WIEN. Will Europa in Sachen Medien- und Kulturpolitik im digitalen Umfeld mithalten, dürfe es sich nicht auf seinem Talent zur „Defensive” ausruhen. Mit einer Zerschlagung von Facebook allein werde sich die internationale Entwicklung nicht aufhalten lassen, sagte Wolfgang Blau, Präsident des Verlagshauses Condé Nast International, am Montag im Rahmen einer Medienkonferenz in Wien.
Kein „more of the same”
Angesichts der Tatsache, dass kein Unternehmen aus der EU bei Videoportalen, Suchmaschinen, Social Media und Co tatsächlich ganz vorn mitspiele, sollte sich Europa fragen, was der Markt zusätzlich noch brauche. Was dem Internet sozusagen noch abgehe, sei etwa eine automatische Übersetzungsschnittstelle. „Wer, wenn nicht Europa” sollte so etwas vorantreiben, fragte der Experte mit dem Hinweis auf die große Erfahrung im Umgang mit den vielen Sprachen Europas.
Angesichts der wachsenden Marktmacht großer internationaler Internetkonzerne wie Google oder Facebook haben es europäische Kreative und Produzenten oft schwer, ihre Arbeiten am Markt zu positionieren. Die Reaktion seitens der europäischen Politik gehe momentan stark in die Richtung, die dominante Stellung der großen Player einzuschränken, so der Verlagschef und Internet-Experte bei der Eröffnung der dieswöchigen medien- und kulturpolitischen Konferenz „Challenging (the) Content” im Rahmen des österreichischen EU-Ratsvorsitzes.
EU muss ein Ermöglicher sein
Die Veränderungen ließen sich jedoch mittels Regulation und Protektion nicht unbedingt aufhalten. Vielfach müsse man sich auch fragen, ob nicht versucht werde, mit einer solchen Politik lediglich alteingesessenen europäischen Playern mehr Zeit zu verschaffen. In der Außensicht sehe es aktuell eher danach aus, als ob sich Europa fürchte. Es scheine, als versuche man sich darauf zu beschränken, dass man „in der Defensive viel besser spielt als in der Offensive”, so Blau.
In Folge dieser zu entwickelnden Technologie würden auch Sprachbarrieren innerhalb der EU kleiner, was europäischen Produktionen und Inhalten auch dabei helfen würde, sichtbarer zu werden, so Blau.
Die EU müsste hier als Ermöglicher fungieren, indem sie rund eine Milliarde für Forschung und Entwicklung in die Hand nimmt.
Nachteil zum Vorteil drehen
Bereits im Vorfeld der Konferenz meinte Blau zu diesem Thema im Standard: „Wenn alle Web-Inhalte der Welt in ihrer eigenen Sprache verfügbar sind, werden Sie auch auf Propaganda und Missinformation stoßen, die vorher gar nicht sichtbar waren. Der Pegel von wertvoller Information – wie auch von Desinformation – wird durch maschinelle Übersetzung also weiter ansteigen. Keine Kommunikations- oder Medientechnologie schafft nur Frieden und zivilisatorischen Fortschritt. Für Europa birgt maschinelle Übersetzung jedoch das Potenzial, einen unserer größten Wettbewerbsnachteile zu mindern, unseren Binnenmarkt für digitale Inhalte und Dienstleistungen dramatisch zu vergrößern und auch die Vielfalt unserer Sprachen zu bewahren. (fej/APA)