WIEN. Schon vor Corona war der digitale Wandel bei österreichischen Unternehmen auf dem Vormarsch, die Pandemie hat für einen weiteren Digitalisierungs-Schub gesorgt. Die Bedeutung digitaler Technologien für das Geschäftsmodell heimischer Unternehmen ist gegenüber dem Vorjahr aber nun zurückgegangen: 67 Prozent der Betriebe weisen ihnen eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung zu – vor einem Jahr noch lag der Anteil bei 80 Prozent. Mehr als ein Fünftel (27 %, Vorjahr: 29%) bewertet die Rolle der Digitalisierung aber anhaltend als sehr groß. Gleichzeitig ist der Anteil der Unternehmen, für die digitale Konzepte kaum eine oder gar keine Rolle spielen, seit dem Vorjahr sprunghaft von 20 auf 33 Prozent – und damit auf den höchsten Wert seit 2018 – angestiegen. In der Finanzdienstleistung (43 %), gefolgt von Gesundheit/Life Science (39 %) sowie vom Bereich Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur (36 %) werden digitale Technologien besonders häufig eingesetzt, Schlusslicht ist die Immobilienwirtschaft bzw. das Baugewerbe (17 %).
Das sind Ergebnisse einer Studie der Prüfungs- und Beratungsorganisation EY, für die über 600 mittelständische Unternehmen mit 30 bis 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Österreich befragt wurden.
„In den letzten Jahren ist die Bedeutung digitaler Technologien für heimische Unternehmen konstant gewachsen. Insbesondere war in den Vorjahren aufgrund der Corona-Pandemie ein starker Digitalisierungsdrang bei heimischen Unternehmen zu beobachten, der nun vor allem bei kleineren Unternehmen spürbar zurückgeht. Dennoch ist es auch für kleine Betriebe essenziell, konstant am Ball zu bleiben und neue Entwicklungen im Technologiebereich in die Geschäftsmodelle zu integrieren, denn die digitale Transformation macht keinen Halt und es gilt, den Anschluss an den Mitbewerb nicht zu verlieren“, so Gunther Reimoser, Country Managing Partner bei EY Österreich.
Ein gutes Drittel plant keine digitalen Investitionen
„Möchte man weiterhin mit der Transformation durch Digitalisierung Schritt halten, sind Investitionen in Cloud Computing und die damit verbundenen Technologien unverzichtbar“, ergänzt Christoph Mayer, Partner Cloud Transformation und verantwortlich für die EY Microsoft Service Group bei EY Österreich. Rund jedes vierte österreichische Unternehmen (24 %) will in den kommenden zwei Jahren in Cloud Computing bzw. in Data Analytics investieren – im Vorjahr war der Anteil Investitionswilliger deutlich geringer (Cloud 16 %, Data Analytics 12 %). Ein Viertel (19 %) möchte im Bereich Robot Process Automation/Automatisierung aufstocken, jeder siebte Betrieb (15 %) plant, Künstliche Intelligenz einzusetzen. Dabei liegt der Fokus auf dem Aufbau digitaler Kundenbeziehungen, dem Einsatz von mobilen Endgeräten und analytischen Werkzeugen, um die Bedürfnisse der Kund:innen besser zu verstehen bzw. die Angebote zu personalisieren. Der Anteil der Unternehmen, die in den kommenden Jahren nicht in weitere digitale Technologien investieren will, ist gegenüber dem Vorjahr deutlich von 49 auf 38 Prozent gesunken.
Jedoch verorten immer mehr Unternehmen Hindernisse, die sie von einer Investition in die Digitalisierung des eigenen Geschäfts abhalten. Ein Drittel (32 %) gibt an, Schwierigkeiten zu haben, im Vorjahr waren es noch 19 Prozent. Bei gewünschten, aber nicht durchführbaren Investitionen machen vor allem der Fachkräftemangel und begrenzte finanzielle Ressourcen einen Strich durch die Rechnung: Rund jedes achte Unternehmen (12 %) nennt fehlendes Personal als Investitionshemmnis Nummer Eins, rund jedes 14. befragte Unternehmen (7 %) begrenzte finanzielle Ressourcen. Fehlendes Know-how wird nur von sechs Prozent der Betriebe genannt. „Mehr als acht von zehn Unternehmen haben Probleme damit, geeignete Fachkräfte zu finden – das hat auch Auswirkungen auf geplante Digitalisierungsprojekte, die durch fehlendes Personal nur langsam oder gar nicht vorankommen“, führt Mayer aus.
„Mach heute Morgen möglich“: Positives Klima für Cloud-Innovationen
Im Sinne der Digitalisierung wurde im Jänner 2022 die überparteiliche, österreichweite Initiative „Mach heute Morgen möglich“ von Microsoft Österreich mit etwa 100 unterstützenden Partner:innen gestartet. Das gemeinsame Ziel: Österreich als Wirtschaftsstandort durch Digitalisierung zu stärken. Mit ambitionierten Transformationsprojekten in den vier Bereichen Innovation, Kompetenz, Nachhaltigkeit und Sicherheit sollen die Chancen der Digitalisierung greifbar gemacht und Impulse gesetzt werden. Nach dem ersten Jahr zählt „Mach heute Morgen möglich“ bereits über 240 unterstützende Unternehmen und Organisationen in Österreich – von Großunternehmen über KMUs bis hin zu Start-ups. EY unterstützt die Initiative seit Tag eins in der Kategorie „Innovator“ und setzt dazu eine Eventserie auf, in der pro Event Fachthemen aus einem der vier Pfeiler der Initiative behandelt werden. Es gilt, gemeinsam Hürden von Cloud Computing abzubauen und den digitalen Weg für Österreichs KMU zu ebnen.
Hermann Erlach, General Manager bei Microsoft Österreich, über die Ergebnisse der Studie: „Die kleinen und mittleren Unternehmen sind das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft. Und angesichts dessen sind die Ergebnisse der Studie alarmierend. Denn der fortschreitende Fach- und Arbeitskräftemangel, der durch die Entwicklung der Demografie nun gestärkt wird, lässt sich nur durch den Einsatz intelligenter Cloudlösungen sinnvoll begegnen. Angesichts des fehlenden IT-Personals im KMU-Bereich spielen unsere über 4.000 Partner:innen in Österreich dabei eine entscheidende Rolle. Sie sind in der Lage, die an die Bedürfnisse der Unternehmen und Branchen angepassten Lösungen auch in der Fläche anzubieten und diese produktiv in die jeweilige Organisation einzubringen. Es ist allerhöchste Zeit zu handeln, da das auch ein entscheidender Faktor in der eigenen Wettbewerbsfähigkeit ist.“
„Der Wirtschaftsstandort Österreich weist eine hohe Innovationskraft auf. Um sich weiterhin dynamisch entwickeln zu können, sind auch Innovationen im Bereich Digitalisierung und hier vor allem in Data & Analytics gefragt. Gerade für KMU bietet die Digitalisierung großes Potenzial, das es vollends auszuschöpfen gilt, um auf digitale Augenhöhe mit den großen Unternehmen zu kommen“, kommentiert Susanne Zach, Partnerin und Leiterin Data & Analytics bei EY Österreich.
Bundeshauptstadt als Digitalisierungshotspot
Im Bundesländer-Ranking punkten Unternehmen mit Sitz in Wien: 41 Prozent der Unternehmen geben an, dass die Digitalisierung bereits jetzt eine sehr große Rolle für das eigene Geschäftsmodell spielt, für weitere 39 Prozent eine mittelgroße. Dahinter folgen Betriebe in Niederösterreich (41 % sehr wichtig, 32 % wichtig) und Vorarlberg (31 % sehr wichtig, 34% wichtig). Für Betriebe in Kärnten haben digitale Technologien die geringste Bedeutung (18 % sehr wichtig, 53 % wichtig), sie reihen sich damit ganz am Ende des Rankings ein.
Digitalisierung vorrangig Thema großer Unternehmen
Große und kleine Player der österreichischen Wirtschaft verfolgen sehr unterschiedliche Wege, was den Stellenwert der Digitalisierung für das eigene Geschäft anbelangt: Digitale Technologien sind für Geschäftsmodelle von Unternehmen mit Jahresumsätzen jenseits der 30 Millionen Grenze deutlich wichtiger geworden als für Unternehmen mit weniger als zehn Millionen Euro. Der Anteil der Unternehmen, die digitalen Technologien eine sehr große Bedeutung zuweisen, fällt bei größeren Unternehmen mit 48 Prozent auch mehr als doppelt so hoch aus als bei Unternehmen mit geringeren Jahresumsätzen unter zehn Millionen Euro (18 %) – ein Unterschied von 30 Prozentpunkten. Hier ist eine Trendwende eingekehrt, denn bei der Vorjahreshebung lag der Anteil der Unternehmen, der digitalen Technologien eine mittelgroße oder sehr große Bedeutung beimisst, bei größeren Unternehmen mit 82 Prozent nicht viel höher als bei Unternehmen mit Jahresumsätzen unter zwei Millionen Euro (78 %). „Für Unternehmen, die neue Technologien einführen, ist der Beschäftigtenmangel oft ein Innovationshemmnis. Auch fehlende finanzielle Ressourcen sind oftmals eine Begründung, warum Betriebe ihre Digitalisierungsvorhaben nicht umsetzen können“, erklärt Reimoser.
Die meisten Unternehmen – unabhängig von der Umsatzkategorie – sind sich aber einig, dass dem technologischen Fortschritt eine große Bedeutung zuzuschreiben ist. Im Vergleich zu Vorjahreserhebung ist der Anteil jener, die in der zunehmenden Digitalisierung eine Chance sehen, jedoch von 77 auf 59 Prozent gesunken.
Allerdings bewertet nur ein sehr geringer Anteil der heimischen Betriebe diesen Trend als Risiko (7 %). Vor allem große Unternehmen sehen Chancen in der zunehmenden Digitalisierung. Größere Betriebe mit Jahresumsätzen jenseits der Dreißig-Millionen-Marke bewerten die steigende Digitalisierung im Durchschnitt deutlich häufiger als Chance als kleinere Unternehmen (76 %). Bei Unternehmen mit einem Umsatz zwischen zehn und 30 Millionen Euro sinkt die Zustimmung bereits um einige Prozentpunkte (68 %), während bei Betrieben mit weniger als zehn Millionen Euro Umsatz die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft durchschnittlich von nur mehr 52 Prozent als Chance beurteilt wird.
Nicht nur bei der Umsatzgröße, sondern auch quer durch die einzelnen Sektoren gibt es Unterschiede bei der Chancen-Bewertung: Unternehmen aus dem Gesundheits- und Finanzsektor (je 82 %) sind besonders chancenorientiert. Im Bereich Transport, Verkehr und Energie (16 %) sowie Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur (12 %) nehmen heimische Unternehmen die digitale Transformation vermehrt als bedrohlich wahr. Wirft man einen Blick auf das Bundesländer-Ranking, so sehen vor allem niederösterreichische und oberösterreichische Betriebe die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft als Chance (75 bzw. 68 %), in Kärnten (6 %) und dem Burgenland (9 %) empfinden die Betriebe sie jedoch eher als Risiko.
Digitales Österreich: schlechte Noten für Standort, Gesundheit/Life Science am zufriedensten
Nur jedes zweite Unternehmen in Österreich sieht die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung bezogen auf den eigenen Standort als positiv – das sind deutlich weniger als vor einem Jahr, als der Anteil bei 63 Prozent lag. 2021 bewerteten diese sogar 72 Prozent positiv, 16 Prozent als ausgezeichnet. Gleichzeitig ist der Anteil derer, die die Rahmenbedingungen für die Digitalisierung als eher oder sehr schlecht bezeichnen, auf einen neuen Höchstwert von neun Prozent gestiegen. Betrachtet man die Bundesländer, sind Unternehmen in Wien am zufriedensten mit den Standortbedingungen für Digitalisierung (23 % sehr positiv), gefolgt vom Burgenland (19 % sehr positiv). Am unzufriedensten sind Unternehmen in Tirol (9 % sehr positiv) und Kärnten (10 % sehr positiv) mit den Rahmenbedingungen für die Digitalisierung – sowohl Abläufe und Produktion als auch Geschäftsmodell betreffend.
Wirft man einen Blick auf die Branchen, zeigt sich der Bereich Gesundheit/Life Science am zufriedensten mit den Standortbedingungen (28 %), gefolgt von Transport (21 %) und Industrie (18 %). Bei der Immobilienwirtschaft (9 %), aber auch beim Sektor Soziales, Wissenschaft, Bildung und Kultur (4 %) ist die Zufriedenheit am geringsten ausgeprägt.
Vor allem die Leistungsfähigkeit der digitalen Infrastruktur – also der Zugang zu hohen Bandbreiten und Handyempfang – wird von 63 Prozent positiv bewertet. Die meisten guten Bewertungen stammen aus Vorarlberg (75 % zufrieden), gefolgt von Niederösterreich (72 %) und Wien (70 %). Tirol (56 %) und das Burgenland (49 %) belegen den letzten Platz im Zufriedenheits-Ranking.
Mit den Kooperationspartner:innenn vor Ort sind 62 Prozent zufrieden, mit den gebotenen Fördermöglichkeiten 51 Prozent. Hier liegt Niederösterreich auf Platz 1 – der Zugang zu Fördermöglichkeiten wird von mehr als zwei Dritteln (68 %) positiv bewertet, das Burgenland bildet erneut das Schlusslicht (43 %).
„Eine stabile und leistungsstarke Digital-Infrastruktur ist für Unternehmen im Wettbewerb zentral, genau so wichtig sind aber auch die rechtlichen Rahmenbedingungen, gerade wenn man an den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und den damit verbunden AI Act betrachtet. Wir laufen hier Gefahr, gerade für kleinere Unternehmen zu große Hürden aufzubauen und damit den Wirtschaftsstandort Österreich zu schwächen“, so Mayer abschließend. (red)