WIEN. Kürzlich hat sich der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zur Zulässigkeit von Artikel 17 der EU-Urheberrechts-Richtlinie (EU) 2019/790 geäußert. Dieser Artikel ist deshalb umstritten, weil er große Content-Sharing-Plattformen de facto zum Einsatz von Upload-Filtern verpflichtet, mit denen benutzergenerierte Inhalte vorab auf mögliche Urheberrechtsverstöße überprüft werden.
In seinen heute veröffentlichen Schlussanträgen vertritt der Generalanwalt am EuGH die Rechtsansicht, dass im betroffenen Artikel 17 ausreichende Vorkehrungen zum Grundrechtsschutz enthalten sind. Er sieht daher keinen Verstoß gegen das Grundrecht auf Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit und empfiehlt dem EuGH, die Nichtigkeitsklage Polens abzuweisen.
Nach Ansicht des Generalanwalts folgt aus Artikel 17, dass Inhalte nur bei offensichtlichen Urheberrechtsverstößen vorab gesperrt werden dürfen. Das wäre beispielsweise dann der Fall, wenn Inhalte identisch mit urheberrechtlich geschützten Werken sind. In allen anderen Fällen müssen Inhalte jedoch sofort verfügbar sein und allenfalls nachträglich aufgrund einer Beschwerde der Rechteinhabenden geprüft werden. Es dürfen zudem ausschließlich solche Filtertechnologien verwendet werden, mit denen sichergestellt ist, dass nur eine vernachlässigbare Anzahl an Inhalten versehentlich gesperrt wird. So würde aus Sicht des Generalanwalts Overblocking weitestgehend vermieden werden, weshalb auch kein Grundrechtsverstoß vorlege.
Gefahr des Overblockings besteht weiterhin
Aus Sicht der ISPA ist es grundsätzlich begrüßenswert, dass der Generalanwalt in seiner Rechtsansicht dem Overblocking-Verbot großes Gewicht einräumt und die Plattformen Inhalte nur bei ganz offensichtlichen Urheberrechtsverstößen automatisiert sperren dürfen. Jedoch wird es in der Praxis auch hier zu Overblocking kommen: „Die ISPA hat wiederholt betont, dass Upload-Filter keine Lösung sind. Aufgrund ihrer hohen Fehlerquote filtern diese stets auch unproblematische Inhalte heraus. Ein solches Overblocking ist auch dann nicht vermeidbar, wenn nur offensichtlich rechtswidrige Inhalte gesperrt werden sollen“, so ISPA Präsident Harald Kapper. Es ist noch immer zu befürchten, dass Plattformen aus Angst vor Schadenersatzforderungen auch legitime Inhalte sperren. Zudem ist ungeklärt, ob Artikel 17 nicht, wie vielfach von Expertinnen und Experten vertreten, auch gegen andere Grundrechte wie etwa das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit oder das Grundrecht auf Datenschutz verstößt.
Die Schlussanträge des Generalanwalts sind für den EuGH nicht bindend. In der Praxis folgen die Richter in ihrem Urteil jedoch meist dessen Rechtsansicht. Aus Sicht der ISPA wäre es zu begrüßen, wenn der EuGH in diesem Fall den Bedenken Rechnung trägt und sich entgegen der Ansicht des Generalanwalts für die Aufhebung von Artikel 17 entscheidet.
Hintergrundinfo
Polen hat vor dem EuGH die Aufhebung einzelner Passagen des Artikels 17 der DSM-Richtlinie beantragt. Nach der Ansicht Polens würden diese Passagen große Content-Sharing-Plattformen zur automatischen Überprüfung hochgeladener Inhalte verpflichten und damit gegen die in der Grundrechtecharta der EU verankerte Freiheit der Meinungsäußerung und Informationsfreiheit verstoßen. Nach Expertenansicht würden die kritisierten Passagen außerdem weitere Grundrechtsverstöße bedingen, etwa gegen das Grundrecht auf unternehmerische Freiheit oder das Grundrecht auf Datenschutz. Die diesbezügliche Einschätzung des Generalanwalts in Reaktion auf den Antrag Polens ging heute publik. Die ISPA hat sich bereits in der Vergangenheit wiederholt kritisch zum Artikel 17 und zum Einsatz automatisierten Filtertechnologien geäußert. (red)