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© Martina Berger

Redaktion 19.04.2024

„Es braucht Respekt und Verständnis füreinander”

Jana David-Wiedemann (BBDO) und Lola Zweimüller (Ketchum) erzählen, wie ihre Agenturen Diversität leben.

••• Von Elisabeth Schmoller-Schmidbauer/Dinko Fejzuli

DEI – die Kurzform von Diversity, Equity und Inclusion (engl. für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion) – ist ein vergleichsweise junger Begriff für ein altbekanntes Thema. Es geht um Vielfalt, Sichtbarkeit und Antidiskrimierung und um Gleichberechtigung aller gelebten Identitäten. Und auch wenn die Forderungen nach Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion nicht von Gen Y und Gen Z erfunden wurden, sie wurden möglicherweise aber noch nicht so dringend kommuniziert wie von den heutigen Generationen.

Positive Effekte von DEI

Kein Wunder also, dass DEI längst in die Arbeitswelt Eingang gefunden hat. Erste Studien, wie jüngst von EY-Parthenon, belegen bereits positive Effekte von diversitätsfördernden Maßnahmen am Arbeitsplatz auf den Unternehmenserfolg. Demnach schneiden österreichische Unternehmen, die zu den Vorreitern in Sachen Diversität zählen, beim finanziellen Erfolg häufig besser ab als Unternehmen, die einen geringeren Fokus auf diversitätsfördernde Maßnahmen legen.

Zwei Unternehmen, die die Zeichen der Zeit verstanden und DEI zur Leitkultur erhoben haben, sind die Werbeagentur BBDO Wien und die Kommunikationsagentur Ketchum. „Wir haben im beruflichen Miteinander gemerkt, dass da Generationen nachkommen, die großen Wert auf bestimmte Themen legen und das auch ganz offen und selbstverständlich kommunizieren”, erklärt Jana David-Wiedemann, CEO von BBDO Wien, die Notwendigkeit DEI am Arbeitsplatz anzuerkennen und entsprechende Maßnahmen umzusetzen.

Diversität: „Viele Aspekte”

Dabei wird Diversität bei BBDO Wien und Ketchum sehr breit gedacht. „Diversität und Vielfalt umfasst für uns ganz viele Aspekte, die Menschen unterschiedlich machen und zu Gruppen zugehörig”, sagt David-Wiedemann. „Seit Langem geht es um die Gleichbehandlung von Männern und Frauen, aber Diversität umfasst nicht nur die Gender-Thematik.” Da geht es um unterschiedliche Geschlechteridentitäten ebenso wie um körperliche oder neurologische Diversität, unterschiedliche kulturelle Zugehörigkeiten, aber auch Altersdiversität und verschiedene Bildungsschichten.

„Es reicht nicht aus, möglichst diverse Teams einzustellen, wenn man die Menschen nicht integriert, abholt und individuell hinschaut, wo noch Handlungspotenzial aufseiten der Agentur ist”, meint Lola Zweimüller, DEI-Expertin und Account Managerin bei Ketchum. Zu den entsprechenden Maßnahmen zählen genderneutrale Toiletten ebenso wie ein diverses Setup bei einem Werbedreh oder Rücksichtnahme auf neurodiverse Bedürfnisse. „Wie man ein Umfeld für Neurodiversität, aber auch alle weiteren Diversitäten kreiert, wurde vor Kurzem bei unserer Strategie Austria-Veranstaltung ‚DEI Strategy' am Panel deutlich besprochen. Es geht darum, ein Bewusstsein für andere Arbeitsabläufe und Vorgehensweisen zu schaffen und so unseren Arbeitsplatz inklusiver zu gestalten”, so Jana David-Wiedemann.

Wichtig: Respekt und Diskurs

Für erfolgreiches DEI am Arbeitsplatz ist zudem ein offener, unternehmensinterner Diskurs notwendig und die Möglichkeit, Defizite oder negative Erfahrungen aufzuzeigen. „Wir bei Ketchum sind aktuell dabei, eine Meldestelle aufzusetzen, wo Vorfälle gemeldet werden können,, die man als diskriminierend erlebt hat”, sagt Zweimüller. „Die Meldung geht dann an einige unternehmens-interne und -externe Personen, die den Vorfall unabhängig voneinander bewerten und in verschiedenen Schritten bearbeiten. In jedem Fall werden die involvierten Personen über spezifische Maßnahmen informiert, die auf den jeweiligen Fall zugeschnitten sind. Ein Beispiel hierfür wäre eine gezielte Schulung.”

„Context matters”

Allerdings sei es immer wichtig, Erlebnisse kontextbezogen zu bewerten und auf Augenhöhe zu besprechen. „Man muss schon auch sagen: Context matters. Es ist wichtig, die Themen auch in einen Kontext zu setzen, denn wenn vor 200 Jahren ein Buch geschrieben wurde, das für seine Zeit fortschrittlich war, dann hatte es für seine Zeit auch eine Berechtigung”, meint Jana David-Wiedemann. „Ich bin mit anderen Themen und Begriffen sozialisiert worden als die Generation heute. Damit kann ich sie auch in einen Kontext setzen. Und ich kann aus heutiger Sicht auch beurteilen, warum bestimmte Begriffe verwendet wurden, bestimmte Themen adressiert wurden, so wie sie heute nicht mehr adressiert werden dürfen oder sollen. Es braucht ein Verständnis und gegenseitigen Respekt für individuelle, aber auch gesellschaftliche Kontexte im Diskurs. Auch wenn es nicht angenehm ist, sich im Fall auch anhören zu müssen, dass man vielleicht gerade sprachlich aus der Zeit gefallen ist.”

Bei DEI, das wird rasch klar, geht es also auch um die Kommunikation der jüngeren mit der älteren Generationen – und umgekehrt. „Es ist natürlich ein Generationsthema”, so Jana David-Wiedemann. „Da haben sich die Ansprüche vonseiten der nachkommenden Generation verändert und denen muss man als Arbeitgeber auch genügen. „Und man muss auch mit der Zeit gehen”, wie Lola Zweimüller betont: „Die Zeiten ändern sich. Und Veränderungen sind nie bequem, aber es ist extrem wichtig, dass man sich damit auseinandersetzt und im Diskurs bleibt, auch im beruflichen Kontext.”

„DEI ist kein Marketing”

Im beruflichen Kontext haben die Erwartungshaltungen jüngerer Generationen auch Auswirkungen auf das Employer Branding von Unternehmen. „Allerdings darf man DEI nicht als Marketingmaßnahme sehen, das muss dann schon weiter gehen”, betont Zweimüller. „Das, was man nach außen trägt, sollte intern schon gelebt werden.” Zumindest bei Ketchum wird das auch so gehandhabt; dort ist das Thema DEI bereits im Management angesiedelt, zudem gibt es regelmäßige Schulungen für Mitarbeiter, um sie entsprechend zu sensibilisieren. „Wir motivieren auch Bewerber dazu, ihre Bewerbungsunterlagen ohne Foto und Namen zu schicken, und wir kommunizieren aktiv, dass Personen aus der LGBTIQA+-Community bei uns herzlich willkommen sind.”

Nicht überall angekommen

Was eine Selbstverständlichkeit sein sollte – allerdings ist das Thema DEI noch nicht überall angekommen, wie Jana David-Wiedemann meint: „Wir sind ja in einer Branche, die nahe am Puls der Zeit und sehr jung ist. Dass es da Unternehmen gibt, wo DEI keine Rolle spielt, das ist schon überraschend.” DEI – das ist ein Prozess, der nicht von heute auf morgen umzusetzen ist, so Lola Zweimüller. „Es ist wichtig, dass wir nicht gleich versuchen die ganze Welt zu verändern, sondern einmal im eigenen Umfeld anfangen, mit der eigenen Agentur. Dieser Schneeballeffekt erzielt schlussendlich eine gesamtheitliche Veränderung.”

Es geht also nicht um richtig oder falsch, sondern darum, miteinander zu reden: „Es ist ein Lernprozess – für uns alle.”

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