wesentlich seien. (fej/har)