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Julia Becker.

Redaktion 20.06.2022

Funke-Verlegerin Becker fordert Mehrwertsteuerverzicht bei Medien

Hielt Eröffnungsrede am European Publishing Congress in Wien; Becker: "Journalistische Produkte als 'Treibstoff der Demokratie'"; VÖZ unterstützt Forderung ausdrücklich.

WIEN. Julia Becker, Verlegerin der deutschen Funke-Mediengruppe, fordert vom Staat einen Verzicht auf die Mehrwertsteuer bei journalistischen Produkten. Angesichts der enormen Herausforderungen, vor denen Verlage stehen, wäre ein derartiger Schritt eine wirkungsvolle Investition in die Demokratie, meinte sie am Montag, 20. Juni 2022, in ihrer Eröffnungsrede am European Publishing Congress in Wien. Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) unterstützte diese Forderung ausdrücklich.

"Wer es schafft, innerhalb weniger Wochen Steuern auf klimaschädliche Treibstoffe zu reduzieren und tatenlos dabei zuschaut, wie Ölkonzerne Teile der Steuerreduzierung als Gewinn abschöpfen, wird es wohl auch hinbekommen, journalistische Produkte als 'Treibstoff der Demokratie' geringer zu besteuern", sagte Becker. Auch in Österreich sind Medienunternehmen mit stark steigenden Preisen konfrontiert und wurde der Wunsch nach Unterstützung vonseiten der Politik bereits geäußert.

Es handle sich um eine Forderung, die der VÖZ als Interessensvertretung der heimischen Zeitungen und Zeitschriften bereits sei vielen Jahren stelle, wurde VÖZ-Präsident Markus Mair in einer Aussendung zitiert. In vielen europäischen Ländern liege der Mehrwertsteuersatz für Printprodukte bereits deutlich unter zehn Prozent, in Ländern wie Großbritannien oder in Skandinavien entfalle die Mehrwertsteuer für Zeitungen als indirekte Presseförderung sogar ganz, erinnerte er.

Bereits im zweiten Halbjahr 2020 wurde in Österreich die Mehrwertsteuer auf Zeitungen und Magazine im Zuge der Corona-Entlastungsmaßnahmen auf fünf Prozent gesenkt. "Das war ein wesentlicher Konjunkturimpuls und ein richtiger Schritt zur Stärkung redaktioneller Medien. Bedauerlicherweise war diese Maßnahme lediglich zeitlich befristet", so Mair und kündigte an, sich in Hinblick auf die aktuell in der Bundesregierung verhandelten Neuausrichtung der Presseförderung für diese "wirksame Maßnahme" einzusetzen.

Die deutsche Verlegerin Becker zeigte sich in ihrer Rede auch selbstkritisch: "Die Sparrunden der Verlage in der Vergangenheit haben unverhältnismäßig stark die Redaktionen getroffen und dazu geführt, dass zum Beispiel das Netz der Lokalredaktionen immer mehr ausgedünnt wurde. Das war ein Fehler." Mit der Zusammenstellung vieler Redaktionen ist sie ebenfalls unzufrieden. "Wir haben allzu häufig versäumt, uns in den Redaktionen so bunt aufzustellen, wie unsere Gesellschaft heute ist", so Becker mit Verweis auf zu wenige Frauen in Führungspositionen oder auch zu wenige Menschen mit Migrationshintergrund in den Medienhäusern. "Wir müssen diverser im umfassenden Sinne werden, um nahe bei den unterschiedlichen Zielgruppen zu sein - und, ganz wichtig, um junge Menschen als Leserinnen und Leser zu gewinnen."

Das Leserinnen- und Leserverhalten wird durch diverse in Redaktionen im Einsatz befindlichen Tools immer transparenter. Die von manchen dadurch verfolgte "Klick-Logik" führe dazu, dass Interessen der Rezipienten neue Berücksichtigung fänden, doch sei auch die Gefahr der Boulevardisierung, Skandalisierung und "Blaulichtisierung" gegeben. "Datenorientiert arbeiten, ist auf jeden Fall sinnvoll, datengetrieben ganz bestimmt nicht", so Becker.

Für den vom Oberauer Verlag und dem deutschen Zeitungsdesigner Norbert Küpper veranstalteten European Publishing Congress fanden sich nach zwei Jahren coronabedingter Pause rund 300 Chefredakteurinnen und -redakteure und Führungskräfte europäischer Medienhäuser in Wien ein, um sich über ihre Konzepte und die Zukunft der Branche auszutauschen. Der Kongress endet am Montagabend mit der Ehrung der besten Medienmacherinnen und -macher Europas. (red)

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