WIEN. Im Zuge der Kollektivvertragsverhandlungen hatte der Fachverband der Film- und Musikwirtschaft (FAMA) im November des Vorjahrs mit der Gewerkschaft eine Anpassung der beiden in ihren Verantwortungsbereich fallenden Kollektivverträge an das geänderte arbeitsrechtliche Umfeld vereinbart. medianet bat Werner Müller, Geschäftsführer des Fachverbands, zu einem Gespräch über den Stand der Dinge.
medianet: Wie sieht der Status hinsichtlich der neuen Kollektivverträge aus? Gibt es bereits Ergebnisse?
Werner Müller: Den Kollektivvertrag gibt’s seit vielen Jahrzehnten; die Rahmenbedingungen haben sich völlig verändert. Jetzt nehmen wir das gesamte Package her und überarbeiten es.
Es gibt ja an sich zwei Kollektivverträge – den für die Filmschaffenden und den für die Nicht-Filmschaffenden, was ja an sich von der Bezeichnung her schon ein Paradoxon ist. Wir haben uns jetzt einmal jenen für die Filmberufe vorgenommen und uns angesehen: Was davon ist arbeitsrechtliche Wirklichkeit, was ist die Praxis, was macht noch Sinn? Wir haben gemeinsam mit der Gewerkschaft versucht, das Werk zu ‚entschlacken', lesbarer zu machen, in die Praxis anzupassen …
Das Arbeitsrecht ist in seiner jetzigen Form für Film und Musikberufe nicht sehr geeignet, aber wir wissen auch: Es wird für eine kleine Branche wahrscheinlich leider keine Extrawürste geben. Was jetzt vorliegt, ist wahrscheinlich die größte inhaltliche Änderung, die wir in 50 Jahren gemacht haben.
medianet: Wann tritt der neue KV in Kraft?
Müller: Am 1. Juli dieses Jahres. Wir gehen in den nächsten zwei Monaten mit Roadshows in die Bundesländer und werden die Änderungen kommunizieren.
medianet: Wie viele Betriebe betrifft das österreichweit?
Müller: Etwas über 5.000 Betriebe, die sich circa fifty-fifty auf die Bereiche Film und Musik aufteilen, wobei es natürlich innerhalb dieser Branchen riesige Unterschiede gibt – etwa zwischen einem Ein-Personen-Unternehmen mit Kameraschwerpunkt und den geförderten Bereichen im Kinofilm … Allein durch die Änderungen im Arbeitsrecht haben sich viele Fragen ergeben: Neun verschiedene Gebietskrankenkassen führen oft zu neun verschiedenen Auslegungen gleicher Sachverhalte. Und die Graubereiche der Rechtslage insbesondere im Arbeitsrecht bringen Unternehmen der Kreativbranche in die Bredouille. Da geht’s uns sogar noch schlechter als der Waxing-Branche. (lacht)
medianet: Das betrifft die gesamte Kreativbranche …
Müller: Ja, auf die Kreativbranchen lässt sich die alte Nomenklatura nur schwerlich draufpfropfen. Man könnte es so beschreiben: In der Kreativbranche fahren derzeit alle quasi ohne Haftpflichtversicherung, weil es eben so viele Grauzonen gibt. Gleichzeitig wissen wir, man wird für uns kein neues Arbeitsrecht schreiben. Mit dem neuen Kollektivvertrag machen wir jedenfalls einen wesentlichen Schritt.
medianet: Was sind zurzeit weitere Arbeitsschwerpunkte des Fachverbands?
Müller: Die Vertragsbedingungen zwischen dem ORF und seinen Zulieferern sind ein großes Thema. Jetzt sind wir so weit, dass wir einen Zwischenbericht haben, der unterschriftsreif bei Generaldirektor Wrabetz liegen soll. Wir haben ein konstruktives Gesprächsklima und verhandeln in einem dynamischen Prozess weiter.
Im Hinblick auf die großen Änderungen, die allfällige Urheber-und Arbeitsrechtsänderungen bringen werden, ist es unter Umständen ein längerer Prozess, in dem wir gewisse Punkte sukzessive abarbeiten. Wichtig ist eine Vertrauensbasis und ein kleiner Arbeitskreis, der Tacheles redet.
medianet: Bleiben wir beim ORF: Es gibt Gerüchte, dass der ORF sein Investment in unabhängige Produktionen wegen budgetärer Probleme nicht wird halten können …
Müller: Generaldirektor Wrabetz hat 2016 ein nachhaltiges, auf drei Jahre angelegtes Investitionsprogramm in der Höhe von insgesamt 300 Mio. € zugesagt. Diese Zusage ist mehrfach bestätigt worden und wir haben keinen Anlass, an der Vertragstreue des ORF zu zweifeln. Die budgetären Probleme – auch im Zusammenhang mit der Infrastrukturerneuerung am Küniglberg – sind medial hinlänglich bekannt.
medianet: Im Juni dieses Jahres geht die Ära Alfred Grinschgl, Geschäftsführer der RTR für den Fachbereich Medien und zuständig für den Fernsehfonds Austria, zu Ende. Was erwarten Sie sich für die Zukunft vom Fernsehfonds?
Müller: Der Fernsehfilmfonds war ein unglaublicher Multiplikator, ein Gewinn für Filmwirtschaft und indirekt wohl auch für die koproduzierenden Sender. Zweck des Fonds ist aber nicht, den Sendern eine Budgeterleichterung zu schaffen, sondern eine Stärkung der Eigenkapital- und Rechtesituation der Filmproduktionswirtschaft und natürlich eine Wertschöpfung für den Filmstandort. Gerade bei Letzterem ist aber sicher noch Potenzial gegeben.
medianet: Es heißt, dass sich bereits mehrere Personen , unter anderem auch aus dem ORF-Umfeld, für die Nachfolge der RTR-Geschäftsführung beworben haben …
Müller: Gerüchte sind nicht zu kommentieren, aber der Posten der Geschäftsführung hat einen hohen Gestaltungsspielraum und ist dementsprechend attraktiv. Ich bin sicher, dass sich bei der Ausschreibung und bei der folgenden Bestellung Bundesminister Drozda der Zielsetzung des Fernsehfilmfonds und des notwendigen Anforderungsprofils bewusst sein wird. Natürlich muss der neue Geschäftsführer des Fernsehfonds Austria zu allen Beteiligten ein korrektes Gesprächsverhältnis haben, aber im Hinblick auf die gesetzlichen Ziele ist die kritische Distanz zu den Forderungen der Sender Teil des Portfolios.
medianet: Und was – oder konkret wen – würden Sie sich wünschen?
Müller: Einen Geschäftsführer mit filmwirtschaftlichem Fachwissen und einer klaren und konsequenten filmpolitischen Strategie. Und natürlich die im Regierungsprogramm vorgesehenen zusätzlichen Budgetmittel in der Höhe von zumindest 1,5 Millionen, damit der neue Geschäftsführer in der zweiten Jahreshälfte 2017 noch etwas zu tun hat. (cr/sb)