ISTANBUL/ANKARA. Im Verfahren gegen die türkische Zeitung "Cumhuriyet" hat ein Berufungsgericht am Dienstag die Urteile gegen frühere Journalisten und Mitarbeiter des regierungskritischen Blatts bestätigt. Das Gericht in Istanbul wies den Einspruch der 14 Angeklagten zurück, die im vergangenen April zu teils mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden waren.
Sie waren unter anderem wegen "Unterstützung von Terrororganisationen vorgeworfen" angeklagt worden. Amnesty International bezeichnete das Urteil gegen die ehemaligen "Cumhuriyet"-Mitarbeiter als "politisch motiviert". Am selben Tag stellten türkische Staatsanwälte im Zusammenhang mit dem Putschversuch von 2016 mehr als 350 weitere Fahndungsbefehle gegen angebliche Terrorverdächtige aus. Berichten der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge sollen darunter viele aktive und ehemalige Mitglieder von Armee, Luftwaffe und Marine sowie der paramilitärischen Gendarmerie sein, denen Verbindungen zu der Bewegung des Islam-Predigers Fethullah Gülen sowie die "Infiltrierung staatlicher Institutionen" vorgeworfen wird.
Die Regierung macht Gülen für den Putschversuch verantwortlich und konzentriert sich bei Fahndungen, Festnahmen und Verhaftungen stark auf Militär und Polizei. Innenminister Süleyman Soylu hatte Mitte Jänner angegeben, dass bis dato mehr als 15.000 Soldaten ihres Amtes enthoben worden seien. Gegen knapp 7.000 weitere werde ermittelt. Erst am Montag wurden laut Anadolu wieder rund 30 Menschen inhaftiert. Die neuen Festnahmen folgen auf eine der größten Fahndungsaktionen seit 2016 mit mehr als 1.100 Fahndungs- und Festnahmebefehlen in der vergangenen Woche.
Im April vergangenen Jahres hatte ein Gericht in Istanbul 14 Angeklagte wegen der Unterstützung verschiedener Terrororganisationen zu Haftstrafen bis zu acht Jahren verurteilt. Unter den Verurteilten waren der ehemalige "Cumhuriyet"-Herausgeber Akin Atalay, Ex-Chefredakteur Murat Sabuncu und der Kolumnist Kadri Gürsel. Das Istanbuler Berufungsgericht bestätigte nun sämtliche Haftstrafen.
Jene Angeklagten wie Atalay und Sabuncu, die mehr als fünf Jahre erhielten, können noch Einspruch vor dem Kassationsgericht einreichen und bleiben solange auf freiem Fuß. Laut "Cumhuriyet" müssen jedoch sechs frühere Mitarbeiter mit Haftstrafen unter fünf Jahren ins Gefängnis zurückkehren, um den Rest ihrer Strafe zu verbüßen. Dies betrifft unter anderem den international bekannten Karikaturisten Musa Kart.
Kart beschuldigte die Regierung, das Urteil des Gerichts angeordnet zu haben. "Die Regierung hat gesagt: 'Werft den Karikaturisten wieder ins Gefängnis!'", schrieb Kart im Kurzmitteilungsdienst Twitter. Er sehe nun "den Weg des Gefängnisses" erneut vor sich.
Der Vertreter von Reporter ohne Grenzen in der Türkei, Erol Önderoglu, wertete die Entscheidung als Beleg, dass die Behörden "entschlossen sind, mit ihrer Strafaktion bis zum Schluss zu gehen". Der Türkeiexperte Andrew Gardner von Amnesty International erklärte, das Urteil "zeige erneut, wie politisch motivierte Prozesse und inkohärente Urteile einfach durch ebenso parteiische Berufungsurteile bestätigt werden".
"Cumhuriyet" zufolge müssen der Kolumnist Kadri Gürsel und der Anwalt Bülent Utku im Gegensatz zu anderen Angeklagten wegen der Länge ihrer Untersuchungshaft nicht zurück ins Gefängnis. Die meisten Angeklagten hatten mehrere Monate in U-Haft verbracht, bevor sie für die weitere Dauer des Prozesses freigelassen wurden.
Die "Cumhuriyet"-Mitarbeiter waren im Oktober 2016 unter dem Vorwurf festgenommen worden, die islamische Gülen-Bewegung, die Arbeiterpartei Kurdistans PKK und die linksextreme Gruppierung DHKP-C zu unterstützen. International wurde der Prozess gegen die links-nationalistische Zeitung als politisch motivierter Versuch der islamisch-konservativen Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan kritisiert, eine der letzten kritischen Stimmen zum Schweigen zu bringen. (APA/AFP/dpa)